Ein Präsident, der sich in Hooligan-Shirts zeigt. Eine Politikerin, die abfällig über Xhaka und Embolo spricht. Ultras, die sich Kreuzritter nennen. Was läuft bei den Polen eigentlich falsch?
Eigentlich ist es ein Wunder, dass es bei dem Spiel zwischen Polen und der Ukraine in Marseille so friedlich geblieben ist. Und dies nicht wegen der Feindschaft, die zwischen den ukrainischen und polnischen Ultras herrscht, sondern wegen einem Fetzen Stoff.
„Defenders Of European Culture“, stand mit roten Buchstaben auf einem großen weißen Transparent, welches polnische Ultras bei ihrem Marsch ins Stade Vélodrome durch die Straßen der Hafenstadt vor sich trugen. Später konnte man dieses Plakat auch in der polnischen Kurve sehen.
Dass dieses Plakat ausgerechnet beim letzten Gruppenspiel gezeigt wurde, ist kein Zufall. Marseille, eine durch Einwanderung geprägte Stadt, gilt vielen Polen als der Inbegriff eines „degenerierten, multikulturellen Westeuropas“, das seine Wurzeln verloren hat.
Eine Sichtweise, die nicht nur von polnischen Rechtsradikalen geteilt wird, sondern auch von einem großen Teil der polnischen Bevölkerung.
Wie verbreitet diese Meinung auch in der polnischen Ultraszene ist, zeigte sich spätestens im vergangenen Jahr, als die Flüchtlingskrise ihren Höhepunkt erreichte. Während in deutschen Stadien „Refugees Welcome“-Plakate hochgehalten wurden und viele Bundesligaklubs selber praktische Hilfe leisteten, zeigten die polnischen Kurven ihre hässlichen, hasserfüllten Fratzen.
„Verteidigung des Christentums“
„Ganz Legia schreit laut und deutlich: Nein zu der islamischen, wilden Horde“, hallte es beispielsweise bei einem Heimspiel von Legia Warschau durchs Stadion. Und in Breslau beispielsweise präsentierten Ultras des heimischen Slask eine übergroße Choreographie, auf der ein Kreuzritter zu sehen war.
That’s some labour-instensive racism! #Slask Wroclaw tifo y’day: ‚Stand in defense of Christianity‘ #refugeeswelcome pic.twitter.com/Rt48KKt0zt
— Dario Brentin (@sportingbalkans) 1. November 2015„Wenn Europa von der islamischen Gefahr überflutet wird, dann stehen wir auf zur Verteidigung des Christentums“, stand auf der riesigen Choreographie zusätzlich geschrieben.
Bei solchen Parolen ist es nicht verwunderlich, dass auch rechte Parteien die polnische Ultraszene für sich einvernehmen wollen. Sowohl die Allpolnische Jugend als auch das Nationalradikale Lager (ONR) versuchen seit Jahren in den Kurven Fuß zu fassen. Ebenso wie die regierende Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski.
Die Ultras: die „wahre Patrioten“
Schon über 10 Jahren biedert sich diese Partei bei den Ultras an, feiert sie als „wahre Patrioten“. Und dies nur, weil die polnischen Ultras sich jahrelang einen offenen Konflikt mit der Vorgängerregierung lieferten.
Wie weit diese Anbiederung geht, zeigte Staatspräsident Andrzej Duda kurz nach seiner Amtsübernahme. Bei einer seiner ersten offiziellen Reisen, ließ er sich im Flugzeug Polohemd der polnischen Marke „Red Is Bad“ fotografieren, sie sich in der polnischen Ultra- und Hooliganszene großer Beliebtheit erfreut.
Doch obwohl die polnische Ultraszene stramm rechts ist, lässt sie sich nicht von einer Partei vereinnahmen. Auch wenn die Grenzen manchmal fließend sind, wie die Teilnahmen polnischer Ultragruppen an den in Polen stattfindenden Demonstrationen gegen Flüchtlinge zeigen.
Wie Fußball von den rechten Kräften als Bühne für seine fremdenfeindlichen Parolen missbraucht wird, zeigen jetzt auch die Erfolge der polnischen Nationalmannschaft bei der EM.
„All Different. All White. Poland Euro 2016“, steht auf einem Foto, auf dem Spieler wie Robert Lewandowski und Grzegorz Krychowiak in feinen Anzügen zu sehen sind und dass die Allpolnische Jugend nach dem Achtelfinalsieg gegen die Schweiz in den Sozialen Netzwerken verbreitete.
Rechtliche Schritte gegen Missbrauch eines Bildes
Zudem wurde Kamil Grosicki ein weiß-rotes Armband retuschiert, wie es die polnischen Widerstandskämpfer während des Warschauer Aufstands 1944 trugen.
Doch der polnische Fußballverband, der sich in der Vergangenheit mit so manchen rassistischen Symbolen in den Stadien schwergemacht hat, reagierte diesmal sofort. Er kündigte schon einen Tag später rechtliche Schritte gegen den Missbrauch dieses Bildes an. Ebenso tat es die Firma Vistula, ein polnischer Herrenausstatter und offizieller Sponsor der Nationalmannschaft. Mit Erfolg, das Bild wurde sofort gelöscht.
Abfällige Äußerungen gegen Embolo oder Xhaka
Das bedeutet jedoch nicht, dass Politiker nun aufhören, die Nationalmannschaft dazu zu nutzen, um ihre rassistischen Ansichten zu verbreiten. Bestes Beispiel ist dafür die PiS-Politikerin Krystyna Pawlowicz, in Polen auch bekannt als das „Maschinengewehr Kaczynskis“.
Während der Partie gegen die Schweiz äußerte sie sich bei Facebook abfällig über Spieler wie Granit Xhaka oder Breel Embolo. Aber auch das ging nach hinten los. Mit Thiago Cionek spielt nämlich ein gebürtiger Brasilianer für Polen.