Der Portugiese Cristiano Ronaldo war lange Alleinherrscher bei Real. Doch die Zukunft in Madrid gehört dem Waliser Gareth Bale. Bricht die Zeitenwende schon heute im EM-Halbfinale an?
Längst haben die Verantwortlichen von Real Madrid Bale als Ronaldos Nachfolger auserkoren. Letzterer ist inzwischen 31 Jahre alt und auch wenn sein Körper resistent gegen das Altern erscheint, besteht der Verdacht, dass die Leistungskraft in naher Zukunft abnehmen könnte beim Portugiesen. Dann soll Bale dem galaktischen Zirkusbetrieb ein neues Gesicht geben. Nach der EM ist eine Vertragsverlängerung bis 2021 geplant, die dem 26-Jährigen rund 20 Millionen Euro pro Jahr einbringen soll. Das wäre nur knapp weniger, als Ronaldo bisher verdient und wahrscheinlich ist die Summe nur nicht noch höher, um das Verhältnis zum Portugiesen nicht irreparabel zu belasten. Der achtet penibel darauf, in allen Kategorien an der Spitze zu liegen – nicht nur den sportlichen.
100 Millionen? 90? 93? 101!
Als Bale 2013 von Tottenham Hotspur nach Madrid wechselte, war klar, dass er, obwohl ein Spezialist für die linke Seite, auf rechts würde spielen müssen. Links, da ist Ronaldo gesetzt. Bale, der teure Neuzugang, musste sich hinten anstellen in der Hierarchie und dort spielen, wo man ihm einen Platz zuteilte. Wobei seine Ablösesumme lange Zeit eine sagenumwobene Zahl darstellte. Zuerst war die Rede von 100 Millionen Euro, dann von 90, dann 93 und Reals Präsident Florentino Perez, der sonst Großes öffentlich gern noch ein bisschen größer macht, gab sich allergrößte Mühe, den Betrag immer kleiner zu reden. Nur nicht mehr als 94 Millionen, lautete die interne Vorgabe. So viel Geld hatte Perez 2009 an Manchester United für Ronaldo überwiesen. Nie in der Geschichte war ein Fußballer teurer gewesen, und das sollte nach Ronaldos Dafürhalten auch so bleiben. Dumm nur, dass die Enthüllungsplattform „Footballleaks“ kürzlich die wahre Summe veröffentlichte und auf 101 Millionen Euro bezifferte. Der Hausfrieden war daraufhin empfindlich gestört, jedenfalls zwischen Ronaldo und Perez.
Gareth Bale ist bei dieser Europameisterschaft anzumerken, wie sehr er die Zeit bei der Nationalmannschaft genießt. Weit weg von all den Eitelkeiten, den Hahnenkämpfen und vom Leben unter der Madrider Glaskugel, auch wenn er sich im Vergleich zu früheren britischen Spielern ganz gut arrangiert hat mit der spanischen Hauptstadt. Wie Ronaldo lebt er dort zurückgezogen mit seinem kompletten Clan hinter hohen Mauern. Die Anwesenheit der Liebsten macht das abgeschottete Dasein in Madrid für den Familienmenschen erträglicher.
„Die EM wie ein Urlaub mit Freunden“
Richtig frei fühlt sich Bale nur mit den Kollegen aus dem Nationalteam. Wales hat sich in Frankreich nicht abgeschottet wie die meisten anderen Mannschaften. „Die EM fühlt sich an wie ein Urlaub mit Freunden“, hat Bale dieser Tage gesagt. Mit den anderen bewegt er sich frei am Strand, macht Fotos mit Passanten, ist stets gut gelaunt.
Drei Mal hat Bale bei dieser EM schon getroffen, und wer ihn nach seinen Toren hat jubeln gesehen, diese pure Begeisterung in seinem Gesicht, der wird erahnen, was ein Finaleinzug mit Wales für ihn bedeuten würde. Dass er dabei Cristiano Ronaldo aus dem Turnier werfen würde, ist nicht mehr als ein netter Nebeneffekt.