Er spielte unter Ernst Happel, scheiterte bei den Bayern und wurde in Stuttgart zur Legende. Heute wird Asgeir Sigurvinsson 65 Jahre alt. Der Isländer im Interview.
Asgeir Sigurvinsson, Sie kommen von der Insel Vestmannaeyjar, wo 90 Prozent der Einwohner Fischer werden. Was ist passiert, dass Sie Fußballprofi wurden?
Vestmannaeyjar ist eine kleine Insel im Süden Islands, als Kind wächst man dort mit Fußball auf. Zumindest im Sommer, im Winter spielten wir in der Sporthalle Handball. Man könnte also meinen, dass dort nicht das perfekte Umfeld ist, um sportlich aktiv zu sein. Aber es herrscht eine sehr sportliche Atmosphäre auf der Insel, Vestmannaeyjar hat bereits mehr als zehn Nationalspieler hervorgebracht, und das bei nur 4000 Einwohnern. Und als Fischer hätte ich sowieso nicht arbeiten können. Mein Vater war Fischer, auf dem Kahn wurde ich immer seekrank. (Lacht.)
Wie ist es denn, wenn man auf einer kleinen Insel am Ende der Welt groß wird?
Es war die absolute Freiheit. Es gab keine Regeln, wir konnten zum Spielen rausgehen und zum Abendessen wieder nach Hause kommen. Für mich ging es immer nur um Fußball, bei IBV Vestmannaeyja spielte ich bereits mit 17 Jahren als Profi. Wobei man das nicht mit echtem Profitum vergleichen kann. Wir kriegten nicht einmal unsere Schuhe vom Verein bezahlt und mussten mit dem Schiff zu den Spielen fahren. Dennoch wurden wir 1972 isländischer Pokalsieger. So lief mein Leben, bis ich 17 Jahre alt war. Dann gab es einen Vulkanausbruch und die Insel musste evakuiert werden.
Hui.
Ich ging danach in Reykjavik zur Schule und arbeitete parallel an meiner Profikarriere. Zu der Zeit hatte ich auch
ein Probetraining bei Celtic Glasgow. Der Verein wollte mich verpflichten, aber dieser schottische Fußball war nichts für mich. Ich war ja Spielmacher, aber in Schottland flog der Ball damals nur über dich drüber, wenn du im Mittelfeld spieltest. Ich brauchte ihn am Fuß.
Auf Vestmannaeyjar herrscht manchmal Windstärke 12. Haben die rauen Bedingungen Sie als Fußballer geprägt?
Vielleicht. Man muss mit dem Wind umgehen können, was sicherlich einen Effekt auf die Technik und Ballbehandlung hat. Man muss einfach mehr dafür tun, dass der Ball am Fuß bleibt. Ich glaube, dass meine gute Technik daher kam, dass wir als Kinder immer gegen den Wind spielen mussten. Oder eben mit ihm.
Sie gingen 1973 aus Island nach Belgien. Wie kam es zu dem Transfer?
Mit der U18-Nationalmannschaft erreichten wir die EM-Endrunde in Italien und spielten unter anderem auch gegen Belgien. Da ich damals bereits für die A‑Nationalmannschaft gespielt hatte, was verboten war, hätte Belgien das Ergebnis von 1:1 anfechten können. Aber Trainer Raymond Goethals verzichtete darauf und gab lieber dem Präsidenten von Standard Lüttich den Tipp, mich mal zu beobachten. Der wiederum war auch in der Uefa aktiv, kannte jemanden beim isländischen Verband, stellte den Kontakt her – und schon saß ich in Belgien und unterschrieb den Vertrag.
Als Teenager von der Insel alleine ins Ausland. Sicher nicht einfach, oder?
Nein. Ich sprach kein Wort Französisch, mit Englisch kam ich in Wallonien auch nicht weit. Aber eigentlich war das gut für mich. Ich musste sehr schnell die Sprache lernen und erwachsen werden. Dass es sportlich gut lief, hat mir die Eingewöhnung allerdings erleichtert. Damals durfte man nur mit drei Ausländern spielen, es waren bereits einige Spieler aus Jugoslawien da. Ich habe mich dennoch in die erste Mannschaft gespielt. Der belgische Fußball war damals sehr stark, wir spielten oft im Europacup, und in meiner letzten Saison gewannen wir den belgischen Pokal.
In Lüttich haben Sie auch unter Ernst Happel gespielt. Wie kamen Sie mit ihm zurecht?
Sehr gut. Happel hatte eine sehr spezielle Art als Trainer, war nie laut und hat wenig geredet. Aber er hat genau hingesehen. Es dauerte ungefähr einen Monat, dann nahm sich Happel jeden Spieler zur Seite und konnte ihm sagen, was in seinem Spiel fehlt. Wir wussten immer: Happel beobachtet uns genau. Aber er tut das, weil er will, dass wir uns als Spieler verbessern. Und er hatte eine unglaubliche Autorität. Wenn er etwas gesagt hat, hast du nicht mit ihm darüber diskutiert.
Happel ist eine Trainerlegende. Was hat er anders gemacht als andere?
Was ihn am meisten ausgezeichnet hat, war, dass er psychologisch ein unglaublich gutes Händchen hatte. Eine Mannschaft besteht aus so vielen verschiedenen Charakteren, die alle anders behandelt werden müssen. Der eine braucht Zuspruch, der andere Kritik. Happel wusste bei jedem Einzelnen, wie er mit ihm umgehen musste.
Und er hat Sie nie zur Schnecke gemacht? Schließlich galt er als großer Grantler.
Nein. Ich war sein Spielmacher, er hat mir immer vollstes Vertrauen entgegengebracht.
Sie gingen 1981 in die Bundesliga zum FC Bayern München. Wie kam der Wechsel zustande?
Mit Lüttich spielte ich im Europacup und konnte dort auf mich aufmerksam machen. Eigentlich war der 1. FC Köln interessiert, ein Wechsel stand kurz bevor. Aber dann bekam ich plötzlich einen Anruf. Uli Hoeneß war am Apparat und sagte: „Asgeir, unterschreib nicht in Köln. Ich will, dass du nach München kommst.“ Und wenn einer wie Hoeneß so etwas sagt, dann hört man da auch erst einmal drauf. Also trafen wir uns in München und waren uns schnell einig.