Vom Hundebiss bis zu Lehmanns Kopfballtor: In diesen Tagen wird immer an dieselben Spiele zwischen Schalke und Dortmund erinnert. Hier sind zehn Duelle, an die man seltener denkt, obwohl sie ebenfalls Geschichte schrieben. Eines fand sogar während einer WM statt.
18. Januar 1948: Borussia Dortmund – FC Schalke 04 1:0
In der ersten Spielzeit der neuen Oberliga West gewinnt Schwarz-Gelb das Derby daheim vor angeblich 50.000 Zuschauern in der noch weitgehend zerstörten Roten Erde. Das Resultat ist aber nicht so interessant wie der einzige Torschütze. Der entscheidende Treffer gelingt kurz vor der Pause dem 34-jährigen Franz Podgorski. Der in Schlesien geborene Außenstürmer hatte sich in den letzten Kriegsjahren am Borsigplatz vor den Nazis verstecken müssen, weil er als KPD-Mitglied enttarnt worden war, wie sein Sohn im Buch „BVB 09: Die Chronik“ erzählt. Mut beweist Podgorski auch als Fußballer. Wenige Monate nach seinem Siegtor im Derby schließt er sich dem FC Schalke an – und wird damit zum ersten Spieler, der für beide Klubs aufläuft.
12. März 1950: FC Schalke 04 – Borussia Dortmund 2:1
Es geht noch voller, noch enger, noch verrückter. Im März 1950 fasst das Schalker Stadion 48.000 Menschen. Bis heute weisen die Statistikbücher aber 58.000 Zuschauer für den Besuch des Nachbarn aus – und selbst diese Zahl ist zu niedrig. In seinem tollen Buch über die Geschichte des Revierderbys schreibt Gregor Schnittker: „Es gibt Hinweise, dass sich zum Anstoß etwa 70.000 Besucher in der Glückauf-Kampfbahn befinden. Den 400 Ordnern und 330 anwesenden Polizisten, davon zehn berittene Beamte, gelingt es nur mit Gewalt, die Spielfläche frei zu halten.“ Hundert Menschen werden ohnmächtig, mehr als ein Dutzend schwer verletzt. Eine Mauer stürzt ein, wütende Fans werfen Steine und Flaschen, weil sie nichts sehen können, ein Polizist wird mit blutender Kopfwunde vom Spielfeld getragen. Selbst das Wetter dreht durch, denn kurz vor Frühlingsanfang hagelt es in Gelsenkirchen. Erst mit 45 Minuten Verspätung geht es überhaupt los, weil draußen so viele Menschen stehen, dass die Dortmunder Spieler nicht in ihre Kabine kommen. Übrigens: Die meisten Statistikbücher und ‑seiten enthalten noch einen weiteren Fehler. Neun Minuten vor dem Ende trifft nicht Willi Dargaschewski vom Punkt. Es ist natürlich Schalkes etatmäßiger Elfmeterschütze Paul Matzkowski, der nach einem Handspiel von Herbert Hammer antritt und das Siegtor erzielt. Zum ersten Mal seit dem Krieg kann Königsblau den Emporkömmling aus Dortmund schlagen.
22. Februar 1959: FC Schalke 04 – Borussia Dortmund 1:5
Trotz Lothar Emmerich, Manni Burgsmüller, Stéphane Chapuisat oder Robert Lewandowski: Der Rekordtorschütze des BVB bleibt ein gebürtiger Duisburger mit hoher Stirn: Alfred „Adi“ Preißler. Dass er selbst mit 37 Jahren noch weiß, wo das Tor steht, beweist Preißler Anfang 1959, als die Deutschen Meister der vergangenen drei Jahre in der Kampfbahn Glückauf die Klingen kreuzen. Für beide Klubs läuft die Saison nicht nach Plan, deswegen finden sich nur 25.000 Zuschauer ein, von denen sich die meisten über ihr Kommen ärgern dürften. Denn zehn Minuten vor Schluss führen die Gäste mit 4:0, weil Schalke seine Chancen nicht nutzt und Dortmund mit jedem Schuss trifft. Und weil ein Veteran noch mal zaubert. Das „Sport-Magazin“ schreibt am nächsten Tag: „Ein Mann im gelbschwarzen Trikot verdiente sich an diesem Sonntag ein besonderes Lob: Adi Preißler. Er ist immer noch die Seele der Dortmunder Mannschaft. Bei ihm liefen alle Fäden zusammen.“ In der 81. Minute krönt der Routinier seine Leistung, indem er das 0:5 markiert. Es ist in seinem 274. Spiel für Schwarz-Gelb sein 168. Tor. Besser kann man nicht aufhören, muss er sich denken, denn Preißler läuft nie wieder für Dortmund auf.