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Kurz bevor es los­geht, hat auch mal der Prä­si­dent vor­bei­ge­schaut. Fran­çois Hol­lande kam zum Mit­tag­essen nach Clai­re­fon­taine, wo die fran­zö­si­sche Natio­nal­mann­schaft resi­diert und sich fit macht für die Euro­pa­meis­ter­schaft. Was da so bespro­chen wurde zwi­schen dem Chef de L’Etat und seinen kickenden Staats­die­nern, drang nicht an die Öffent­lich­keit. Die Türen öff­neten sich nur kurz für ein Foto, auf dem Trainer Didier Des­champs und Kapitän Hugo Lloris den Prä­si­denten in die Mitte nahmen. Alle drei lächelten sie ein wenig gequält, was ganz gut die Stim­mung in Frank­reich wie­der­gibt vor dem Eröff­nungs­spiel der Euro­pa­meis­ter­schaft.

Die Grande Nation ringt mit sich

Im Stade de France von Saint-Denis, der Ban­lieue nörd­lich von Paris, trifft Frank­reich am Freitag auf Rumä­nien. Die Grande Nation ringt mit sich. Mit den Erwar­tungen an ihre Fuß­ball­spieler und auch mit dem, was Hol­lande im Élysée-Palas zu ver­ant­worten hat. Der von Streiks und Unruhen geplagte Sozia­list ist der unbe­lieb­teste Prä­si­dent, an den sich die meisten Fran­zosen erin­nern können, und es heißt, nicht mal eine erfolg­reiche Euro­pa­meis­ter­schaft würde seine Beliebt­heits­kurve ent­schei­dend ver­bes­sern. Dass nun Les Bleus“, die in blaue Leib­chen geklei­deten Natio­nal­spieler, so hart um die Zunei­gung ihrer Lands­leute kämpfen müssen, hat auch poli­ti­sche Gründe. Der Aus­schluss des groß­ar­tigen Angrei­fers Karim Ben­zema spaltet das Land. Seine Unter­stützer wähnen den Stürmer mit nord­afri­ka­ni­schen Wur­zeln als Opfer einer ras­sis­ti­schen Kam­pagne im Auf­trag der poli­ti­schen Elite, für seine Gegner ist er ein gewöhn­li­cher Kri­mi­neller, der sich an der Erpres­sung seines Mit­spie­lers Mathieu Val­buena betei­ligt hat. Trainer und Spieler ste­cken alle mit­ten­drin, und das hat die Vor­be­rei­tung auf das Tur­nier doch ein wenig schwierig gestaltet.

Aus­ge­prägter Offen­siv­geist

Man ver­sucht immer, so etwas auf Distanz zu halten“, sagt Hugo, aber es betrifft nun mal zwei wich­tige Spieler, da ist das nicht so ein­fach.“ Der Tor­hüter von Tot­tenham Hot­spur wird die Mann­schaft heute als Kapitän auf den Rasen führen. Es ist eine Mann­schaft, die über groß­ar­tige Indi­vi­dua­listen ver­fügt, etwa den Mit­tel­feld-Antreiber Paul Pogba von Juventus Turin oder die Stürmer Antoine Griez­mann (Atlé­tico Madrid) und Oli­vier Giroud (FC Arsenal). Wahr­schein­lich wird sich Trainer Didier Des­champs gegen Rumä­nien sogar den Luxus leisten, Man­chester Uniteds Hoch­be­ga­bung Anthony Mar­tial erst einmal auf die Bank zu setzen, denn da ist ja noch Dimitri Payet, der bei West Ham United eine sen­sa­tio­nelle erste Pre­mier-League-Saison gespielt hat und trotz Mar­tial Frank­reichs Ent­de­ckung des Jahres ist. King­sley Coman muss sich trotz seiner anspre­chenden Leis­tungen beim FC Bayern noch weiter hinten anstellen.

Kann man dieser Abwehr trauen?“

Der aus­ge­prägte Offen­siv­geist erfreut das künst­le­risch ambi­tio­nierte Publikum. Aber es lässt sich schwer­lich igno­rieren, dass es in der Absi­che­rung nach hinten nicht ganz so gut aus­sieht. Keine Mann­schaft auf höchstem Niveau lässt vor dem eigenen Tor so viel zu wie die fran­zö­si­sche. Die vier Test­spiele in diesem Jahr wurde zwar alle­samt gewonnen, aber gegen die Nie­der­lande (3:2), Russ­land (4:2) und Kamerun (3:2) gab es jeweils zwei Gegen­tore, allein beim finalen Test am ver­gan­genen Samstag gegen Schott­land (3:0) hielt die fran­zö­si­sche Deckung. Kann man dieser Abwehr trauen?“, hat das Fach­blatt L’Équipe“ Hugo Lloris gefragt, und die Ant­wort fiel eher defensiv aus: Das werden im End­ef­fekt die Spiele zeigen. Vorher kann man immer viel reden, aber wir haben die Qua­lität, die Erfah­rung und das Selbst­ver­trauen für diese Auf­gabe.“

Über allen sport­li­chen Sorgen und Hoff­nungen aber steht die Affäre Ben­zema, in der es sich längst nicht mehr um ein Sex-Film­chen geht, mit dem Val­buena erpresst wurde. Diese Sache ist an sich klar und spricht nicht gerade für Ben­zema. Auf einem Tele­fon­mit­schnitt ist zu hören, wie er zu Val­buena sagt: Pass auf, Alter, nichts mit irgend­wel­chen Ver­mitt­lern, Anwälten, Freunden, Bera­tern oder der Polizei. Wenn das Video weg­soll, wird dich mein Freund in Lyon besu­chen.“ Des­champs hat ihn des­wegen aus der Natio­nal­mann­schaft aus­ge­schlossen, und um das ganze Durch­ein­ander per­fekt zu machen, fehlt auch Val­buena im EM-Auf­gebot.

Er hat sich dem Druck eines ras­sis­ti­schen Teils Frank­reichs gebeugt.“

Ben­zema sieht dabei höhere Mächte im Spiel. Ich weiß nicht, ob es allein die Ent­schei­dung von Didier war, denn ich komme sehr gut mit ihm zurecht“, hat der Stürmer von Real Madrid der spa­ni­schen Zei­tung Marca“ erzählt. Und: Er hat sich dem Druck eines ras­sis­ti­schen Teils Frank­reichs gebeugt.“ Nament­lich brachte er den Namen von Minis­ter­prä­si­dent Manuel Valls in Spiel. Grund­sätz­lich sei es doch so: Wenn ich ein Tor schieße, bin ich Fran­zose, aber wenn ich keins schieße oder wenn es Pro­bleme gibt, bin ich Araber.“

Das deckt sich mit der Ein­schät­zung von Eric Can­tona, einem stür­menden Helden der Ver­gan­gen­heit, dessen Namens­nen­nung für gewöhn­lich mit dem Zusatz Enfant ter­rible“ ver­bunden ist. Can­tona wird in Frank­reich immer noch gern vom Bou­le­vard gefragt und hat en pas­sant per Fern­dia­gnose erklärt, Des­champs habe nicht nur Ben­zema, son­dern auch Hatem Ben Arfa von OGC Nizza wegen seiner nord­afri­ka­ni­schen Her­kunft nicht berufen. Des­champs schal­tete darauf seine Anwälte ein, und in dieser Tonart wird es wohl noch ein wenig wei­ter­gehen.

Aus­ge­spro­chen dumm“

In der Mann­schaft kommt das nicht beson­ders gut an. Pünkt­lich zur EM-Eröff­nung hat sich Bacary Sagna zu Wort gemeldet. Es ist aus­ge­spro­chen dumm, dass jedes Pro­blem vor jeder Zusam­men­kunft der fran­zö­si­schen Natio­nal­mann­schaft zum Thema gemacht wird“, sagt der Ver­tei­diger von Man­chester City. Ich bin schwarz. Einige kommen aus den nord­afri­ka­ni­schen Län­dern, einige sind Fran­zosen. So ist die Welt.“ Sagnas Familie ist aus dem Senegal zuge­wan­dert, Ben­zemas aus Alge­rien. Die Eltern von Regie­rungs­chef Valls kommen übri­gens aus Spa­nien und der Schweiz, er selbst ist in Bar­ce­lona geboren und erst seit 1992 in Besitz der fran­zö­si­schen Staats­bür­ger­schaft.