Den Klubs sind sie ein Dorn im Auge, dem Bundestrainer geben sie Möglichkeit für Experimente: August-Länderspiele nach großen Turnieren. Dem Lieblingsmonat der Deutschen verdankt Arne Friedrich seine DFB-Karriere, Alexander Zickler konnte den deutschen Fußball reanimieren und Thomas Linke gab ein Kurzcomeback
Alle zwei Jahre im August sitzen Trainer, Manager und Sportdirektoren mit Magengeschwüren und vor sich hin gemurmelten Hasstiraden vor dem Fernseher und schauen sich ein Länderspiel der Deutschen Nationalmannschaft an. Morgen gegen Argentinien ist es wieder mal soweit. Das August-Länderspiel platzt wie immer mitten in die Saisonvorbereitung der Bundesligaklubs. Wehren können sie sich kaum, es besteht Abstellungspflicht. Die Bundestrainer neigen zu diesem Zeitpunkt gerne zum Experimentieren. Debüts, Comebacks und Eintagsfliegen geben sich dann die Klinke in die Hand. Ein Überblick.
31. August 1988, Finnland – Deutschland 0:4
Das schmerzliche Aus bei der Heim-EM gegen die Niederlande hatte die DFB-Elf gerade überwunden, da musste die sie schon wieder in der WM-Qualifikation in Finnland ran. Ein guter Auftakt musste her, trotzdem schreckte Teamchef Franz Beckenbauer nicht vor personellen Mutproben in der Startelf zurück. Neben Debütant Holger Fach von Bayer Uerdingen kam Armin Görtz in den Genuss seines zweiten Länderspiels. Es sollte sein letztes werden. Der Mittelfeldspieler des 1. FC Köln tröstete sich anschließend mit dem Gewinn der Bronzemedaille beim Olympischen Fußballturnier in Seoul.
29. August 1990, Portugal – Deutschland 1:1
Der Kaiser ist weg, es lebe der Terrier! In Portugal trat Berti Vogts das schwere Erbe von Franz Beckenbauer bei der Deutschen Nationalmannschaft an. Ungünstiger kann ein Einstand kaum kommen, was der neue Bundestrainer auch monierte: „Ich bin verärgert über den Termin. Unsere Nationalspieler suchen noch ihre Form“. Um nicht die totale Bauchlandung hinzulegen, vertraute Vogts überwiegend dem WM-Kader. Auf der Bank wartete Neuling Maurizio Gaudino vergeblich auf einen Einsatz. Er sollte aber noch kommen. Unglaubliche drei Jahre später.
16. August 2000, Deutschland – Spanien 4:1
Es gibt tatsächlich auch August-Länderspiele, die ihr Gutes hatten. Ganz Fußballdeutschland graute es vor dem ersten Auftritt der DFB-Kicker nach der desaströsen EM in den Niederlanden und Belgien. Doch dann kam Alexander Zickler. Der Stürmer des FC Bayern München, bei der EM noch außen vor, schwang sich in diesem Länderspiel als Reanimateur des deutschen Fußballs auf. Er sprintete die spanische Abwehr in Grund und Boden, erzielte seine beiden einzigen Länderspieltreffer und gab der am Boden liegenden Nationalmannschaft die Hoffnung auf bessere Zeiten zurück.
21. August 2002, Bulgarien – Deutschland 2:2
Arne Friedrich dürfte auch heute noch ein großer Befürworter von Länderspielen im August sein. Nach der überraschenden Vizeweltmeisterschaft in Japan und Südkorea trudelte für das erste Testmatch gegen Bulgarien eine Absage nach der anderen bei Teamchef Rudi Völler ein. Zum Glück für Friedrich, der nach geschmeidigen zwei Bundesligaeinsätzen nominiert wurde. In der 46. Minute feierte der Verteidiger von Hertha BSC sogar sein Debüt. Einen anderen Abwehrspieler spülte die Absageflut ebenfalls noch einmal in den DFB-Kader. Ingo Hertzsch war zwei Jahre nach seinem ersten und bis dato einzigen Einsatz mal wieder dabei. Und auch zum letzten Mal.
18. August 2004, Österreich – Deutschland 1:3
Einen noch tieferen Tiefpunkt asl im August 2000 hatte die Nationalmannschaft im August 2004 erreicht. Teamchef Völler war nach dem Vorrundenaus bei der EM in Portugal zurückgetreten, Wunschkandidat Ottmar Hitzfeld lehnte die Nachfolge ab. Die Wahl fiel schließlich auf Jürgen Klinsmann, der aus sicherer Entfernung in Kalifornien den Abstieg des deutsches Fußballs beobachtet hatte und nun alles auf den Kopf stellte. Vor allem in der Defensive. Die Nominierung des 20-jährigen Robert Huth, der im Reserve-Team des FC Chelsea spielte, überraschte selbst Insider. Frank Fahrenhorst kam zu seinem ersten von zwei Länderspieleinsätzen, an seiner Seite räumte ein letztes Mal Standby-Nationalspieler Thomas Linke zwei Jahre nach seinem Rücktritt aushilfsweise ab.
16. August 2006, Deutschland – Schweden 3:0
Auf das August-Länderspiel gegen Schweden freuten sich ausnahmsweise mal wirklich alle, schließlich steckte das ganze Land immer noch in der Sommermärchen-Euphorie. Wie gut, dass mit Schweden ein Gegner wartete, den die DFB-Kicker schon im WM-Achtelfinale mit 2:0 zerlegt hatten. Und die Mannschaft des neuen Bundestrainers Joachim Löw knüpfte nahtlos an die vorherigen Leistungen an. Eine Halbzeit lang durfte auch Malik Fathi, Linskverteidiger von Hertha BSC, Teil des Spektakels werden. Zwei Monate später erlebte Fathi gegen Georgien seine letzten 15 Minuten im DFB-Trikot.
11. August 2010, Dänemark – Deutschland 2:2
Selten hatte eine Mannschaft den Namen B‑Elf so verdient wie das Deutsche Team gegen Dänemark. Obwohl auch der Begriff C‑Elf keine falsche Wahl gewesen wäre. Einen bunt gemischten Haufen aus WM-2010-Teilzeitarbeitern, Debütanten und Ein-Tages-Rückkehrern schickte Joachim Löw in Kopenhagen aufs Spielfeld. Dieser Haufen kurz vor Ende eine 2:0‑Führung. Die größten Exoten: Aaron Hunt, der ein Jahr vorher sein Debüt gegeben hatte und für den die Dänemark Reise die bis heute letzte gewesen ist. Und Christian Schulz, für den fünf Jahre nach seinem letzten Nationalmannschaftseinsatz die Wartezeit auf den nächsten zu Ende ging. Seit dem wartet Schulz wieder.