Auch der Trainerwechsel hat dem Hamburger SV nicht geholfen. Was Bernd Hollerbach anders macht als sein Vorgänger — und warum auch das nicht funktioniert.
Man ist es langsam Leid. Wie oft haben wir in den vergangenen Jahren den vermeintlichen Hamburger Abstieg herbeigeschrieben? Kritiker des Hamburger SV erinnern mittlerweile an Sektenführer: Der Untergang ist nah! Und wenn es dann soweit sein soll, geht die Welt doch nicht unter. Und wenige Wochen später heißt es wieder: Dieses Jahr aber, da wird die Welt untergehen! Endgültig!
Also auf ein Neues: Dieses Jahr geht die Welt tatsächlich unter. Zumindest in Hamburg. Alle, wirklich alle Zeichen deuten auf Abstieg. Was soll da schließlich noch kommen? Die letzte Patrone eines Abstiegskandidaten, den Trainerwechsel, haben die Hamburger bereits gezogen. Doch auch unter Bernd Hollerbach gibt es keinen Aufwärtstrend. Im Gegenteil. Das 0:1 gegen Werder Bremen war ein neuer Tiefpunkt in einer an Tiefpunkten nicht armen Hamburger Saison.
Warum gelingt es auch Hollerbach nicht, den HSV wieder auf Kurs zu bringen? Gibt es für den Hamburger SV noch Hoffnung? Vier Thesen zum Hamburger (Welt-)Untergang.
1. Es gibt einen Trainereffekt in Hamburg — wenn auch nur einen kleinen
Zwei Punkte aus fünf Spielen, 3:7 Tore – Hollerbachs Bilanz liest sich nicht atemberaubend. Bedenkt man aber, dass die Gegner unter anderem Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und RB Leipzig hießen, ist die Hamburger Ausbeute gar nicht so unterirdisch.
Hollerbach ist es gelungen, den Hamburgern eine etwas flexiblere Taktik zu verordnen. Unter Markus Gisdol kannten die Hamburger nur ein taktisches Mittel: rauf auf den Gegner! Das 4 – 2‑3 – 1‑System änderte Gisdol nur selten, und wenn, dann mit mäßigem Erfolg. Unter Hollerbach verteidigt Hamburg etwas tiefer, stört den Gegner nicht mehr ganz so früh. Dafür stehen sie defensiv sehr stabil, sichern vor allem das Mittelfeld gut.
Hollerbach wandte in seinen ersten Partien bereits unterschiedliche Formationen an: In den ersten Spielen agierte das Team in einem 5−3−2. Gegen Werder Bremen stellte Hollerbach auf ein 4−5−1 um. Mit diesem System verhinderte der HSV über praktisch die gesamte Spielzeit, dass Bremen durch das Mittelfeld nach vorne kam. Sämtliche Gegner taten sich bisher sehr schwer gegen die kompakte Defensive von Hollerbachs Hamburgern.
2. Hollerbachs Qualitäten sind nicht gefragt
Hollerbach ist ein guter Defensivtrainer. Nur: Die Defensive war in dieser Saison nicht Hamburgs Schwachstelle. Das große Problem der Hamburger ist das Toreschießen. Mit 18 Treffern stellen sie die schwächste Offensive der Liga.
Auch Hollerbach hat bislang keine Wege gefunden, dieses Problem zu lösen. Hollerbachs Fußball fokussiert sich in erster Linie auf ein schnelles Konterspiel. Er bevorzugt schnelle Stürmer, die hinter die Abwehr starten. Filip Kostic startete bereits im Sturm, gegen Werder Bremen kam Andre Hahn als einziger Stürmer ein.
Nur gelingt es dem HSV viel zu selten, schnell hinter die gegnerische Abwehr zu spielen. Der Abwehr und dem Mittelfeld fehlt die Technik, um sich gegen ein gegnerisches Gegenpressing zu behaupten. Häufig wird der Ball ungenau nach vorne gespielt. Dort fehlt ein Stürmer, der einen hohen Ball auch mal festmachen und behaupten kann. Hamburg weiß daher das (durchaus vorhandene) Tempo im Angriff nicht einzusetzen. Hollerbach scheint der richtige Mann zu sein — nur leider am falschen Ort.