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Seite 4: Ein halber Kilometer Straßenbahn

So | 13:30 Uhr | U‑Bahn-Gleis Bochum Hbf
Peter Tobies arbeitet seit einem halben Jahr bei Heim­spielen des VfL Bochum: in oranger Warn­weste. Wenn die U‑Bahnen von den Sta­di­on­tou­risten bevöl­kert werden, ist er jeder­zeit als wan­delnder Fahr­plan ver­fügbar, posi­tio­niert sich neben der ersten Tür. Mein erster Ein­druck war, dass Fuß­ball­fans sehr für­sorg­lich sind“, sagt er. Er hat schon häu­figer beob­achtet, dass geholfen wurde, wenn andere Pas­sa­giere mit Roll­stuhl oder Rol­lator unter­wegs waren. Was er zwei Stunden vor dem Spiel erlebt, ist die Ouver­türe“, wie er sagt. Nur wenn es sein muss, tritt er kurz an die U 306 heran und sagt mit ruhiger Stimme: Noch ein Stück­chen rein­gehen, bitte!“ Beschwerden von anderen Fahr­gästen erreichten das Unter­nehmen kaum noch, sagt Bogestra-Pres­se­spre­cher Chris­toph Koll­mann. Wer sich in Bochum an dem dezenten Aus­nah­me­zu­stand stört, hat längst den Bun­des­liga-Spiel­plan zu Hause hängen und weicht auf andere Stre­cken aus.

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Julian Röder, Ost­kreuz

So | 13:50 Uhr | U 318 nach Gerthe
Nur zwei Sta­tionen sind es in Bochum vom Bahnhof zum Sta­dion. Bogestra-Fahrer Chris­toph Zim­mer­mann kommt gerade zum ersten Mal dort vorbei. Er wird die Strecke heute dreimal hoch und runter fahren. 15 Minuten später ist er an seiner End­hal­te­stelle ange­kommen und wendet wieder. Er erwartet einen ruhigen Nach­mittag, nur wenn er in Gel­sen­kir­chen fahre, käme auch mal die Grüne Minna“. Die Bogestra ver­sorgt Bochum- und Schalke-Fans, hat in jeder Saison 34 Heim­spiele. Wie ver­hält er sich beim Kom­mando Wir wollen wippen, wippen, wippen“, dem Alb­traum jedes Tram­fah­rers? Zim­mer­mann sagt: Jedes Fahr­zeug hat seine Grenzen. Irgend­wann setzen die Federn auf.“ Die Dienst­an­wei­sung lautet: Wenn die Fans unter­wegs anfangen, sich gym­nas­tisch zu betä­tigen, wird die Bahn lang­samer. Wenn die Boden­haf­tung ernst­haft bedroht ist, kün­digt der Fahrer an, an der nächsten Hal­te­stelle stehen zu bleiben. Heute ist das nicht not­wendig. Bei 27 Grad Cel­sius machen viele einen Spa­zier­gang zum Sta­dion. Die vier Männer, die erst um 15:15 Uhr anreisen, es ist Zim­mer­manns zweite Fahrt, ver­breiten beson­ders gute Laune. Einer stellt ver­wun­dert fest: Ohne Gedränge bin ich noch nie zum Fuß­ball gefahren.“

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Julian Röder, Ost­kreuz

So | 17:00 Uhr | Sta­dion Bochum
Wäh­rend des Spiels stehen sieben Fahrer der Bogestra irgendwo stadt­aus­wärts auf einem toten Gleis, zwi­schen den Hal­te­stellen Nordbad“ und Hein­rich­straße“. Als über Funk das 3:3 für den VfL über­mit­telt wird, bricht kurz­zeitig Jubel aus, sie klat­schen sich ab. Für die Stim­mung in der Bahn ist der Treffer von Sta­nislav Sestak bestimmt nicht schlecht. Kurz vor Spie­lende warten elf Stra­ßen­bahnen hin­ter­ein­ander auf der Cas­troper Straße, ein halber Kilo­meter Stra­ßen­bahn. Und das sind nur die Son­der­züge. Wie nah die ört­li­chen Ver­kehrs­be­triebe den Fuß­ball­fans längst schon sind, sieht man daran, dass die spe­zi­elle Tak­tung intern als Cho­reo­grafie“ bezeichnet wird. Als Chris­toph Zim­mer­mann mit seiner Bahn vor dem Sta­dion ein­fährt, sieht es für ihn aus, als wäre gerade der Start­schuss zum Jeder­manns­lauf gefallen. Die Zuschauer hasten auf die Bahn zu, als wäre es die letzte.

So | 17:55 Uhr | RE 6 nach Koblenz
Der Regional-Express, der viele Mön­chen­glad­ba­cher über Duis­burg oder Düs­sel­dorf in die Heimat zurück­bringt, fährt am Bochumer Bahnhof mit einem lauten Hupen ein. In der nächsten Stunde schweigt die Bahn. Das Spiel hat den Fans alles abver­langt: 1. Halb­zeit: 0:3. 2. Halb­zeit: 3:0. Des­halb lau­schen alle einem streit­baren His­to­riker vom Nie­der­rhein. Er hat eine Dis­kus­sion mit einigen Bochu­mern vom Zaun gebro­chen. Seine These, warum Glad­bach das Spiel noch her­schenkte, fußt im Wesent­li­chen darauf, dass die Scheiß­bayern 1972 das Olym­pia­sta­dion geschenkt bekommen haben“. Dis­ku­tabel. Irgend­wann stellen der Glad­ba­cher und die Bochumer jedoch fest, dass sie aus dem­selben Dorf am Nie­der­rhein stammen. Die Dis­kus­sion kommt zum Erliegen. In Duis­burg steigen sie aus und treten gemeinsam den Heimweg an.