Der Duisburger SV, dessen Fußballabteilung sich bereits im Jahre 1893 gegründet hatte, war der dominierende Verein im Pott. Elf Westdeutsche Meisterschaften gewannen die Mannen aus dem Süden der „Stadt Montan“ zwischen 1904 und 1927 und machten so Duisburg zur ersten Fußballhochburg des Reviers. Selbstredend stellte der Verein auch die ersten deutschen Nationalspieler des Ruhrgebiets.
Triumphzug der „Rotblusen“
Entscheidend für die Entwicklung zur absoluten Nummer eins der Region war dabei wohl eine Reise nach England im Jahre 1896 gewesen. Nie zuvor war ein Deutsches Team in das Mutterland des Fußballs gereist, und so hatten die Duisburger diese Erfahrung, vor allem das Wissen um den Wert eines systematischen und fußballspezifischen Trainings, exklusiv. Ebenso wie auch einen Satz roter Trikots, die der Mannschaft in Großbritannien geschenkt wurde. In der Folge liefen die Grunewälder nur noch in eben jenen Jerseys auf und schon bald waren sie in Nah und Fern nur noch als „Die Rotblusen“ bekannt.
Der Verein bestannt vornehmlich aus Schülern, Angestellten, Kaufleuten und Pädagogen, kurzum aus der Mittelschicht der damaligen Gesellschaft, wusste aber dennoch auch die Arbeiterschaft der „Stadt Montan“ hinter sich. Erst Recht, nachdem der Verein im Jahr 1904 erstmals Westdeutscher Meister wurde und bis ins Halbfinale der Deutschen Meisterschaft vorstieß – als erster Westverein überhaupt. Vorsitzender und einer der Väter des Erfolges war dabei Gottfried Hinze, der jahrelang auch dem DFB vorstand. Bis heute ist er der einzige DFB-Präsident, der zu seiner Amtszeit im Ruhrgebiet lebte.
Die Krönung der Vereinsgeschichte erfolgte acht Jahre nach dem ersten Titelgewinn. In der Saison 1912/13 zogen die „Rotblusen“ in das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft ein. Im Viertelfinale hatten die Duisburger die Stuttgarter Kickers überraschend mit 2:1 besiegt, im Halbfinale gegen den amtierenden Meister Holstein Kiel, der ebenfalls mit 2:1 geschlagen wurde, für eine faustdicke Sensation gesorgt. Vor 10.000 Zuschauern im Essener ETB-Stadion trafen Anton Bongartz und Heinrich Fischer für die „Gastgeber“.
Die Belohnung war die langersehnte Finalteilnahme. Allerdings erwies sich der VfB Leipzig, der dominierende Verein dieser Jahre und der allererste Deutsche Meister überhaupt, bei strömendem Regen als zu stark für den DSV und gewann letztlich mit 3:1. Dennoch sollten diese Saison 1912/13 und die darauffolgende Spielzeit als die besten in die Vereinsgeschichte eingehen. Denn auch in der letzten Saison vor dem Ersten Weltkrieg erreichten die Duisburger das Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft.
Spektakulär war dabei vor allem das Viertelfinale gegen den FC Altona 93 gewesen, an dessen Ende ein 4:1‑Sieg nach Verlängerung für die Duisburger stand. Ausgetragen worden war das Spiel im Essener „Uhlenkrug“, und es lockte fast 15.000 Zuschauer in den Essener Süden. Zwei Sonderzüge brachten damals die euphorischen Duisburger Fans nach Rüttenscheid. So etwas hatte Fußball-Deutschland noch nie gesehen. Das ganze Revier stand hinter dem Spielverein. „Die Straßenbahnverwaltung versuchte durch Einstellung eines großen Wagenparks die Verkehrswelle in ein normales Bett zu bringen“ und „eine undurchdringliche Menschenmauer von einer in Westdeutschland noch nie gesehenen Stärke umstand den Platz“, berichtete die zeitgenössische Presse, die von einer „Annäherung an englische Verhältnisse“ sprach.
Die Zuschauerzahl von fast 15.000 bedeutete damals einen absoluten Rekord. Nie zuvor waren zu einem Endrundenspiel um die Deutsche Meisterschaft so viele Zuschauer gepilgert. Die Euphorie die durch den Erfolg über den Hamburger Klub entfacht wurde, vermochte es allerdings nicht, die „Rotblusen“ bis ins Finale zu tragen. Im Halbfinale unterlagen die Duisburger, wie im Endspiel des Vorjahres, gegen den VfB Leipzig.
Ein Verein für Arm und Reich
Doch trotz dieser unglücklichen Niederlage, die den ganz großen Erfolg für den DSV erneut verhinderte: Für die gesamte Entwicklung des Ruhrgebietsfußballs war der Duisburger SV entscheidend. Er hatte eine Vorreiterrolle inne, war quasi Entwicklungshelfer für die Teams, die später in ihre Fußstapfen traten. Denn egal ob Arbeiter oder Lackschuhträger – mit dem DSV hatten sich über einen langen Zeitraum alle identifizieren können. Auch, da nie große Stars in den Reihen des Spielvereins zu finden waren. Das Team lebte immer von einer geschlossenen Manschaftsleistung.
Letztendlich waren es aber wohl doch die herausragenden Einzelspieler, die fehlten, um die „Victoria“ zumindest einmal nach Duisburg zu holen. Daneben war auch das Pech den Duisburgern regelmäßig hold, wann immer der ganz große „Triumph“ möglich war. So war es 1913 beim Finale gegen Leipzig, als der DSV einen rabenschwarzen, wohl den schlechtesten Tag der ganzen Saison erwischte, und so war es 1957 als der Klub noch einmal sensationell aufhorchen ließ. Als Westdeutscher Vizemeister waren die Duisburger noch ein letztes Mal in die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft eingezogen. Doch im allesentscheidenden Spiel gegen den 1. FC Nürnberg kassierten die „Rotblusen“ in der allerletzten Minute den Ausgleich zum 2:2, landeten so in ihrer Gruppe hinter dem Hamburger SV nur auf Rang zwei und verpassten das Finale.
Kurios war zuvor auch das Ausscheiden im Halbfinale der DM 1921 zu Stande gekommen. Als Favorit war der DSV damals zum FC Vorwärts 90 Berlin gereist und musste sich dort dann doch geschlagen geben. Denn ihrer Unterlegenheit bewusst, so sagt es die Legende, überraschten die Hauptstädter die Duisburger mit einem extrem leichten, eiförmigen Ball. Das Spiel endete letztlich nach Verlängerung mit 2:1 für die Berliner, und die Duisburger standen am Ende wieder mit leeren Händen da.