Uhr weg, Hymne weg. Und auch die sportliche Führung hat der HSV ausgetauscht. Statt auf verklärte Traditionspflege will der Klub künftig auf hanseatisches Understatement setzen – oder es zumindest versuchen, denn da ist ja immer noch Klaus-Michael Kühne.
Umfeld
Was sich die Fans nach der sportlich enttäuschenden letzten Saison von ihrem Verein wünschen? Vor allem einen HSV, „der Haltung zeigt und wieder in allen Bereichen eine Identität entwickelt, die authentisch ist.“ So formulierte es Tim-Oliver Horn, Abteilungsleiter des HSV Supporters Club in einem offenen Brief an den Verein, in dem er den HSV für seine rückwärtsgewandte Außendarstellung kritisiert. Stichwort Uhr. Stichwort „Hamburg meine Perle“, der Vereinshymne, in der immer noch internationale Auswärtsfahrten besungen werden und in der für Bremen im Volkspark „nichts zu holen“ ist. Die Klubführung scheint die Zeichen der Zeit erkannt zu haben: Uhr und Hymne wurden kurzerhand abgeschafft. Gesunkene Ansprüche bei den Fans, hanseatisches Understatement, ein Trainer der für seriöse Arbeit steht – versucht der HSV da etwa gerade tatsächlich, das Image des Chaosklubs loszuwerden? Könnte man meinen. Doch zum Glück für den Unterhaltungsfaktor hat der Klub mit Klaus-Michael Kühne immer noch einen launischen Investor an der Backe. Der wurde seiner Rolle erst unlängst wieder gerecht, als er den Kader in der „Zeit“ als „zusammengewürfelten Haufen“ bezeichnete.
Trikot
Uhr und Perle sind weg. Doch zumindest beim Trikot setzt der HSV auf Altbewährtes: Im heimischen Volksparkstadion treten die Hamburger wie gewohnt in roten Hosen an. Das dazugehörige Trikot kommt in klassischem Weiß daher, ein blau-schwarzer Längsstreifen soll an das Auswärtstrikot der Saison 1970/71 erinnern. Apropos Auswärtstrikot: Nach 1977/78 und 2016/17 läuft der HSV mal wieder in Pink auf. War das modische Verbrechen in der Siebzigern noch zur Erschließung neuer, weiblicher Zielgruppen gedacht („Diese Farben gefallen Frauen“, so der damalige HSV-Manager Peter Krohn), sorgte bereits dessen Neuauflage rund vierzig Jahre später bei einigen Fans für Verärgerung („Wir finden es scheiße, dass unsere Trikotfarbe sich nach marketingstrategisch günstigen Farben richtet“, so der Förderkreis Nordtribüne damals in einer Stellungnahme). Neben dem Investor könnte also auch der neue extravagante noch Dress dafür sorgen, dass es beim HSV nicht zu bodenständig oder gar langweilig zugeht.
11FREUNDE-Prognose
Dieter Hecking als Trainer, zweitligaerfahrene Neuzugänge im besten Fußballeralter anstatt großer Namen und ein selbst verpasster Imagewandel – der HSV schickt sich doch tatsächlich an, zu einem ganz normalen Zweitligaklub zu werden. Und tatsächlich könnte diese Konstellation genau das sein, was der Verein inklusive seines hypernervösen Umfelds so dringend benötigt, um eine stabile Saison zu spielen. Aufgrund der starken Konkurrenz reicht es allerdings nicht für einen direkten Aufstiegsplatz. Stattdessen muss der HSV in die Relegation. Aber wenn es einen Verein gibt, der weiß, wie man sich dort durchsetzt, dann ja wohl den Hamburger Sport-Verein!