Borussia Dortmund steckt in der Krise, Peter Bosz steht vor dem Aus. Doch eines wird bei der Bewertung der sportlichen Talfahrt völlig außer Acht gelassen: Der Bombenanschlag auf den Mannschaftsbus.
Am 11. April dieses Jahres wurde die Sportwelt erschüttert. Die Mannschaft von Borussia Dortmund wurde auf dem Weg zum Champions League-Viertelfinale gegen den AS Monaco Ziel eines Anschlags. Drei Sprengsätze detonierten am Bus. Marc Bartra und ein Polizist wurden verletzt. Heute, 232 Tage später, befindet sich der BVB in einer sportlichen Krise. Könnte also ein Trauma Teil des Problems sein?
Zu Beginn der Saison spielte Borussia Dortmund berauschenden Fußball. Am sechsten Spieltag kassierte die Mannschaft von Trainer Peter Bosz beim 6:1‑Sieg über Gladbach ihr erstes Gegentor. Der BVB wurde gar als Meisterschafts-Kandidat gehandelt. Doch in den Wochen danach steuerte der Verein in die Krise. Das 4:4 gegen Schalke, nach 4:0‑Führung, besiegelte den vorläufigen Tiefpunkt. Was ist nur los mit der Borussia?
Vom Titelkandidaten in die Krise
Zuletzt wurde die sportliche Talfahrt an Trainer Peter Bosz festgemacht: Er vernachlässige die Defensive, reagiere schlecht auf taktische Änderungen der Gegner, die Mannschaft sei nicht fit genug und überhaupt wähle er zu häufig das falsche System. An diesen Faktoren mag durchaus etwas dran sein. Doch die Krise könnte auch eine ganz andere Ursache haben – zumindest teilweise. Eine, für die man den Trainer der Dortmunder nicht verantwortlich machen kann.
Auf der jüngsten Aktionärsversammlung des BVB sprach Klub-Boss Hans-Joachim Watzke erstmals über den Anschlag auf die Mannschaft im Zusammenhang mit der aktuellen Situation: „Wir sollten das nicht unterschätzen, was das posttraumatisch auch nach Monaten auslösen kann. Ich habe mich mit Psychologen ausgetauscht, die sagen, gerade das Risiko sechs, sieben Monate nach einem solchen Attentat wäre extrem hoch. Wir haben da professionelle Hilfe.“
Führte der Anschlag zu posttraumatischen Belastungsstörungen?
Tatsächlich wurden mögliche traumatische Folgen des Anschlags in der Bewertung von Dortmunds sportlichem Sinkflug bislang gänzlich außer Acht gelassen. Dabei entgingen die BVB-Spieler vor rund sieben Monaten nur knapp einem Angriff auf ihr Leben. Dass eine solche Erfahrung auch sportliche Auswirkungen haben kann, bestätigte nun Prof. Dr. med. Stefan Röpke, Leiter des Bereichs Persönlichkeitsstörungen und Posttraumatische Belastungsstörung an der Charité Berlin.
„Ja, ein Ereignis wie der Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus kann durchaus Symptome hervorrufen, die zu Leistungsschwankungen führen“, so Röpke. Dass es sich dabei allerdings um eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) handelt, hält der Oberarzt eher für unwahrscheinlich: „Bei der PTBS handelt es sich um ein sehr spezifisches Erkrankungsbild. Das betreffende Ereignis wird dabei ungewollt immer wieder durchlebt. Ich glaube nicht, dass es sich bei den Dortmunder Spielern um eine PTBS handelt.“
Traumata und die gravierenden Folgen
Prof. Dr. Röpke sitzt in Berlin. Er arbeitet nicht mit der Dortmunder Mannschaft zusammen. Dennoch hält er es für durchaus wahrscheinlich, „dass einige Spieler unter Symptomen sogenannter Trauma-Folge-Störungen leiden könnten.“ Das sei zwar kein feststehender medizinischer Begriff, umfasse aber Folgeerscheinungen eines traumatischen Erlebnisses.
Laut Röpke spricht man dann von einem Trauma, wenn Gefahr für Leib und Leben bestand. Im Falle des Anschlags auf den Mannschaftsbus ist das Kriterium für ein traumatisches Erlebnis erfüllt. Wie ein solches Trauma verarbeitet wird, ist von Spieler zu Spieler unterschiedlich. Die Auswirkungen könnten jedoch bedeutsam sein.