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Seite 2: Wie in einer Kneipe

Jones hätte sich das Eröff­nungs­spiel von der Tri­büne aus ansehen können, lehnte aber höf­lich ab, denn es wäre ein­fach nicht das­selbe, solange keine nor­malen Fans ins Sta­dion dürfen. Statt­dessen sieht er sich die Begeg­nung mit anderen Anhän­gern auf einer großen Lein­wand vor der Brauerei By The Horns“ gleich nebenan an. Vor dem Anstoß über­gibt er ein Fäss­chen des spe­ziell gebrauten Crazy-Gang“-Biers an den Zeug­wart der Elf, damit die Spieler hin­terher ein biss­chen feiern können.

Jones kann reden (und flu­chen) wie ein Was­ser­fall, wahr­schein­lich weil er genug für meh­rere Leben durch­ge­macht hat. Sein erstes Spiel war 1979 ein 2:0 daheim gegen Swindon Town, einer von nur zehn Siegen in jener Saison, an deren Ende Wim­bledon aus der dritten Liga abstieg. Er schaute sich hin und wieder Chelsea und Mill­wall an, aber er meint: Ein Teil von mir wusste, dass dies nicht meine Leute sind. Es fühlte sich nicht richtig an.“ Jones kehrte zum FC Wim­bledon zurück, und es war, wie in die Kneipe um die Ecke zu gehen: Man kommt rein und hat sofort das Gefühl, hierher zu gehören. Du bist Wim­bledon-Fan, auch wenn du es noch nicht begriffen hast.“

Re­claim the Game!

Zwi­schen 1983 und 1986 sah er Wim­ble­dons Durch­marsch von der vierten in die erste Liga. Er war dabei, als die Crazy Gang“ den eng­li­schen Fuß­ball auf­mischte und sich 1988 zum FA-Cup-Sieger krönte. Doch dann ver­scher­belte Sam Hammam, der hab­gie­rige Vor­sit­zende des Klubs, seine Anteile an ein paar Nor­weger, die mit einem zum Schei­tern ver­ur­teilten Umzug nach Dublin lieb­äu­gelten. Sie wie­derum trafen sich mit einem Mann aus Milton Keynes, der dachte, ein Fuß­ball­verein brauche keine Heimat. Zu viele Anhänger schlaf­wan­delten in die Kata­strophe hinein. Immerhin: Sie erwachten schnell wieder.

Binnen zehn Tagen im Jahr 2002 grün­dete vier Männer den neuen Klub: Marc Jones, Trevor Wil­liams, Kris Ste­wart und Ivor Heller, der heu­tige Direktor des AFC. Unter­stüt­zung erhielten sie von Brian Lomax, einem der Begründer der Bewe­gung für fan­ge­führte Ver­eine, der sie zu einem schlag­kräf­tigen Akti­ons­bündnis formte und sogar anbot, Brief­marken zu kaufen, um ihre Post zu ver­schi­cken. Sie alle hatten unter­schied­liche Motive, Träume und Ziele. Aber sie alle können sich auf einen Slogan einigen: Re­claim the Game!“, holt euch das Spiel zurück!

Wir wollten an die Plough Lane zurück­kehren, koste es was es wolle!“

Marc Jones

Jones sagt: Wir beschlossen, uns den Geist von Wim­bledon zum Vor­bild zu nehmen und ihn ver­dammt noch mal zu erhalten und an die Plough Lane zurück­zu­kehren, koste es, was es wolle. So wie die Mann­schaft, die den Durch­marsch geschafft hatte, würden wir jedes Hin­dernis nehmen, statt dazu­stehen und es anzu­starren.“

Die Rück­kehr an die Plough Lane hatten sie beim AFC Wim­bledon schon im Hin­ter­kopf, als sie in den Untiefen der Com­bined Coun­ties Foot­ball League, der achten Stufe der eng­li­schen Fuß­ball­py­ra­mide, ihr erstes Heim­spiel im King­s­me­adow aus­trugen. 4000 Zuschauer drängten sich gegen den Chip­stead FC in das kleine Sta­dion. Zum ersten Aus­wärts­spiel bei Sand­hurst Town (Zuschau­er­schnitt: 50) kamen 2500 Fans.

Eine Reise in die Ver­gan­gen­heit

2013 erwarb der Dons Trust, dem der neue Klub gehört, ein Gelände neben dem alten Wim­bledon-Sta­dion, auf dem Wind­hund- und Speedway-Rennen aus­ge­tragen wurden. Dank der enga­gierten Arbeit der lokalen Behörden erhielten die Pläne für die Rück­kehr des AFC Wim­bledon an die Plough Lane 2015 grünes Licht. Da Wim­bledon aber nun einmal Wim­bledon ist, erwies sich die Finan­zie­rung des neuen Sta­dions als schwierig. Die Fans brachten 2,4 Mil­lionen Pfund auf. Ein neu­er­li­cher finan­zi­eller Eng­pass trat ein, bevor der Bau abge­schlossen war. Man erwog, Anteile am Klub zu ver­kaufen, um das Pro­jekt zu voll­enden, doch man ent­schied sich statt­dessen für ein Anlei­hen­pro­gramm, bei dem Fans für null bis vier Pro­zent Zinsen bis zu 1000 Pfund inves­tieren konnten. Damit wurden wei­tere fünf Mil­lionen Pfund auf­ge­bracht, die für die Fer­tig­stel­lung des Sta­dions nötig waren. Im Mai 2020 gab schließ­lich der lokale Geschäfts­mann Nick Robertson die letzte Finanz­spritze.

Fuß­ball­fans bezeichnen ihr Sta­dion gerne als Heimat. Das klingt pathe­tisch, aber dieses Jahr der Geis­ter­spiele hat bewiesen, wie viel Wahr­heit darin steckt. Auf der ganzen Welt bli­cken Men­schen seit Monaten weh­mütig auf leere Ränge und sehnen sich zurück in die Zeit, als sie dort zusammen litten und jubelten. Aus den­selben Gründen ist vielen Wim­bledon-Fans und Klub­ver­ant­wort­li­chen die Rück­kehr an die Straße namens Plough Lane wichtig, auch wenn das alte Sta­dion nicht mehr steht. Es ist eine sen­ti­men­tale Reise in die Ver­gan­gen­heit. So sagt Trainer Glyn Hodges, der Ende der sieb­ziger Jahre schon als Jugend­spieler für Wim­bledon aktiv war: Es ist sur­real. Früher nahm ich immer den Zug bis Hay­dons Road und ging dann zu Fuß zur Plough Lane. Vorher machten wir stets Halt an einem Süß­wa­ren­laden.“