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Asgeir Sigur­vinsson, Sie kommen von der Insel Ves­t­man­naeyjar, wo 90 Pro­zent der Ein­wohner Fischer werden. Was ist pas­siert, dass Sie Fuß­ball­profi wurden?
Ves­t­man­naeyjar ist eine kleine Insel im Süden Islands, als Kind wächst man dort mit Fuß­ball auf. Zumin­dest im Sommer, im Winter spielten wir in der Sport­halle Hand­ball. Man könnte also meinen, dass dort nicht das per­fekte Umfeld ist, um sport­lich aktiv zu sein. Aber es herrscht eine sehr sport­liche Atmo­sphäre auf der Insel, Ves­t­man­naeyjar hat bereits mehr als zehn Natio­nal­spieler her­vor­ge­bracht, und das bei nur 4000 Ein­woh­nern. Und als Fischer hätte ich sowieso nicht arbeiten können. Mein Vater war Fischer, auf dem Kahn wurde ich immer see­krank. (Lacht.)

Wie ist es denn, wenn man auf einer kleinen Insel am Ende der Welt groß wird?
Es war die abso­lute Frei­heit. Es gab keine Regeln, wir konnten zum Spielen raus­gehen und zum Abend­essen wieder nach Hause kommen. Für mich ging es immer nur um Fuß­ball, bei IBV Ves­t­man­naeyja spielte ich bereits mit 17 Jahren als Profi. Wobei man das nicht mit echtem Pro­fitum ver­glei­chen kann. Wir kriegten nicht einmal unsere Schuhe vom Verein bezahlt und mussten mit dem Schiff zu den Spielen fahren. Den­noch wurden wir 1972 islän­di­scher Pokal­sieger. So lief mein Leben, bis ich 17 Jahre alt war. Dann gab es einen Vul­kan­aus­bruch und die Insel musste eva­ku­iert werden.

Hui.
Ich ging danach in Reykjavik zur Schule und arbei­tete par­allel an meiner Pro­fi­kar­riere. Zu der Zeit hatte ich auch
ein Pro­be­trai­ning bei Celtic Glasgow. Der Verein wollte mich ver­pflichten, aber dieser schot­ti­sche Fuß­ball war nichts für mich. Ich war ja Spiel­ma­cher, aber in Schott­land flog der Ball damals nur über dich drüber, wenn du im Mit­tel­feld spiel­test. Ich brauchte ihn am Fuß.

Auf Ves­t­man­naeyjar herrscht manchmal Wind­stärke 12. Haben die rauen Bedin­gungen Sie als Fuß­baller geprägt?
Viel­leicht. Man muss mit dem Wind umgehen können, was sicher­lich einen Effekt auf die Technik und Ball­be­hand­lung hat. Man muss ein­fach mehr dafür tun, dass der Ball am Fuß bleibt. Ich glaube, dass meine gute Technik daher kam, dass wir als Kinder immer gegen den Wind spielen mussten. Oder eben mit ihm.

Sie gingen 1973 aus Island nach Bel­gien. Wie kam es zu dem Transfer?
Mit der U18-Natio­nal­mann­schaft erreichten wir die EM-End­runde in Ita­lien und spielten unter anderem auch gegen Bel­gien. Da ich damals bereits für die A‑Nationalmannschaft gespielt hatte, was ver­boten war, hätte Bel­gien das Ergebnis von 1:1 anfechten können. Aber Trainer Ray­mond Goethals ver­zich­tete darauf und gab lieber dem Prä­si­denten von Stan­dard Lüt­tich den Tipp, mich mal zu beob­achten. Der wie­derum war auch in der Uefa aktiv, kannte jemanden beim islän­di­schen Ver­band, stellte den Kon­takt her – und schon saß ich in Bel­gien und unter­schrieb den Ver­trag.

Als Teen­ager von der Insel alleine ins Aus­land. Sicher nicht ein­fach, oder?
Nein. Ich sprach kein Wort Fran­zö­sisch, mit Eng­lisch kam ich in Wal­lo­nien auch nicht weit. Aber eigent­lich war das gut für mich. Ich musste sehr schnell die Sprache lernen und erwachsen werden. Dass es sport­lich gut lief, hat mir die Ein­ge­wöh­nung aller­dings erleich­tert. Damals durfte man nur mit drei Aus­län­dern spielen, es waren bereits einige Spieler aus Jugo­sla­wien da. Ich habe mich den­noch in die erste Mann­schaft gespielt. Der bel­gi­sche Fuß­ball war damals sehr stark, wir spielten oft im Euro­pacup, und in meiner letzten Saison gewannen wir den bel­gi­schen Pokal.

In Lüt­tich haben Sie auch unter Ernst Happel gespielt. Wie kamen Sie mit ihm zurecht?
Sehr gut. Happel hatte eine sehr spe­zi­elle Art als Trainer, war nie laut und hat wenig geredet. Aber er hat genau hin­ge­sehen. Es dau­erte unge­fähr einen Monat, dann nahm sich Happel jeden Spieler zur Seite und konnte ihm sagen, was in seinem Spiel fehlt. Wir wussten immer: Happel beob­achtet uns genau. Aber er tut das, weil er will, dass wir uns als Spieler ver­bes­sern. Und er hatte eine unglaub­liche Auto­rität. Wenn er etwas gesagt hat, hast du nicht mit ihm dar­über dis­ku­tiert.

Happel ist eine Trai­ner­le­gende. Was hat er anders gemacht als andere?
Was ihn am meisten aus­ge­zeichnet hat, war, dass er psy­cho­lo­gisch ein unglaub­lich gutes Händ­chen hatte. Eine Mann­schaft besteht aus so vielen ver­schie­denen Cha­rak­teren, die alle anders behan­delt werden müssen. Der eine braucht Zuspruch, der andere Kritik. Happel wusste bei jedem Ein­zelnen, wie er mit ihm umgehen musste.

Und er hat Sie nie zur Schnecke gemacht? Schließ­lich galt er als großer Grantler.
Nein. Ich war sein Spiel­ma­cher, er hat mir immer vollstes Ver­trauen ent­ge­gen­ge­bracht.

Sie gingen 1981 in die Bun­des­liga zum FC Bayern Mün­chen. Wie kam der Wechsel zustande?
Mit Lüt­tich spielte ich im Euro­pacup und konnte dort auf mich auf­merksam machen. Eigent­lich war der 1. FC Köln inter­es­siert, ein Wechsel stand kurz bevor. Aber dann bekam ich plötz­lich einen Anruf. Uli Hoeneß war am Apparat und sagte: Asgeir, unter­schreib nicht in Köln. Ich will, dass du nach Mün­chen kommst.“ Und wenn einer wie Hoeneß so etwas sagt, dann hört man da auch erst einmal drauf. Also trafen wir uns in Mün­chen und waren uns schnell einig.