Wolfgang Großmann war in der DDR eingesperrt und wurde auch wegen Borussia Mönchengladbach zum Rebell. Zum Tag der deutschen Einheit: Eine Geschichte über Liebe, Treue und Grenzerfahrungen.
Natürlich fährt Wolle direkt nach Mönchengladbach. Wenn er heute in seiner Mönchengladbacher Wohnung davon erzählt, werden dem Raubein von früher die Augen feucht. Wie er damals bei seinem Gladbacher Brieffreund Ralf London klingelt. Wie er wenig später das erste Westbier seines Lebens trinkt. Und schon am nächsten Tag beim Pokalspiel in Solingen wie ein Joint durch die Kurve gereicht wird.
Fazit der ersten Begegnung mit der großen Liebe: „Am Ende des Tages war ich rund wie ein Lenker.“ Sein Kumpel Steffen kommt erst nach der Wende. Da hat sich Wolle bereits ein neues Leben aufgebaut. Ein Leben im Zeichen der Borussia.
Das besondere Ende
Die Jahre nach der Wiedervereinigung verlaufen nicht weniger ereignisreich, aber davon muss Wolle ein andermal erzählen. Er raucht noch eine Zigarette, seine leicht beschlagenen Augen sagen: Aus Gründen der Nostalgie sind wir gleich wieder für sie da. In seinem Kopf die großen Schlagwörter seines Lebens: Gladbach, DDR, Stasi, Rebellion, Freiheit, Wende. Schmerz.
Dann ist er wieder da und wünscht sich ein besonderes Ende für seine Geschichte. Er erzählt von seinem Freund Andreas Böttcher, der vor Jahren viel zu früh verstarb. „Botte“ habe ihn schon zu DDR-Zeiten ein ums andere Mal aus brenzligen Situationen befreit, ein echter Kumpel. Botte teilte Wolles Leidenschaft für die Borussia, nach der Wende sah man sie häufig zusammen im Block stehen und schreien, auch mal die Fäuste schwingen. Als Mönchengladbach 1995 den DFB-Pokal gewann, lagen sich die Freunde weinend in den Armen.
Weil das nicht nur einfach ein gewonnenes Spiel war, sondern ein eingelöstes Versprechen. Viele Jahre vorher hatten die beiden mal wieder eine Nacht in einer Stasizelle verbringen müssen. Kann man weiter von der Freiheit entfernt sein, wenn man morgens auf einer Pritsche aufwacht und das Fenster Gitter hat? Doch Wolle hatte zu Botte gesagt: „Die können uns hier nicht ewig drin behalten. Irgendwann gehen wir zur Borussia, wann immer wir wollen.“ Und Wolle behielt recht.