Heute vor 15 Jahren starb Charly Neumann. Einst brachte er als Bäckerlehrling Ernst Kuzorra und Fritz Szepan die Brötchen. Später heulte er wegen Schalke ganze Badewannen voll.
Dieser Text erschien erstmals im Juli 2008 nach dem Tod von Charly Neumann.
Sein größter, sein sehnlichster, sein allerletzter Wunsch blieb unerfüllt: Karl-Heinz „Charly“ Neumann hat Kerzen aufgestellt und Stoßgebete an den Allmächtigen adressiert, weil er nach der Unendlichkeit von über 50 Jahren mal wieder die Meisterschale auf Schalke hoch halten wollte. Doch er hat es nicht mehr erlebt: Als Charly Neumann am 11. November 2008 starb, laut offizieller Mitteilung um 13.45 Uhr „friedlich eingeschlafen“, stand der Verein seines Herzens auf dem sechsten Rang der Liga. Fünf Punkte hinter der Spitze, nicht unbedingt als ein potenzieller Titelanwärter positioniert.
Doch mit den Wechselfällen des Lebens bei allem Frust gelassen und vor allem erheiternd umzugehen, war eine der herausragenden Wesensarten von Charly Neumann, der für Schalke gelebt, mit Schalke gezittert, gelitten, gelacht und geweint hat: „Wegen Schalke“, so sagte er mal, „habe ich in meinem Leben schon acht bis zehn Badewannen vollgeheult.“ Und mindestens die Hälfte dieser Tränen, so der Nachsatz, „waren echt.“
Charly Neumann, ein Unikum. Beliebt, ja, verehrt auf Schalke und bekannt in ganz Deutschland. Manchmal sogar bekannter als ein Großteil der Schalker Lizenzspieler: „Wo ich hinkomme, habe ich Heimspiele. Manchmal frage ich mich, wie populär ich erst hätte werden können, wenn ich auch noch Fußball gespielt hätte“, sagte Neumann, für den sich dieser Traum allerdings nie erfüllt hat: Nachdem Ernst Kalwitzki, legendärer Schalker Meisterspieler und später Platzwart in der Glückauf-Kampfbahn, einige Trainingseinheiten des ambitionierten Möchtegerns besichtigt hatte, riet er ihm: „Lass‘ es Charly, du lernst es nie.“
Er hat seine Fähigkeiten, seine Fertigkeiten auf andere Art eingebracht und umgesetzt: Als Bäckerlehrling, der den ehemaligen Schalker Idolen Ernst Kuzorra und Fritz Szepan per Fahrrad die Frühstücksbrötchen anlieferte. Als Hobby-Schauspieler, der neben damals berühmten Leinwand-Größen im „Wunder des Malachias“ mitwirkte, als erfolgreicher Gastronom und vor allem als „guter Geist“ auf Schalke, wo er mit seiner Herzlichkeit, seiner Großzügigkeit nicht nur Fans, sondern auch Funktionäre beglückt hat. Er stand treu und fest zu Günter Siebert, als es dem vorübergehend nicht wirklich gut ging, er unterstützte „Sonnenkönig“ Günter Eichberg, als dessen „Reich“ zusammenbrach. Und er versöhnte sich auch mit Ex-Manager Rudi Assauer, der den umtriebigen Mannschafts-Betreuer vorübergehend ins Abseits gestellt hat.
Abstiege, Aufstiege, Existenz bedrohende Kräche und Krisen – und er seit knapp sechs Jahrzehnten immer dabei, obwohl er sich aus gesundheitlichen Gründen immer stärker zurücknehmen musste: Charly Neumann, ein Schwergewicht im Sinne des Wortes, zahlte für sein weitgefächertes Engagement einen hohen Preis: Er erlitt einige Schlaganfälle, einen Verlust an Temperament und Mobilität, und er zog sich zurück aus der Öffentlichkeit, die er gesucht, und die ihn geschätzt hat. Sein letzter großer Auftritt war der 77. Geburtstag, als seine Weggefährten aus einem prall gefüllten Leben mit besten Wünschen kamen. Dabei ist es geblieben.