Der DFB stellt sich voll hinter den Bundestrainer – schon vor dessen Analyse zum desaströsen WM-Aus. Diese Treue hat viele Gründe.
Joachim Löw ist immer noch Bundestrainer – nur damit kein falscher Eindruck entsteht. Wie lange noch, das ist eine andere Frage. Bis zum Ende dieser Woche? Oder doch bis zum Ablauf seines frisch verlängerten Vertrags im Sommer 2022? Löw selbst hat nach seiner Rückkehr aus Moskau tiefgreifende Maßnahmen angekündigt. Spätestens seitdem gilt es vielen als wahrscheinlich, dass er die am tiefsten gehende Maßnahme ergreifen und seine Amtszeit in Kürze enden wird.
Nicht weil der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Löw aus dem Amt drängt, sondern weil Löw eigentlich selbst erkannt haben muss, dass es nach einem derart desaströsen Abschneiden bei der WM keinen Sinn mehr hat. So wie es 2004 Rudi Völler getan hat, der bisher letzte Trainer, der mit der Nationalmannschaft bei einem großen Turnier in der Vorrunde gescheitert ist.
Angst vor den Regionalfürsten
Wenn es nach dem DFB geht und vor allem nach dessen Präsident Reinhard Grindel, gilt es diesen Fall unter allen Umständen zu verhindern. Grindel hat noch unmittelbar vor dem finalen WM-Spiel gegen Südkorea seinen Treueschwur für Löw selbst für den Fall der Fälle erneuert – vermutlich in dem guten Glauben, dass die Nationalmannschaft schon irgendwie gegen Südkorea gewinnen und sich zumindest für das Achtelfinale der WM in Russland qualifizieren wird.
Damit nicht genug: Kaum war die DFB-Delegation wieder in Deutschland, ließ Grindel das Präsidium zur Telefonkonferenz zusammenschalten, um für seinen Kurs die Unterstützung der übrigen Verbandsoberen einzuholen. Nicht, dass irgendein Regionalfürst in einem unbedachten Moment einen kritischen Ton über den Bundestrainer von sich gibt.
Weder gedanklich noch programmatisch vorbereitet
Es ist schon interessant, dass das DFB-Präsidium vor einer solchen Entscheidung offenbar keinen Bedarf für eine Analyse des desaströsen Turniers sieht; dass es gar nicht erst wissen will, welchen Anteil eigentlich der Bundestrainer an diesem Debakel hatte; dass es auch keine Aufklärung verlangt, was Löw, sollte er bleiben, denn in Zukunft anders und besser zu machen gedenke. Löw ist dem Präsidium anscheinend Programm genug.
Grindels Verhalten in diesen Tagen zeigt die große Not, in der sich der Verband seit dem vergangenen Mittwoch befindet. Auf den Fall, dass er plötzlich ohne Bundestrainer dastehen könnte, war der DFB weder gedanklich noch programmatisch vorbereitet – wie nicht zuletzt die überraschende Vertragsverlängerung mit Löw kurz vor der WM bewiesen hat. All you need is Löw. Der Bundestrainer war ohnehin noch für zwei Jahre an den Verband gebunden, es gab also keine Not, den Vertrag zu diesem Zeitpunkt zu verlängern.