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Steffen Baum­gart, im Sommer 1991 wech­selten Sie vom dama­ligen DDR-Ligisten Dynamo Schwerin zur SpVg Aurich in die viert­klas­sige Ver­bands­liga nach Ost­fries­land. Wie kam’s?
Eine Abord­nung aus Aurich kam zu unserem Spiel gegen die BSG Rota­tion Berlin. Sie wollten eigent­lich meinen Team­kol­legen Steffen Ben­thin beob­achten, aber offenbar bin ich ihnen in dem Spiel positiv gefallen. Nach Abpfiff kamen Rüdiger Lange, der dama­lige Trainer der Spiel­ver­ei­ni­gung, und seine Begleiter auf mich zu und fragten, ob ich mir einen Wechsel vor­stellen konnte.

Und Sie sagten gleich zu?
Natür­lich bin ich mit meiner Freundin erst einmal dahin gefahren, habe mir die Stadt ange­schaut und dann mit Hinnie“ Taaken, dem dama­ligen Direktor der Auricher Volks­bank und Sponsor des Ver­eins, über meine Vor­stel­lungen ver­han­delt. Aber im Prinzip fand ich die Idee, in Aurich ein neues Leben anzu­fangen, reiz­voll.

Aber Sie waren 19 Jahre alt, ein talen­tierter Fuß­baller. Ihre Kar­riere fing doch gerade erst an.
Mir kam es damals eher vor, als sei meine Fuß­bal­ler­kar­riere zu Ende.

Wie meinen Sie das?
Ver­setzen Sie sich in meine Lage: Ich hatte schon mit 17 in der zweiten DDR-Liga gespielt, führte mit 18 Jahren vor­über­ge­hend die Tor­schüt­zen­liste an und spielte mit Dynamo Schwerin sogar im Euro­pa­pokal der Pokal­sieger. Aber nach der Wende wurde klar, dass die pro­fes­sio­nellen Vor­aus­set­zungen, unter denen wir zur DDR-Zeit trai­niert und gespielt hatten, nicht mehr auf­recht­zu­er­halten waren. Mit dem Sozia­lismus brach auch das Sport­system zusammen – und fehlte mir die Phan­tasie, wie ich den Weg von der DDR-Liga in die Bun­des­liga schaffen sollte.

Hielten Sie sich denn für gut genug?
Nein, es war jeden­falls kein Ziel, das ich für rea­lis­tisch hielt. Die SpVg Aurich gab mir die Mög­lich­keit, zurück in den Fuß­ball zu kommen, drei bis vier Mal die Woche unter guten Bedin­gungen zu trai­nieren, und nebenbei eine Aus­bil­dung zu machen.

In Schwerin hatten Sie im Zivil­beruf als Poli­zist gear­beitet.
Ich hatte ein Jahr bei der neu­ge­grün­deten Bereit­schafts­po­lizei mit­ge­ar­beitet und danach war mir klar: Als Poli­zist wollte ich auf keinen Fall meinen Lebens­un­ter­halt bestreiten.

Welche Fak­toren waren für Sie bei den Ver­hand­lungen mit Hin­rich Taaken in der Volks­bank und damit für Ihren Wechsel nach Ost­fries­land ent­schei­dend?
Reich wurden von den Spie­lern, die damals aus der ehe­ma­ligen DDR nach Aurich kamen, keiner durch den Fuß­ball. Ich konnte im Auto­haus am Deich” in Nord­deich eine Umschu­lung zum KfZ-Mecha­niker machen, wo auch meine dama­lige Freundin einen Job bekam. Der Verein stellte mir eine Woh­nung und ich erhielt ich einen fahr­baren Unter­satz.

Wir kamen in ein neues Land, es gab keine Ver­gleichs­mög­lich­keiten”

Steffen Baumgart

Als Sie im Sommer 1991 nach Aurich kamen, fingen ins­ge­samt elf Spieler aus der ehe­ma­ligen DDR bei der Spiel­ver­ei­ni­gung an. War das mit ein Grund, dass Ihnen der Wechsel so leicht fiel? Immerhin liegen zwi­schen Aurich und Schwerin knapp 400 Kilo­meter.
Nein. Natür­lich kannte ich Michael Schulz vom Namen her, der lange in der Ober­liga für den BFC Dynamo gespielt hatte. Auch ein paar Jungs aus Frankfurt/​Oder kannte ich dem Namen nach, aber per­sön­lich habe ich alle erst in Aurich ken­nen­ge­lernt.

Was war in Ost­fries­land ganz anders in der DDR?
Alles!

Das heißt?
Die DDR war zusam­men­ge­bro­chen, wir kamen in ein neues Land, es gab keine Ver­gleichs­mög­lich­keiten. Das Ein­zige, was in Ost­fries­land genauso wie in Schwerin funk­tio­nierte, war der Fuß­ball. Und der hat dafür gesorgt, dass ich mich auf Anhieb in der Mann­schaft und auch in der Stadt zuhause fühlte.

„Ich bin nicht wegen des Biers in Köln!“ Steffen Baumgart im Interview

Mit rus­ti­kalem Charme und einer atem­be­rau­benden Offen­siv­taktik befreit Steffen Baum­gart den 1. FC Köln aus seiner ewigen Lethargie. Und auch für den Trainer endet in der Dom­stadt eine lang­jäh­rige Durst­strecke.

Einige von Ihren dama­ligen Mit­spie­lern sind bis heute in Aurich geblieben.
Aurich gab uns die Chance, ein neues Leben auf­zu­bauen. Wir kamen aus dem Sozia­lismus in den Kapi­ta­lismus, das war für uns alle prä­gend. Wir mussten in kurzer Zeit sehr viel neu lernen, etwa wie es mit der Kran­ken­kasse und den Behörden lief. Viele Klei­nig­keiten, die heute normal erscheinen. Aber da haben sich die Auricher sehr ent­ge­gen­kom­mend gezeigt, viel­leicht auch, weil wir Ossis“ eben­falls sehr zugäng­lich waren.

Ost­friesen gelten gemeinhin eher als maul­faul gegen­über Fremden.
Kann ich nicht bestä­tigen. Ich erin­nere mich zum Bei­spiel an das Rent­ner­ehe­paar Götz, die waren Fans der Spiel­ver­ei­ni­gung. Sie luden uns öfter zu sich zum Essen ein und standen uns mit Rat und Tat zur Seite.

Hätten auch Sie sich vor­stellen können, in Aurich hei­misch zu werden?
Auf jeden Fall. Wenn ich nicht 1994 über Umwege zu Hansa Ros­tock gekommen wäre, würde ich viel­leicht noch immer in Aurich leben, so wie meine dama­ligen Mit­spieler Mat­thias Kämp­fert, der in Rhau­der­fehn als Steu­er­be­rater arbeitet, Torsten Peplow, der sich als Auto­ver­käufer eine Exis­tenz auf­ge­baut hat, oder Michael Schulz, der heute bei einer Ver­si­che­rung in Aurich tätig ist.