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Seite 2: „Noch nie mit einer Rolltreppe gefahren“

Zwei Tage später folgt das nächste Spiel. Gegner ist Fidschi, und nun klappt noch weniger. Zur Halb­zeit quet­schen sich 21 geg­ne­ri­sche Tor­schützen auf die Anzei­ge­tafel, am Ende steht es 0:38. Fidschi-Trainer Juan Carlos Buz­zetti spricht zwar nicht von einem schweren Spiel, aber er kri­ti­siert seine eigenen Spieler, die nicht immer meine Taktik des One-Touch-Foot­ball ver­folgt“ haben. Man brauche die Tore schließ­lich drin­gend, um nicht den Anschluss an Tahiti zu ver­lieren.
 
Der Abschluss des Schei­ben­schie­ßens findet am 7. Juli gegen Vanuatu statt. Das Spiel geht 0:46 ver­loren, was die höchste Län­der­spiel­nie­der­lage im inter­na­tio­nalen Fuß­ball bedeutet. Das Ergebnis wird trotzdem nicht als Welt­re­kord geführt, da es sich bei den Fuß­ball­teams der Pazi­fik­spiele um U23-Mann­schaften han­delt. Es tut dem Spott keinen Abbruch. Mikro­ne­sien ist aus­ge­schieden, null Punkte, null Tore, 114 Gegen­tore. 
 

 
Bei Twitter schreibt ein User: Inter­es­sant, Dass der HSV nun unter einem anderen Namen wei­ter­macht.“ Ein anderer fragt: Worst Footie Team Ever?“ Ein dritter findet: Die sollten lieber in Koral­len­gärten tau­chen.“
 
Bei You­tube gibt es ein Video des Spiels gegen Vanuata. Es wurde nicht von einer Sport­seite, son­dern von einem User mit dem Namen Frea­king Video“ hoch­ge­laden, einer Video-Slap­stick-Seite. Man sieht dort Mikro­ne­siens Spieler her­um­stol­pern, als hätte ihnen jemand die Augen ver­bunden. Natür­lich darf man sich fragen, ob Mikro­ne­siens Spieler über­haupt die Regeln des Fuß­balls kennen. Wissen sie, dass sie den Ball ins geg­ne­ri­sche Tor schießen müssen? Oder glauben sie, dass sie dem Ball aus­wei­chen müssen?

Viele Spieler waren nie zuvor außer­halb ihres Dorfes“
 
Man kann aber auch ein­fach schweigen. Oder sich freuen, dass es in Zeiten, in denen im Fuß­ball alles per­fekt ist, in denen sich Spieler wie Cris­tiano Ronaldo oder Lionel Messi wie Com­pu­ter­fi­guren über den Platz bewegen und Zlatan Ibra­hi­movic Fall­rück­zieher aus 40 Meter im geg­ne­ri­schen Tor ver­senkt – dass es in Zeiten der High-Speed-Glo­ba­li­sie­rung und 4D-Com­puter-Ana­lysen immer noch Länder gibt, wo alles gerade erst los­geht. In denen Spieler einen Sport ganz neu ent­de­cken – und ein Stück weit auch die Welt.
 
Auch des­halb trat Mikro­ne­siens Natio­nal­trainer Stan Foster nach dem Aus­scheiden vor die Presse und ver­suchte, die drei Nie­der­lagen in einen Kon­text ein­zu­betten. Er sagte: Viele meiner Spieler waren nie zuvor außer­halb ihres Dorfes – geschweige denn außer­halb ihrer Insel.“ Seine Mann­schaft habe zudem nie zuvor auf einem großen Feld gespielt, und einige Spieler seien auf dem Weg zu einem Vor­be­rei­tungs­spiel auf Guam das erste Mal in ihrem Leben mit Aufzug und einer Roll­treppe gefahren. Sie waren ein­fach ein wenig ein­ge­schüch­tert.“
 
Tat­säch­lich war Mikro­ne­sien im Fuß­ball nie son­der­lich erfolg­reich – weder in Freund­schafts­spielen noch bei den Pazifik- oder Ozea­ni­en­tur­nieren. 2003 verlor die A‑Nationalmannschaft 0:19 gegen Neu-Kale­do­nien und 0:17 gegen Tahiti. Die U23-Mann­schaft hat sich erst in diesem Jahr gegründet.

650 Fuß­ball­spieler auf Mikro­ne­sien
 
Auf Mikro­ne­sien, so erfährt man auf der Ver­bands­home­page, spielen 150 Erwach­sene und 500 Jugend­liche Fuß­ball, es gibt drei Schieds­richter und fünf Trainer. Der letzte (und ein­zige) Ein­trag im News-Bereich datiert auf den 28. April 2006. Dort wird ein Fünf­jah­res­plan vor­ge­stellt. Unter Punkt 7 steht: Fifa Mit­glied­schaft“. Diese Hoff­nung for­mu­lierte nun auch Trainer Foster: Ich hoffe sehr, dass die Fifa-Inspek­toren in der kom­menden Woche nach Mikro­ne­sien kommen und uns im asia­ti­schen Ver­band auf­nehmen.“
 
Gute Argu­mente hat er ja nun. Genauer gesagt: 114. Und dann werden die Männer mit den Geld­kof­fern kommen und mit Stimm­zet­teln ver­schwinden. Es werden ein paar Spon­soren auf­tau­chen und sicher­lich auch einige Fil­me­ma­cher. Und viel­leicht wird Mikro­ne­sien bei den nächsten Pazi­fik­spielen auch mal ein Spiel gewinnen. Es bleibt also nicht mehr viel Zeit, um den alten Fan-Traum zu ver­wirk­li­chen: Nach Mikro­ne­sien reisen, ein­bür­gern lassen, Fuß­ball spielen, ein Tor schießen – und als Rekord­tor­schütze des Landes in die Geschichts­bü­cher ein­gehen.