Heute wird Jörg Albertz 50 Jahre alt. Er wurde zum jüngsten Kapitän der HSV-Geschichte und dann zur Legende bei den Rangers. „Hammer-Ali“ über die Falkenjagd mit Paul Gascoigne und endlose Trips durch China.
Dieses Interview erschien erstmals in unserer Ausgabe 193. Das Heft ist hier im Shop erhältlich.
Jörg Albertz, zu Beginn Ihrer Karriere arbeiteten Sie noch als Kfz-Mechaniker. Haben Sie sich am Tag nach dem Spiel unter Autos gelegt?
Ich habe noch meine Lehre gemacht, während ich in der Jugend bei Mönchengladbach spielte. Abends Training oder Spiel, morgens Hebebühne. Meine Eltern besaßen eine Tankstelle mit Kfz-Werkstatt und haben mich für die Lehre an Bekannte mit einer Porsche-Abteilung vermittelt. Sie haben mir alles ermöglicht, aber mein Vater sagte auch: „Wenn du den Fußball schleifen lässt, ist es vorbei.“
Das hieß?
Keine Fehltritte. Wenn die Kumpels am Wochenende weitergezogen sind, bin ich brav um zehn Uhr nach Hause gegangen. Das war für mich aber überhaupt kein Thema, weil ich den großen Traum hatte, einmal am Bökelberg zu spielen. Leider hat das nicht geklappt, weil Gladbachs damaliger Trainer Gerd vom Bruch mich trotz aller Befürworter nicht zum Profi machen wollte. Ich sollte Vertragsamateur bleiben. Gleichzeitig rief 1990 Fortuna Düsseldorf bei mir an und wollte mich sehr wohl als Profi verpflichten.
War es schwierig, als junger Spieler unter dem kauzigen Fortuna-Trainer Aleksandar Ristic zu spielen?
Rille war ein Phänomen. Er hat dich nicht beim Namen gerufen, sondern immer nur „Jungeee“. Ich stand so gut wie nie im Kader, auch wenn ich immer meine gepackte Tasche im Kofferraum dabei hatte. Vor einer Auswärtsfahrt nach Berlin sagte der Trainer zu mir: „Jungeee, kommst du mit, siehst du Ablauf.“ Dann bin ich als 17. Spieler mit nach Berlin gereist und nur in den Kader gerutscht, weil Buyo (Mike Büskens, d. Red.) über Nacht krank geworden ist. Ich kam aber tatsächlich noch rein. Nach meiner Einwechslung lief ich auf links durch und wollte flanken. Das Teil rutschte mir aber komplett über den Schlappen – und schlug im Knick ein. Wir gewannen 1:0.
Trotzdem liefen Sie danach ein halbes Jahr lang nicht mehr auf. Warum?
Nach dem Spiel umringten mich am Flughafen die Journalisten. In diesem Moment lief Ristic vorbei und sagte nur: „Jungeee, nich viel erzählen, nächste Woche du auf Tribüne.“ Er hatte meinem Kumpel Schubi (Jörg Schuberth) versprochen, dass dieser in der kommenden Woche auflaufen würde – und nicht ich. So blieb ich wirklich draußen, ausgerechnet gegen die Bayern im ausverkauften Rheinstadion. Ich bin erst später in die erste Elf gerückt, auch weil Schmadti (Jörg Schmadtke) mich ins Team gedrückt hat. Für mich persönlich lief es danach gut, doch wir stiegen trotzdem ab.
„Versucht es zu reduzieren, aber hört nicht ganz auf“
Sie wechselten zum HSV und wurden bereits nach einem halben Jahr Kapitän. Wie ging das so schnell?
Kurz nach meinem Wechsel übernahm Felix Magath, er stand voll auf Trainingsleistung. Wir haben hart trainiert, aber: Er hat auch jede Übung und jeden Lauf selbst mitgemacht. Da konntest du dich als junger Spieler natürlich nicht hängen lassen, wenn der Alte vorneweg lief. Ich habe immer sehr gerne trainiert und bin dann auch mit Brazzo (Hasan Salihamidzic) und Francisco Copado zusätzlich zum Training der Amateure gegangen. Ich glaube, das hat Felix honoriert.
Sie kamen mit den Schleifern Ristic und Magath gut zurecht, dabei galten Sie als mitunter undisziplinierter Spieler. Was? Das höre ich zum ersten Mal, da muss ich widersprechen. Ich habe mich immer top vorbereitet. Ich habe natürlich früher auch mal meine Zigarette geraucht, aber das wusste Felix. Wir hatten in unserem Team mit Lumpi Spörl, Uli Stein, Andreas Fischer oder Valdas Ivanauskas eine ganze Reihe Raucher. Wir haben selbst im Bus hinten gepafft. Felix sagte nur: „Versucht es zu reduzieren, hört nicht ganz auf.“ Denn genau das hatte Ivanauskas gemacht und direkt einige Kilo zugelegt.
Spätestens bei Ihrem Wechsel nach Glasgow war Magath aber sehr sauer auf Sie. Was war passiert?
Da konnte ich den Felix sogar verstehen. Ich schaute mir mit meinem Berater das EM-Halbfinale 1996 zwischen England und Deutschland in Wembley an. Direkt danach charterten die Rangers für uns einen Privatjet nach Glasgow. Ich war total begeistert vom Klub und setzte mich mit Uwe Seeler, dem damaligen HSV-Präsidenten, in Verbindung. Er hatte mir versprochen, dass ich bei einer bestimmten Summe wechseln könnte – und hielt sein Wort. Felix befand sich zu dieser Zeit im Urlaub und bekam von dem Transfer rein gar nichts mit. Er hätte sicher sein Veto eingelegt.