Einer wurde auf der Bahnhofsbank vergessen, der andere scheint eine Reinkarnation von Dennis Bergkamp zu sein: Hier kommen die besten U20-Linksaußen der Welt.
Leon Bailey, 19 Jahre
Leon Bailey gilt als eine der heißesten Youngster-Transferaktien des Jahres. Manchester United, Napoli, Leverkusen und viele andere sind hinter dem 19-jährigen Jamaikaner her. Dabei hat der Flügelstürmer eine bisher sehr ungewöhnliche Karriere-Laufbahn hinter sich. Mit 14 Jahren ging er von der jamaikanischen Phoenix Academy nach Österreich und wechselte nach Salzburg zum ASK Anif, einen der Kooperationsvereine von Red Bull Salzburg.
Eigentlich sollte der beidfüßige Flügelspieler ja später zu Rapid Wien wechseln, jedoch scheiterte ein Transfer, da man auf ihn vergaß und er auf dem Bahnhof auf einer Bank schlafen musste – so zumindest sein Berater. Also verließ er Österreich und wechselte nach Komplikationen beim Transfer zu Genk in die benachbarte Slowakei zum AS Trencin. Nur drei Tage nach seinem 18. Geburtstag holte ihn Genk „erneut“ für 1,4 Millionen Euro – und das obwohl er Angebote von Chelsea, Standard Lüttich und Ajax hatte. Von da an ging seine Karriere steil bergauf.
Bei Genk avancierte er zum absoluten Leistungsträger, erzielte in der vorigen Saison in 42 Spielen sieben Tore und machte elf Vorlagen. Auch in dieser Saison ist die schnelle und wendige Laufmaschine nicht minder erfolgreich: 33 Spiele, acht Tore, zehn Vorlagen. Leon Baileys Stärke sind sicherlich seine Allrounderfähigkeiten.
Zwar mangelt es ihm an Physis, dafür verfügt er über eine beachtliche Übersicht, eine tolle Passgenauigkeit bei Laufpässen und Flanken, ist schnell, antrittsstark und beidfüßig, damit auf beiden Flügeln einsetzbar. Der junge Jamaikaner wird noch groß rauskommen und Rapid Wien sich noch ziemlich in den Hintern beißen, denn Genk verkaufte kurz vor Schluss des Transferfensters den Flügelspieler um 13,5 Millionen Euro (sowie eine Menge an möglichen Bonuszahlungen) an Leverkusen.
Julian Brandt, 20 Jahre
Julian Brandt, Motherfucker! Der Leverkusener gehört schon jetzt zum Besten, was die deutsche Offensive zu bieten hat. Er besitzt einfach die Fähigkeit in jeder Spielphase eine Torchance zu kreieren. Sein erster Kontakt ist herausragend, wodurch er nach dem Anspiel immer sofort in der Lage ist, seine Aktionen zu starten. In Leverkusen kam er bisher vermehrt auf der linken Außenbahn oder als zweiter Stürmer zum Einsatz.
Seine koordinativen Fähigkeiten erlauben es ihm im Dribbling stets den Kopf oben zu halten und nach Lösungen zu suchen. Engen kann er ebenso bespielen wie weite Räume im Umschaltspiel. Brandts Tempo erlaubt es ihm Konter schnell zu Ende zu spielen und ebenso im höchsten Tempo das Engendribbling zu suchen. Brandts Kreativität gepaart mit seinem Gespür für gegnerisches Verschiebeverhalten machen ihn mit 20 Jahren bereits zu einem sehr kompletten Offensivallrounder.
Im Schnitt gewinnt er aller 90 Minuten starke 3,1 Dribblings, was ihn zusammen mit seinen 1,9 Keypasses zu einem Gamechanger seiner Mannschaft macht. Brandt kann im Prinzip all das, was ein Weltklassespieler können muss. Er ist variabel auf beiden Seiten einsetzbar, wenngleich er auf der linken Außenbahn stärker eingebunden ist. Der Leverkusener hat hier schlichtweg eine bessere Ausgangsposition im linken Halbraum, von der er meist diagonal agieren kann.
Will also heißen, dass seine Körperposition durch sein starkes rechtes Bein ohnehin schon leicht diagonal nach innen gedreht ist, wodurch es den Gegnern in der Regel schwerer fällt, ihn festzunageln. Einen Spieler wie Julian Brandt braucht jede Mannschaft. Sein Gespür für den offenen Raum, seine Wahrnehmung der fünf Grundfaktoren des Fußballspiels (Raum, Zeit, Gegenspieler, Mitspieler, Ball) sind schon jetzt außergewöhnlich.
Er schafft es so oft seine Mitspieler wunderbar getimet in Szene zu setzen, sodass sie häufig nur einen Kontakt brauchen, um abzuschließen. Eine Stärke, die vor allem bei Dennis Bergkamp zu sehen war. Vielleicht ist Brandt in gewisser Weise eine Reinkarnation Bergkamps, nur eben als Außenspieler. Mitreißend und Spektakulär, aber vor allem immer eines: zielgerichtet. Der Typ wird irgendwann mal die Welt regieren.
Frederico Chiesa, 19 Jahre
Für Federico Chiesa, Sohn des ehemaligen italienischen Nationalspielers Enrico, ging es in dieser Saison quasi von 0 auf 100. Im Sommer verhinderte Fiorentina-Coach Paulo Sousa einen Leihwechsel des 19-jährigen Flügelspielers und zog ihn stattdessen in den Kader. Stand Anfang 2017 gehört Chiesa bei der Viola regelmäßig zum Aufgebot und stand zuletzt sogar vermehrt in der Startelf.
Der U20-Nationalspieler kann sowohl auf dem linken als auch auf dem rechten Flügel quasi jede Position einnehmen – vom schnellen Konterangreifer im 4−3−3 bis zum eher defensiv orientierten Akteur mit gelegentlichen Ausflügen nach vorn in einem 3 – 5‑2-System – ganz im Stile seines mittlerweile recht prominenten Teamkollegen Federico Bernardeschi. Chiesa ist sehr schnell und lässt seine Gegenspieler gern mit Tempodribblings aussteigen.
Zudem beherrscht er es, gefährlich von Außen nach Innen zu ziehen, wie etwa ein Arjen Robben, auch wenn es am Abschluss noch hapert. Dabei ist er ständig in Bewegung und rochiert mit den anderen Offensiv-Akteuren der Fiorentina, ist deshalb schwer unter Kontrolle zu bekommen. Sein Passspiel auf engem Raum ist bereits hervorragend ausgeprägt, seine technische und taktische Ausbildung lässt sich sehen. Im Defensiv-Zweikampf weist Chiesa jedoch noch die eine oder andere Schwäche auf, die er mit umso mehr Einsatz aufzuheben versucht. Tendenz? Kommender fester Kaderspieler in der „Squadra Azzurra“.
Maxwel Cornet, 20 Jahre
Cornet ist ein Spieler, für den die Zuschauer ins Stadion gehen. Der 20-Jährige ist einer der dribbelstärksten Außenspieler der Ligue 1. Er besitzt eine saubere Ballbehandlung, die gepaart mit seiner Schnelligkeit und seinem sehr klaren Fokus auf seine Aktionen eine für die eigene Mannschaft harmonische und für das gegnerische Team gefährliche Mischung ergibt.
Der Franzose ist in den Laufduellen zudem im Rumpf sehr stabil, was ihn beispielweise von Ousmane Dembélé unterscheidet. Dadurch ist er mit seinen 1,79 Metern Körpergröße recht stabil und kann eine gute Dynamik entwickeln. Im Schnitt begeht er in der Ligue 1 pro 90 Minuten 2,4 Dribblings, von denen er allerdings nur 1,1 gewinnen kann. In der Champions League zeigte er sich dahingehend mutiger: 1,9 von 4,1 Dribblings gewann er in der Königsklasse.
Eine Erklärung für diesen deutlichen Unterschied ist Lyons Spielweise in der Liga, die im Gegensatz zu den Auftritten in der Champions League wesentlich proaktiver ausgerichtet ist. International konnten sie gegen Juventus und Sevilla in der Regel kontern und Cornet hatte entsprechend Räume für seine Dribblings. In engen Räumen findet er sich noch nicht so zurecht. Eine Schwäche, die es zu verbessern gilt, will er künftig für größere Vereine seine Schuhe schnüren.
In Ansätzen ist Cornet bereits ein Prototyp für den modernen Flügelstürmer, der Gegenspieler an der Seitenlinie isoliert und diese dann zielgerichtet umkurvt. Ihm fehlen aktuell noch ein wenig die Spielstärke und die Konsequenz im Dribbling. Dass er dribbeln kann und für Spektakel sorgen kann, hat er in dieser Saison bereits unter Beweis gestellt. Bei entsprechender Entwicklung könnte Cornet in fünf Jahren vielleicht nicht zur Upperclass der Außenbahnspieler gehören, aber definitiv wird er zum erweiterten Kreis gehören.