Der DFB tut rassistische Vorfälle gerne als „Einzelfälle“ ab. Die Strategie dahinter: Wenn niemand drüber redet, wird das Problem nicht groß. Er bewirkt damit aber genau das Gegenteil.
Auch im aktuellen Interview mit dem „Focus“ sagt Cacau, dass es sich beim Vorfall während des Serbien-Spiels um einen „Einzelfall“ handele, den man nicht „groß aufziehen“ sollte. Auch hier darf er erklären, dass er nie Rassismus erfahren habe. „Eher im Gegenteil“, sagt er. Um dann zu korrigieren: „Diskriminierende oder rassistische Dinge habe ich nur ein einziges Mal wahrgenommen. Das habe ich dann weggelächelt, zwei Tore geschossen und wir haben gewonnen.“
Hätte man das Mesut Özil mal sagen sollen? Gerald Asamoah? Anthony Yeboah? Souleyman Sané? Nur ein paar ehemalige Bundesligaspieler, die während ihrer Karriere Rassismus erlebt haben – und es in Interviews oder ihren Biografien thematisiert haben. Weglächeln und zwei Tore schießen.
Kein größerer Vorfall?
Schon 2017 gab Cacau als Integrationsbeauftragter ein größeres Interview. Der „tz“ sagte er: „Ich will nicht sagen, dass es Rassismus in Deutschland nicht gibt, aber ich kann mich an keinen größeren Vorfall erinnern.“ Nun darf man an dieser Stelle auch sagen, dass der DFB in den vergangenen Jahren nicht untätig war. Es gibt allerhand Anti-Rassismus-Kampagnen, Aktionswochen, Workshops. Es gibt die „AG Vielfalt“, die sich Themen wie Rassismus und Homophobie annimmt. Aber immer noch wirkt der Verband manchmal seltsam ungelenk. 2016 überklebten Mitarbeiter im Millerntor-Stadion des FC St. Pauli beim Training vor dem Länderspiel gegen Polen das Transparent „Kein Fußball den Faschisten“ teilweise, sodass dort nur noch „Kein Fußball“ zu lesen war. Es hagelte Kritik. Trotzdem überklebte der DFB auch beim Finale der U19-Meisterschaft zwischen Hannover und Hoffenheim ein antirassistisches Plakat.
Dass es in jüngerer Zeit keinen größeren Vorfall gab, wie Cacau behauptet, ist schlichtweg falsch. Und zeugt von Ignoranz. Man muss nicht mal in die düsteren Neunzigerjahre zurückgehen (rechtsextreme Hooligans bei den WM-Turnieren in Italien oder Frankreich und bei der EM in England), um größere Vorfälle zu finden. Cacau hätte ein Blick auf den Sommer 2016 gereicht, als der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland sagte, dass man neben jemandem wie Jerome Boateng nicht leben wollte. Beim Turnier in Frankreich posierten rechtsextreme Hooligans aus Dresden und Chemnitz vor einer Reichskriegsflagge in Lille. Auf der Berliner Fanmeile wurden am 2. Juli 2016 zwei Männer verhaftet, die vor dem Spiel Deutschland gegen Italien den Hitlergruß gezeigt hatten. Nach dem Aus der Deutschen twitterte Gaulands Parteigenossin Beatrix von Storch: „Vielleicht sollte nächstes mal dann wieder die deutsche NATIONALMANNSCHAFT spielen?“
Immerhin ist Pocher weg
Der DFB täte gut daran, seine Fans zu motivieren, dagegen aufzustehen. So wie es Andre Voigt getan hat. Und es wäre löblich, wenn sich ein Integrationsbeauftragter für das Thema sensibilisieren würde. Nicht am Schreibtisch, in der Loge oder in Workshops. Sondern mittendrin. Im Fanblock, im Fanbus, vor dem Stadion, mit fachkundigen Mitarbeitern, vielleicht sogar mit einem durchdachten Monitoringsystem. Denn wenn man genau hinsieht, dann erkennt man die Rassisten auch. An ihrer Kleidungsmarke, an ihrer Sprache, an ihrem Auftreten.
Vor allem aber gilt es, das Problem klar beim Namen zu nennen. Zu sagen: Ja, diese Rassisten sind leider auch unsere Fans, aber wir wollen sie hier nicht haben. Zu sagen: Bei Spielen der DFB-Elf gibt es Neonazis im Block, aber wir werden diese Leute nicht mehr ins Stadion lassen.
Was Hoffnung macht? Der DFB ist manchmal wie ein altes Tier, das sehr langsam und träge voranschreitet. Zwölf Jahre lang lief vor den Spielen der Nationalelf etwa der unerträgliche Song „Schwarz und weiß“ des unerträglichen Oliver Pocher. Zwölf Jahre wurde also ein Typ hofiert, der in seinen Videos Mesut Özil und Jerome Boateng veralberte und dafür mit Glupschaugen in gebrochenen Deutsch sprach (Özil) oder sich das Gesicht schwarz anmalte (Boateng). Letzteres ist eine rassistische Praxis, die man Blackfacing nennt. Ende 2018 ging irgendjemandem beim DFB wohl ein Licht auf, dass vor den Spielen auch ein anderes Lied laufen könnte.