Auf der Camping-Insel Grav am Rhein teilen sich Schalker und Bayern die Wohnwagen, verschmilzt die ganze Bundesliga zum FC Deutschland. Jetzt, da der Sommer vorüber ist, nehmen wir euch noch einmal mit in die Gluthitze der großen Ferien.
„Tuchel frisst nur Tofu!“, sagt Dennis. Wenn es auf der Insel Grav einen gibt, der sich ein wenig abgrenzt von Fans anderer Vereine, dann ist es der 140-Kilo-Schalker: In seinem Vorzelt steht ein königsblauer Gartenzwerg, ein Beil in der einen, den abgehackten Kopf eines BVB-Zwergs in der anderen Hand. Sein Stammtisch, der sich bei ihm im Vorzelt trifft, besteht dann auch nur aus Gleichgesinnten: Uwe, der dem Gartenzwerg verblüffend ähnlich sieht, Olli, der auch mal bei der Gelsenszene war und viele Geschichten erzählen könnte, wenn er sich denn noch erinnern würde, und Peter, der zu Dennis’ Ärger mal wieder sein Trikot vergessen hat. Zum Glück ist Peter so schmal gebaut, dass er das Leibchen von Dennis’ Collie tragen kann, der hat sogar mehrere.
Irgendwann holen sie die Schale, bis dahin wird gecampt
Die bierselige Truppe ist auch für den wahrscheinlich schlimmsten Zwischenfall verantwortlich, zu dem es auf der Insel Grav je gekommen ist: Erst neulich entwichen bei einer Poolparty in Dennis’ Vorgarten 1000 Liter Wasser aus dem Schalke-Planschbecken und ergossen sich in den Garten des Nachbarn, eines Dortmund-Fans. „Da haben wir dann zwei Tage mal kleinere Brötchen gebacken“, sagt Dennis. Inzwischen können sie darüber lachen. Helene Fischer und Mickie Krause plärren aus den Boxen, am Dach des Vorzelts bildet sich Kondenswasser, Dennis streichelt Peter in seinem Hundetrikot, „Ja, bist’n ganz Feiner!“, die Stimmung steigt ins Unermessliche. „Deutscher Meister wird nur der S04!“, da sind sich alle einig. Selbst Olaf Thon scheint von seiner Autogrammkarte, auf der „Für Dennis, Dein Olaf“ steht, herabzunicken. Die gewisse Ahnungslosigkeit prägt auch den bedingungslosen Optimismus, der sich unter den Fußballfans auf der Insel Grav breitgemacht hat. Fußt Optimismus nicht immer auf einem Mangel an Information? Irgendwann holen sie alle die Schale, früher oder später. Bis dahin wird gecampt.
Doch nicht allen ist es vergönnt, noch einmal Meister zu werden. Frank Seibt hält am Ende seiner Rundfahrt an einer Gedenkstätte für die Insulaner, die im Laufe der 45 Jahre ver storben sind. „Freunde, die für immer zum großen Campingplatz abberufen wurden“, steht über einem der drei Holzkreuze, auf denen 540 Namensplaketten befestigt sind. Frank Seibt und sein Vater Wolfgang waren auf allen Beerdigungen. Auch Dennis, der Schalker, trug zwei Camper zu Grabe: seinen Vater Dieter, der vor zehn Jahren mit nur 54 Jahren an einem Herzinfarkt starb. Und seinen Kumpel Andreas, einen Dortmunder. Dessen letzter Wunsch war es gewesen, dass die Trauergäste sich schwarzgelb kleiden. Dennis ging zum Kaufhof in Gelsenkirchen und besorgte sich einen schwarzen Anzug und ein gelbes Hemd.
„Da geht dat Menschliche vor“, sagt er.