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Herr Törber, am ver­gan­genen Samstag spielte ihre Mann­schaft gegen Union Tor­nesch mit Tri­kots, auf denen statt eines Tri­kot­spon­sors Boy­cott Qatar 2022“ zu lesen war. Wie genau kam es zu der Aktion?
Richard Golz (ehe­ma­liger Tor­hüter des HSV und Berater des Manage­ments bei Altona 93, d. Red.) und ich saßen kürz­lich bei einem Getränk zusammen und beschlossen, dass wir als Verein bei all den Vor­komm­nissen nicht still in der Ecke sitzen und so tun können, als ob alles schön und ver­gessen sei, sobald der Anpfiff zur WM ertönt. Es gab auch vorher bereits einige Aktionen und deut­liche Mei­nungs­äu­ße­rungen unserer Fans zur WM. Das Ganze ist keine Selbst­be­ru­hi­gung. Unserer Mei­nung nach kam die Aktion einen Tag vor Beginn des Tur­niers auch nicht zu spät. Wir kommen nun mal von der Küste und der Shit­s­torm hier hatte unserer Mei­nung nach noch zu wenig Schwung. Wir glauben, um im nord­deut­schen Bild zu bleiben, dass sehr viel mehr Sturm not­wendig ist, um das Bewusst­sein für die Miss­stände weiter zu ver­tiefen. Altona 93 ist damit bei Weitem nicht alleine. Wichtig ist für uns, dass es sich dabei nicht um eine rein poli­ti­sche Aktion han­delt, son­dern es jetzt ein­fach drin­gend not­wendig ist, sehr laut seine Mei­nung kund­zutun.

Anfangs war geplant, erst zur zweiten Hälfte mit den Boy­kott-Tri­kots auf­zu­laufen.
Unsere Jungs haben die Tri­kots am Ende doch von Beginn an getragen. Ehr­lich gesagt wollten wir schauen, ob man damit eine Strafe hätte pro­vo­zieren können, um die Aktion noch lauter raus­zu­tragen. Beim Blick auf die aktu­ellen Gescheh­nisse sieht man, dass das dem Ama­teur­sport defi­nitiv leichter fällt als den Profis. In Katar schafft man es ja nicht mal, eine Arm­binde anzu­legen. Wir haben es ris­kiert, aber die Rück­mel­dung vom Ham­burger Fuß­ball­ver­band war sogar eher positiv, sodass unser Team keine Sank­tionen befürchten musste. Die hätten wir aber auch bewusst hin­ge­nommen, denn es ist doch klar, dass Men­schen­rechte wich­tiger sind als sport­liche Sank­tionen oder even­tu­elle Gelbe Karten.

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Michael Schwartz

Boy­kot­tiert denn auch die Mann­schaft gemeinsam die Welt­meis­ter­schafts­spiele?
Das geben wir nie­mandem vor. Es ist aller­dings so, dass wir von den Spie­lern sehr großen Zuspruch bekommen haben. Ich bin mir sicher, dass der ein oder andere der WM kein großes Inter­esse schenken wird. Das sind aller­dings auch Sportler und junge Men­schen, die für den Fuß­ball leben. Wir werden nie­mandem ver­bieten, Fuß­ball­spiele zu gucken. Es geht uns eher um die rich­tige Hal­tung zum Thema. Es kommt ja auch immer wieder der Vor­wurf an unsere deut­schen Natio­nal­spieler. Wenn da aber ein junger Mensch die Chance hat, bei einem inter­na­tio­nalen Tur­nier mit­zu­spielen, dann wäre es irre, ihm das zu ver­bieten oder kaputt machen zu wollen. Gleich­wohl glaube ich, dass unser Verein in der Öffent­lich­keit steht und daher auch ver­pflichtet ist, nicht zu schweigen. Wir können keine Nor­ma­lität vor­spielen oder argu­men­tieren, dass sich sowieso nichts ändern würde. 1978 in Argen­ti­nien und andere pro­ble­ma­ti­sche Welt­meis­ter­schaften ver­gisst dabei natür­lich keiner. Des­wegen ist es doch aber jetzt nicht falsch, sich sehr deut­lich zu der dies­jäh­rigen WM zu posi­tio­nieren.

Wäh­rend der WM rückt bei einigen Boy­kot­tie­renden die Unter­stüt­zung des Ama­teur­fuß­ball mehr in den Fokus. Zeichnet sich bei Ihrem Verein schon mehr Inter­esse ab?
Der AFC kann schon über die ganze Saison hinweg Rekord­zahlen ver­zeichnen. Wir haben einen höheren Zuschau­er­schnitt als viele Ver­eine in der Regio­nal­liga. Wir sind unglaub­lich dankbar für dieses fami­liäre Zusam­men­rü­cken in unserem Verein. Aber ganz gene­rell sehe ich seit Corona, dass ein Revival“ des Ama­teur­fuß­balls drin­gend not­wendig ist. Auch um von diesem Event­cha­rakter des Fuß­balls weg­zu­kommen, der bei unseren Ham­burger Nach­barn aus dem Pro­fi­be­reich vor­herrscht. Da bietet unser Verein eine Alter­na­tive. Bei uns kann jeder mit Bier und Brat­wurst direkt an der Gras­narbe stehen und mit den Spie­lern abklat­schen. Das ist der Fuß­ball, den wir uns wün­schen. Das ist Wer­bung für den Ama­teur­fuß­ball. Gerade für Leute, die sich jetzt vom Pro­fi­fuß­ball abwenden, aber noch nicht genau wissen wohin sie gehen sollen. Wir haben im neuen Sta­di­on­heft bei­spiels­weise die Ter­mine der Senioren und der ersten Frau­en­mann­schaft abge­druckt, damit man zu den WM-Spielen im Fern­sehen gute Alter­na­tiven hat, draußen Fuß­ball zu gucken.

Die Aktionen führen wir nicht unser eigenen PR zuliebe durch, son­dern um andere zu moti­vieren“

Gibt es das Trikot mit dem Boycott“-Flock eigent­lich auch zu kaufen?
Das Trikot gibt es ab sofort bei uns im Shop. Wenn sich daraus Gewinne ergeben, werden wir eine Spende daraus an Human Rights Watch wei­ter­geben. Beim jet­zigen Wetter wird sicher keiner mehr draußen mit einem Trikot her­um­laufen, aber in der Kneipe macht es sich sicher auch sehr gut.

Denken Sie, dass Altona als Fünft­li­gist mit sol­chen Aktionen über­haupt die gewünschte Reich­weite erzielen kann?
Wir haben ja glück­li­cher­weise relativ viele Fans, die sich in anderen Regionen bewegen und auch pro­mi­nente Leute im Verein wie Richard Golz oder unseren Coach Andreas Berg­mann. Die kennen viele Leute, die immer mal einen Blick auf unseren Verein werfen. Dar­über hinaus sind wir auch mit dem HSV und St. Pauli im Aus­tausch, auch wenn die eigene Aktionen durch­führen. Nach unseren Mög­lich­keiten im Ham­burger Ama­teur­fuß­ball werden wir meines Erach­tens gut gesehen. Bis­lang bekommen wir aus­schließ­lich posi­tive Reak­tionen zu unserem Ver­halten und das findet hof­fent­lich Nach­ahmer. Die Aktionen führen wir ja nicht unser eigenen PR zuliebe durch, son­dern um andere zu moti­vieren, sich ebenso zu zeigen und ihre Mei­nung zu äußern.

Altona 93 ist für seine Kam­pa­gnen gegen Rechts, für Viel­falt und Tole­ranz bekannt. Ist neben der Trikot-Aktion noch mehr geplant?
Bei unseren Fans weiß man nie so genau, in dieser Rich­tung bro­delt eigent­lich immer etwas. Zur Welt­meis­ter­schaft hatte ich eigent­lich geplant, unsere eigene Alter­nativ-WM zu ver­an­stalten. Unsere Mann­schaften sollte dann bei­spiels­weise Bra­si­lien imi­tieren und wir wollten gegen andere Natio­nal­teams“ spielen. Leider gibt das in der kalten Jah­res­zeit aktuell der Platz nicht her. Es wird uns aber auf jeden Fall noch etwas anderes ein­fallen. Mit wei­teren Aktionen und Ver­an­stal­tungen darf also gerechnet werden.