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Außerdem präsentieren wir euch an dieser Stelle in den kommenden Wochen weitere spektakuläre Reportagen, Interviews und Bilderserien. Heute: Unterwegs im öffentlichen Nahverkehr an einem Spieltag.
Sa | 10:30 Uhr | S 28 von Neuss nach Mettmann
Da hat die DFL vor der Saison extra noch lanciert, dass immer mehr Frauen ins Stadion kämen, mehr als 23 Prozent der Zuschauer seien nunmehr weiblich. Wie aber reisen diese Frauen an? Offenbar nicht mit Schienenfahrzeugen. Der Nahverkehr bleibt die Domäne des männlichen Stadionbesuchers. In Düsseldorf sitzen vier Männer um halb elf in einer Zubringerbahn, tragen rot-weiße Schals am Handgelenk. Die Umgangsformen sind, ähem, ungehobelt. Beim Halt in Düsseldorf-Bilk empfehlen sie einem von ihnen, „die fette Oma auf dem Bahnsteig“ zu einem Liebesakt einzuladen. Der neutrale Fahrgast denkt: So laut sprechen doch sonst nur Müllmänner und Schwerhörige miteinander. Das Quartett kreuzt die Bierflaschen, um 13 Uhr spielt Fortuna gegen Paderborn. Wir fahren weiter nach Dortmund, wo der FC Köln antritt.
Sa | 11:00 Uhr | RE 6 nach Minden
Beim ersten Halt in Duisburg steigen viele Dortmunder zu und vereinzelte Kölner. Ein FC-Fan sondiert zunächst die Stimmungslage, holt erst dann seinen Schal unter der Jacke hervor. Zum Frühstück verschlingt er die übliche Hauptbahnhofsverpflegung dieser Tage: einen Sesambagel mit Tomatenschnitz und Salatblatt. Die Bäckereiketten mit ihrem formatierten Gebäck sind der offizielle Lieferant der deutschen Fußballfans. Nur die Bordgetränke werden woanders gekauft. Zu ihrem 5‑Liter-Party-Fass führen fünf Dortmunder eigens Plastikbecher mit, beiläufig registriert von anderen Mitfahrern. Fans und Nicht-Fans schweben an einem Spieltag in Paralleluniversen, die einander nicht berühren. Wo sie aufeinandertreffen, wirkt es manchmal so, als hätte man zwei Bilder übereinandergelegt.
Sa | 12:30 Uhr | Der nächste RE 6
Gedrängel beim Einstieg am Essener Bahnhof, eine Bierflasche zerschellt am Boden. Drinnen wird es jetzt schon ziemlich eng: Die Dortmunder Dauerkartenfraktion steht überall, vor allem im Türbereich. Wer aussteigen will, muss einen schwarz-gelben Irrgarten durchqueren. Sonja Schulz, eine zierliche Mitreisende mit drei Koffern und null Spielplänen, fragt besorgt: „Wann steigt ihr wieder aus?“ Sie ist gerade am Düsseldorfer Flughafen gelandet, unverhofft in das Gedränge geraten. Der moderne Schlachtenbummler steht gelassen im Gang, hält sich an der Gepäckaufbewahrung fest und lauscht dem monotonen Geräusch über den Boden rollender Bierflaschen. Wenn gesprochen wird, dann über die richtige Trinktemperatur. Wo getrunken wird, fallen Grenzen, wird gerülpst. Das lauteste je auf Tonband aufgezeichnete Bäuerchen liegt bei 118,1 Dezibel. Zwischen Bochum und Dortmund gehen einige Fans auf Weltrekordjagd, allerdings ist gerade kein Tonband griffbereit. Gesungen wird erst später.
Sa | 12:55 Uhr | Dortmund Hbf | Bahnsteig 8
Die Fans verlassen die Bahn durch die Mundlöcher, wie man das in der Bergmannssprache nennt. Sie werden regelrecht ausgespuckt. Die Masse bewegt sich jetzt sehr gezielt auf die Treppe zu. Es dauert keine drei Minuten, bis sich eine komplette Bahnladung in die Bahnhofshalle ergossen hat. Hegemonialansprüche werden ab diesem Zeitpunkt weniger zaghaft formuliert. Die Dortmunder rufen beim Treppenhinabsteigen: „Die Nummer eins im Pott sind wir.“ Wenn eine Bahn in dieser entscheidenden Phase nur zehn Minuten hinter dem Fahrplan liegt, ist das eine logistische Meisterleistung. Beschwerden gebe es zwar nach jedem Spiel, erzählt Bernd Winkelmann, Pressesprecher des lokalen Unternehmens DSW21. „Die Fans können die Dimension aber gar nicht abschätzen“, sagt er, „wir bewegen an jedem Spieltag eine Kleinstadt.“
Sa | 13:10 Uhr | RB 59 nach Soest
Die zehn Mitglieder der „Grafschaft Schwarz-Gelb“ steigen zu, blaublütig ist keiner von ihnen. Wo man singt, da lass dich nieder, böse Menschen kennen keine Lieder, mag die Großmutter gedacht haben, die mit ihrer Enkelin unterwegs ist. Erste Zweifel beschleichen sie, als das angebliche Grafengeschlecht die Bordtoilette bei offener Tür benutzt, immer zwei Mann gleichzeitig. Was nach dem gemeinschaftlichen Urinieren folgt, ist eine Sonderausgabe der volkstümlichen Hitparade, allerdings ohne Florian Silbereisen und ohne 1. FC Köln. Der beliebteste Schlager: „Wir füllen unser Schwimmbad mit dem Blut von S 04 / Und singen: Ihr seid ein großer Haufen Scheiße / Tod und Hass dem S 04!“ Die in Ehren ergraute Dame, die sich anfänglich wie ein Schutzwall zwischen Sängerkreis und Schutzbefohlene gestellt hatte, greift endgültig zur Notbremse, allerdings nur zur verbalen. Sie sagt zu ihrer Enkelin: „Schnell, halt dir die Ohren zu!“ Die Bundespolizei macht Ernst, hält einen jugendlichen Trinker fest. Der entschuldigt sich unüberhörbar, dass er und seine Kumpels den Spieltag halt um sechs Uhr morgens begonnen hätten, begleitet von der neuen Ballermann-Hymne. Das angesagte Genre heißt: Atzenmusik. Während der Schutzmann seine Personalien überprüft, rezitiert der Delinquent standhaft: „Hey, das geht ab / Wir feiern die ganze Nacht“.
Sa | 13:55 Uhr | RB 59 | zurück nach Dortmund Hbf
In diese Richtung fährt um diese Uhrzeit keiner mehr, alle Fahrgäste sind am Dortmunder Stadion ausgestiegen. Nur ein paar Flaschensammler laufen durch die Bahn, befüllen ihre riesigen Plastiktaschen. Sie stürmen die leeren Bahnabteile, balgen um jedes einzelne Glasgefäß. 40 Euro, sagt einer, verdiene er pro Heimspiel. Die Sammler zerstören herrliche Skulpturen aus Flaschenglas und Weißblech. Die Miniatur-Mülleimer am Platz haben längst kapituliert. Der Geruch von schalem Bier macht sich breit, der Bahnboden klebt nachhaltig. Eine Überraschung, dass die Oberlichter unversehrt sind: Bis vor ein paar Monaten gab es in Dortmund den Brauch, auf Zuruf kollektiv die Lampen zu zerstören. Hinterher riefen die Fans immer: „Dunkelkammer, Dunkelkammer“.
Sa | 14:15 Uhr | Zugang zur U 45
109 Fahrzeuge und 120 ÖPNV-Mitarbeiter sind heute im Einsatz. Es hat in den letzten Jahren nur einen Super-GAU gegeben. Kurz nach der Winterpause war die Oberleitung gerissen, unmittelbar vor dem Stadion. 20 000 Menschen standen in der Kälte. Pressesprecher Winkelmann erinnert sich: „Wir haben 45 Minuten gebraucht, um das zu flicken.“ Das interne Ziel lautet, die Fans pünktlich zur Sportschau nach Hause zu befördern. Um 20 Uhr rollt im Idealfall die letzte Einsatzbahn: zurück in die Werkstatt. Wer es auf die harte Tour mag, nimmt in Dortmund die U‑Bahn. Schon der lange Marsch durch den Tunnel mit seinen orangen und blauen Kacheln ist ein gepflasterter Fahrstuhl zum Schafott. Seitlich hängen Werbeplakate für die Sportschau, die Grünen und die Zauberflöte, am Ausgang „Innenstadt-Nord“ drängeln die Menschen, als würde wieder Begrüßungsgeld ausgegeben. Nur jeweils eine Person kommt hier auf einmal durch das Nadelöhr. Den Eingang zur Unterwelt bewacht nicht Kerberos, sondern ein groß gewachsener Mann mit einem Headset. Er hat an diesem Spieltag schon sehr viele Kinder über die Sperre gehoben, sein blaues Hemd ist komplett durchgeschwitzt. Der Geruch von Schweiß lässt sich nun nicht mehr ignorieren. Wer sich mit beherztem Ellbogeneinsatz bis hierhin durchgeschlagen hat, dünstet zwangsläufig nichts Gutes aus. Eine junge Frau verzieht das Gesicht, als sie den Menschenauflauf erblickt. Man möchte ihr zurufen: Gnädigste, es ist wirklich keine gute Idee, jetzt eine Yucca-Palme transportieren zu wollen.
Sa | 14:50 Uhr | U 45 Richtung „Stadion“
Die U‑Bahn ist auf dem Weg, keiner kann mehr umfallen. Warum sich trotzdem einige festhalten, ist rätselhaft. Unmöglich, mehr Menschen in diesen Stahlkäfig zu zwängen. Die Betriebstemperatur steigt von Minute zu Minute, das Fräulein vom Band verhallt ungehört. Atzenmusik trifft Achselhöhle. Die körperliche Extremsituation führt dazu, dass die Einwohner der Stadt Köln auf ihre Qualitäten in der gleichgeschlechtlichen Liebe reduziert werden. „Schwuuuler, schwuuuler, FC Köln.“ Die Gäste antworten keinesfalls ähnlich banal oder gar fäkal, sondern rufen geistesgegenwärtig „CSD, CSD“. Dabei wird das Material einer Belastungsprobe unterzogen, ein stumpfes Stakkato begleitet die Schlachtrufe: unzählige Fäuste hämmern mit voller Kraft gegen die Bahnverkleidung. Wer aussteigt und überlebt hat, kann sich sofort für die Sauna-WM in Finnland anmelden.
Sa | 17:25 Uhr | Haltestelle „Stadion“
Dortmund hat 1:0 gewonnen. Es ist nicht zu überhören, dass die Mannschaft gerade die Welle mit der Südtribüne praktiziert. Etwa 24.454 von 78 200 Zuschauern sind also noch im Stadion. Wer schon draußen ist, spricht mit DSW21-Mitarbeitern, die kopierte Zettel in Klarsichthüllen mit sich herumtragen. Was den Profis ihr „Entmüdungsbecken“ ist, ist für die Fans der „Entlastungszug“. Gewartet wird mit derselben Gelassenheit, mit der schon die Schwitzkur hinzu bewältigt wurde. Trikotträger sitzen auf Bierkästen, auf der Mauer und auf dem Boden. Um viertel vor sechs muss ein Mann mit schwarzer Kappe, oranger Warnweste und Handschuhen die Kundschaft sanft in die Bahn schieben, wie man das eigentlich nur aus Tokio kennt. Die externe Hilfestellung ist erfolgreich: Die Tür schließt sich endlich, im vierten Versuch.
Sa | 18:45 Uhr | RE 6 nach Düsseldorf
Nach dem Spiel läuft alles etwas komprimierter ab. Das Zeitfenster für den Transport nach Hause ist kleiner. Der Sonderzug nach Köln steht bereits am äußersten Gleis bereit. Fahrgäste mit Narrenkappen und Sonnenbrillen starren auf eine leibhaftige Nonne, die direkt gegenüber wartet. Karneval in Dortmund, aber wieder kein Kontakt zwischen den beiden Körperwelten. Einige Kölner sind erst etwas spät zugestiegen, durch das geöffnete Zugfenster. Die letzten vier Passagiere, die den Westfalen-Express betreten, tragen eine Uniform, gehören zur Bundespolizei. Trotzdem steigen die Inderin und die Türkin, die in Essen bzw. Mülheim/Ruhr warten, nicht zu. Eine Mittvierzigerin steht mitten im erschöpften Mob und schreibt eine SMS an „Schnuffi“. Ihre Botschaft lautet: „Sitzen in mega vollem RE, sind aber pünktlich.“ Über das Spiel spricht kaum jemand, Schlachtrufe werden jetzt eher als solistisches Mantra vorgetragen. Die Euphorie, die vorher herrschte: verflogen. Es schlägt die Stunde der Schläfer. Einer von ihnen sitzt neben einer jungen Mutter, die eigentlich auf eine ruhige Bahnfahrt mit ihrem Sohn gehofft hatte. Der Zeichenblock und die Buntstifte liegen jedoch unberührt auf dem kleinen Tisch. In der Folge ist zu beobachten, wie sich der Kopf des müden Kriegers immer weiter neigt. In Duisburg beträgt der Neigungswinkel noch erträgliche 30 Grad, am Düsseldorfer Flughafen sind es schon bedrohliche 45 geworden und am Hauptbahnhof kommt es zur ersten Berührung. Der Mutter bleibt nichts anderes übrig: Sie muss sich kunstfertig unter dem unbekannten Sitznachbarn herauswinden.
So | 12:15 Uhr | RE 6 nach Minden
Einen Tag später: Mönchengladbach spielt nachmittags in Bochum, in Duisburg steigt die erste Truppe ein. T‑Shirts künden vom „Niederrheininferno“. Wenn man die Träger genauer mustert, wundert man sich, dass da nicht „Hochschule Niederrhein“ steht. Eigentlich sind sie harmlose Mitreisende, zeigen sich aber textsicher, wenn es um Landser-Lyrik aus der Hooligan-Mundorgel geht. Ein paar martialische Gesänge reichen aus, um den ironiefreien Schaffner zu verschrecken. Er hat gerade noch oben im Gang kontrolliert, jetzt schlängelt er sich durch die Jungs durch, als wäre er eine Mischung aus Ingemar Stenmark und Otto Simánek. Das ganze Niederrheininferno lacht. Er hat sich regelrecht angeschlichen, tief eingeatmet und erst wieder ausgeatmet, als er vorbei war. Für Kartenkontrolleure war die flächendeckende Einführung des Kombi-Tickets ein Gottesgeschenk. Seit den neunziger Jahren gilt die Eintrittskarte als Fahrschein. Die Folge: Fans werden generell nicht mehr kontrolliert.
So | 13:30 Uhr | U‑Bahn-Gleis Bochum Hbf
Peter Tobies arbeitet seit einem halben Jahr bei Heimspielen des VfL Bochum: in oranger Warnweste. Wenn die U‑Bahnen von den Stadiontouristen bevölkert werden, ist er jederzeit als wandelnder Fahrplan verfügbar, positioniert sich neben der ersten Tür. „Mein erster Eindruck war, dass Fußballfans sehr fürsorglich sind“, sagt er. Er hat schon häufiger beobachtet, dass geholfen wurde, wenn andere Passagiere mit Rollstuhl oder Rollator unterwegs waren. Was er zwei Stunden vor dem Spiel erlebt, ist die „Ouvertüre“, wie er sagt. Nur wenn es sein muss, tritt er kurz an die U 306 heran und sagt mit ruhiger Stimme: „Noch ein Stückchen reingehen, bitte!“ Beschwerden von anderen Fahrgästen erreichten das Unternehmen kaum noch, sagt Bogestra-Pressesprecher Christoph Kollmann. Wer sich in Bochum an dem dezenten Ausnahmezustand stört, hat längst den Bundesliga-Spielplan zu Hause hängen und weicht auf andere Strecken aus.
So | 13:50 Uhr | U 318 nach Gerthe
Nur zwei Stationen sind es in Bochum vom Bahnhof zum Stadion. Bogestra-Fahrer Christoph Zimmermann kommt gerade zum ersten Mal dort vorbei. Er wird die Strecke heute dreimal hoch und runter fahren. 15 Minuten später ist er an seiner Endhaltestelle angekommen und wendet wieder. Er erwartet einen ruhigen Nachmittag, nur wenn er in Gelsenkirchen fahre, käme auch mal die „Grüne Minna“. Die Bogestra versorgt Bochum- und Schalke-Fans, hat in jeder Saison 34 Heimspiele. Wie verhält er sich beim Kommando „Wir wollen wippen, wippen, wippen“, dem Albtraum jedes Tramfahrers? Zimmermann sagt: „Jedes Fahrzeug hat seine Grenzen. Irgendwann setzen die Federn auf.“ Die Dienstanweisung lautet: Wenn die Fans unterwegs anfangen, sich gymnastisch zu betätigen, wird die Bahn langsamer. Wenn die Bodenhaftung ernsthaft bedroht ist, kündigt der Fahrer an, an der nächsten Haltestelle stehen zu bleiben. Heute ist das nicht notwendig. Bei 27 Grad Celsius machen viele einen Spaziergang zum Stadion. Die vier Männer, die erst um 15:15 Uhr anreisen, es ist Zimmermanns zweite Fahrt, verbreiten besonders gute Laune. Einer stellt verwundert fest: „Ohne Gedränge bin ich noch nie zum Fußball gefahren.“
So | 17:00 Uhr | Stadion Bochum
Während des Spiels stehen sieben Fahrer der Bogestra irgendwo stadtauswärts auf einem toten Gleis, zwischen den Haltestellen „Nordbad“ und „Heinrichstraße“. Als über Funk das 3:3 für den VfL übermittelt wird, bricht kurzzeitig Jubel aus, sie klatschen sich ab. Für die Stimmung in der Bahn ist der Treffer von Stanislav Sestak bestimmt nicht schlecht. Kurz vor Spielende warten elf Straßenbahnen hintereinander auf der Castroper Straße, ein halber Kilometer Straßenbahn. Und das sind nur die Sonderzüge. Wie nah die örtlichen Verkehrsbetriebe den Fußballfans längst schon sind, sieht man daran, dass die spezielle Taktung intern als „Choreografie“ bezeichnet wird. Als Christoph Zimmermann mit seiner Bahn vor dem Stadion einfährt, sieht es für ihn aus, als wäre gerade der Startschuss zum Jedermannslauf gefallen. Die Zuschauer hasten auf die Bahn zu, als wäre es die letzte.
So | 17:55 Uhr | RE 6 nach Koblenz
Der Regional-Express, der viele Mönchengladbacher über Duisburg oder Düsseldorf in die Heimat zurückbringt, fährt am Bochumer Bahnhof mit einem lauten Hupen ein. In der nächsten Stunde schweigt die Bahn. Das Spiel hat den Fans alles abverlangt: 1. Halbzeit: 0:3. 2. Halbzeit: 3:0. Deshalb lauschen alle einem streitbaren Historiker vom Niederrhein. Er hat eine Diskussion mit einigen Bochumern vom Zaun gebrochen. Seine These, warum Gladbach das Spiel noch herschenkte, fußt im Wesentlichen darauf, „dass die Scheißbayern 1972 das Olympiastadion geschenkt bekommen haben“. Diskutabel. Irgendwann stellen der Gladbacher und die Bochumer jedoch fest, dass sie aus demselben Dorf am Niederrhein stammen. Die Diskussion kommt zum Erliegen. In Duisburg steigen sie aus und treten gemeinsam den Heimweg an.