Vor fast dreißig Jahren wurde der FC Wimbledon von der legendären Plough Lane vertrieben. Im November kehrte der Klub zurück – in ein neues Stadion am alten Ort. Zu verdanken hat der Klub das vor allem den Fans.
Jones hätte sich das Eröffnungsspiel von der Tribüne aus ansehen können, lehnte aber höflich ab, denn es wäre einfach nicht dasselbe, solange keine normalen Fans ins Stadion dürfen. Stattdessen sieht er sich die Begegnung mit anderen Anhängern auf einer großen Leinwand vor der Brauerei „By The Horns“ gleich nebenan an. Vor dem Anstoß übergibt er ein Fässchen des speziell gebrauten „Crazy-Gang“-Biers an den Zeugwart der Elf, damit die Spieler hinterher ein bisschen feiern können.
Jones kann reden (und fluchen) wie ein Wasserfall, wahrscheinlich weil er genug für mehrere Leben durchgemacht hat. Sein erstes Spiel war 1979 ein 2:0 daheim gegen Swindon Town, einer von nur zehn Siegen in jener Saison, an deren Ende Wimbledon aus der dritten Liga abstieg. Er schaute sich hin und wieder Chelsea und Millwall an, aber er meint: „Ein Teil von mir wusste, dass dies nicht meine Leute sind. Es fühlte sich nicht richtig an.“ Jones kehrte zum FC Wimbledon zurück, und „es war, wie in die Kneipe um die Ecke zu gehen: Man kommt rein und hat sofort das Gefühl, hierher zu gehören. Du bist Wimbledon-Fan, auch wenn du es noch nicht begriffen hast.“
Zwischen 1983 und 1986 sah er Wimbledons Durchmarsch von der vierten in die erste Liga. Er war dabei, als die „Crazy Gang“ den englischen Fußball aufmischte und sich 1988 zum FA-Cup-Sieger krönte. Doch dann verscherbelte Sam Hammam, der habgierige Vorsitzende des Klubs, seine Anteile an ein paar Norweger, die mit einem zum Scheitern verurteilten Umzug nach Dublin liebäugelten. Sie wiederum trafen sich mit einem Mann aus Milton Keynes, der dachte, ein Fußballverein brauche keine Heimat. Zu viele Anhänger schlafwandelten in die Katastrophe hinein. Immerhin: Sie erwachten schnell wieder.
Binnen zehn Tagen im Jahr 2002 gründete vier Männer den neuen Klub: Marc Jones, Trevor Williams, Kris Stewart und Ivor Heller, der heutige Direktor des AFC. Unterstützung erhielten sie von Brian Lomax, einem der Begründer der Bewegung für fangeführte Vereine, der sie zu einem schlagkräftigen Aktionsbündnis formte und sogar anbot, Briefmarken zu kaufen, um ihre Post zu verschicken. Sie alle hatten unterschiedliche Motive, Träume und Ziele. Aber sie alle können sich auf einen Slogan einigen: „Reclaim the Game!“, holt euch das Spiel zurück!
„Wir wollten an die Plough Lane zurückkehren, koste es was es wolle!“
Jones sagt: „Wir beschlossen, uns den Geist von Wimbledon zum Vorbild zu nehmen und ihn verdammt noch mal zu erhalten und an die Plough Lane zurückzukehren, koste es, was es wolle. So wie die Mannschaft, die den Durchmarsch geschafft hatte, würden wir jedes Hindernis nehmen, statt dazustehen und es anzustarren.“
Die Rückkehr an die Plough Lane hatten sie beim AFC Wimbledon schon im Hinterkopf, als sie in den Untiefen der Combined Counties Football League, der achten Stufe der englischen Fußballpyramide, ihr erstes Heimspiel im Kingsmeadow austrugen. 4000 Zuschauer drängten sich gegen den Chipstead FC in das kleine Stadion. Zum ersten Auswärtsspiel bei Sandhurst Town (Zuschauerschnitt: 50) kamen 2500 Fans.
2013 erwarb der Dons Trust, dem der neue Klub gehört, ein Gelände neben dem alten Wimbledon-Stadion, auf dem Windhund- und Speedway-Rennen ausgetragen wurden. Dank der engagierten Arbeit der lokalen Behörden erhielten die Pläne für die Rückkehr des AFC Wimbledon an die Plough Lane 2015 grünes Licht. Da Wimbledon aber nun einmal Wimbledon ist, erwies sich die Finanzierung des neuen Stadions als schwierig. Die Fans brachten 2,4 Millionen Pfund auf. Ein neuerlicher finanzieller Engpass trat ein, bevor der Bau abgeschlossen war. Man erwog, Anteile am Klub zu verkaufen, um das Projekt zu vollenden, doch man entschied sich stattdessen für ein Anleihenprogramm, bei dem Fans für null bis vier Prozent Zinsen bis zu 1000 Pfund investieren konnten. Damit wurden weitere fünf Millionen Pfund aufgebracht, die für die Fertigstellung des Stadions nötig waren. Im Mai 2020 gab schließlich der lokale Geschäftsmann Nick Robertson die letzte Finanzspritze.
Fußballfans bezeichnen ihr Stadion gerne als Heimat. Das klingt pathetisch, aber dieses Jahr der Geisterspiele hat bewiesen, wie viel Wahrheit darin steckt. Auf der ganzen Welt blicken Menschen seit Monaten wehmütig auf leere Ränge und sehnen sich zurück in die Zeit, als sie dort zusammen litten und jubelten. Aus denselben Gründen ist vielen Wimbledon-Fans und Klubverantwortlichen die Rückkehr an die Straße namens Plough Lane wichtig, auch wenn das alte Stadion nicht mehr steht. Es ist eine sentimentale Reise in die Vergangenheit. So sagt Trainer Glyn Hodges, der Ende der siebziger Jahre schon als Jugendspieler für Wimbledon aktiv war: „Es ist surreal. Früher nahm ich immer den Zug bis Haydons Road und ging dann zu Fuß zur Plough Lane. Vorher machten wir stets Halt an einem Süßwarenladen.“