Vom 4:4 bis zu Lehmanns Kopfballtor: In diesen Tagen wird immer an dieselben Spiele zwischen Schalke und Dortmund erinnert. Hier sind zehn Duelle, an die man seltener denkt, obwohl sie ebenfalls Geschichte schrieben. Eines fand sogar während einer WM statt.
13. Februar 1965: Borussia Dortmund – FC Schalke 04 4:0
Der BVB gewinnt das 62. Revierderby zwar ebenso verdient wie deutlich, trotzdem hat die Partie einen besonderen Moment zu bieten, nämlich die 32. Minute. Beim Stand von 1:0 dringt der Dortmunder Timo Konietzka in den Strafraum ein, Schalkes Heinz Crawatzo verfehlt mit seiner Grätsche den Ball, der Stürmer fällt, der Schiedsrichter pfeift. Es ist ein Strafstoß mit doppelter Vorgeschichte. Erst vor zwei Wochen hat Crawatzo einen sehr fragwürdigen Elfmeter gegen Nürnberg verschuldet, und auch diesmal sind sich die Knappen nicht sicher, ob Konietzka wirklich zu Boden gehen musste. Doch die Dortmunder blicken sich ebenfalls fragend an. Sie haben – und diesen Satz muss man zweimal lesen – die letzten sieben Strafstöße alle vergeben. Seit Oktober 1963 versuchten sich sechs verschiedene Borussen aus elf Metern, alle ohne Erfolg. (Reinhold Wosab scheiterte gleich zweimal.) Das ist auch zig Jahre später noch Bundesligarekord. Ausgerechnet im Derby endet die bizarre Serie nun, denn Hermann Straschitz schickt Keeper Gyula Toth in die falsche Ecke. Übrigens: Dass die beiden Rivalen damals noch ein gutes Verhältnis pflegen, sieht man am ersten Satz des Spielberichtes im „Kicker“. Ganz unironisch wird der Tabellenletzte aus Gelsenkirchen als „jahrzehntelang großes Vorbild und uneigennütziger Förderer von Borussia Dortmund“ bezeichnet.
13. Oktober 1984: Borussia Dortmund – FC Schalke 04 1:1 n.V.
Rolf Rüssmann, lange in Diensten des FC Schalke und nun beim BVB, feiert seinen 34. Geburtstag, weshalb die Gäste ihm vor dem Spiel eine Torte überreichen. Rüssmann hat derweil Sekt mitgebracht, damit der BVB nach dem Abpfiff auf seinen Ehrentag und auf das Erreichen des Achtelfinals im DFB-Pokal anstoßen kann. Doch daraus wird nichts. Die gerade erst wieder aufgestiegenen Schalker dominieren die Partie und müssten eigentlich schon während der regulären Spielzeit in Führung gehen. Aber das überfällige 0:1 fällt erst in der 96. Minute, als Klaus Täuber an die Latte köpft und Dieter Schatzschneider den Abpraller volley in die Maschen wemst. 180 Sekunden vor dem Ende der Verlängerung verpasst der beste Mann auf dem Platz – Olaf Thon – nur knapp die Entscheidung: Er trifft den linken Pfosten. In der letzten Minute hält Mathias Schipper im Schalker Strafraum gegen Bernd Klotz den Schlappen drauf – indirekter Freistoß wegen gefährlichen Spiels. Jürgen Wegmann stupst den Ball an, Werner Dreßel haut ihn rein. Weil es bei Pokalspielen noch kein Elfmeterschießen gibt, muss ein Derby zum ersten und einzigen Mal wiederholt werden. Trotzdem marschiert Schatzschneider nach dem Spiel in die Dortmunder Kabine und sackt Rüssmanns Sekt ein. Schließlich fühlt sich Schalke als moralischer Sieger. Und gewinnt dann auch das Wiederholungsspiel.
2. Juli 1990: Borussia Dortmund – FC Schalke 04 2:3
Doch, doch: Das Datum stimmt. Am Tag, nachdem Deutschland in das Halbfinale der WM eingezogen ist, treffen sich Königsblau und Schwarz-Gelb – Achtung! – in Freundschaft. Das ist so Usus. Schon seit zehn Jahren veranstalten die beiden Klubs in der Sommerpause Freundschaftsspiele, manchmal auch im Winter, wenn die Liga ruht. Erst im Februar haben sich die Rivalen 2:2 in Hagen getrennt. Auch das hat Tradition. Diese Testderbys finden öfter in der näheren Umgebung statt, in Siegen oder Bochum. Diesmal ist der Austragungsort das Stadion Hohenhorst in Recklinghausen. Der Stehplatz kostet 10 Mark, Schalkes Trainer Peter Neururer kündigt an, dass die Mannschaft „schon in jenen Blöcken spielt, wie ich es mir für die Saison vorstelle“. Es ist wieder eine Zweitligasaison, schon die dritte in Folge für die Knappen. Davon merkt man an diesem Sommertag allerdings nicht viel. Zwar bringen Michael Schulz und Jürgen Wegmann den Erstligisten 2:0 in Führung, doch dann verwandelt Günter Schlipper einen Elfmeter und Peter Sendscheid trifft doppelt. Der 3:2‑Sieg des Außenseiters ist aber nicht der Grund, aus dem die 90 Minuten von Recklinghausen das bis heute letzte Freundschaftsspiel zwischen Schalke und Dortmund sind. Schon fünf Monate zuvor wollte BVB-Trainer Horst Köppel die Tradition einschlafen lassen. „Da gehen ständig die Emotionen zu hoch“, klagte er. Nun bekommt er seinen Willen.