Mit Joe Gomez in der Startelf ist Liverpools Defensive schier unüberwindbar. Sogar einen eigenen Song haben ihm die Liverpool-Fans bereits gedichtet. Dennoch fliegt der Youngster in der öffentlichen Wahrnehmung verglichen mit seinen Star-Kollegen etwas unter dem Radar. Grund genug, das Ausnahmetalent näher vorzustellen.
Als Schiedsrichter Stuart Attwell am Samstag die Partie gegen Norwich City abpfiff, lagen sich Joe Gomez und Virgil van Dijk wieder ein Mal in den Armen. Nach dem 1:0‑Erfolg war den beiden Innenverteidigern klar: Liverpools erste Meisterschaft seit 30 Jahren wird immer wahrscheinlicher. Mit dem Sieg über Norwich setzte ihr Team die unglaubliche Serie von nun 42 ungeschlagenen Liga-Partien in Serie fort. Kurzum: Die Reds sind das Team der Stunde – und das nun schon seit sehr, sehr vielen Stunden. Doch bei all den Jubelarien um die zurzeit wohl beste Mannschaft Europas wird eine Personalie im roten Dress verglichen mit seinen Teamkollegen in den Berichterstattungen oftmals übergangen.
Dabei setzte sich gegen die „Canaries“ aus Norwich auch für Joe Gomez eine beeindruckende Erfolgsgeschichte fort. Mit ihm in der Startelf bekamen die Reds in den vergangenen zehn Spielen lediglich einen einzigen Gegentreffer. In seinen saison- und wettbewerbsübergreifenden letzten 35 Pflichtspielen für Liverpool waren es lediglich acht. Eine beachtliche Statistik eines ganz besonderen Spielers, der schon lange nicht mehr nur mit dem Wort „zukünftig“ konnotiert wird.
„Seine Art zu verteidigen war und ist für mich auch immer noch unfassbar“
Joseph Dave Gomez wuchs im südöstlichen Londoner Stadtteil Catford auf und kam im Alter von zehn Jahren in die Jugendakademie des englischen Zweitligisten Charlton Athletic, bei dem er sämtliche Jugendabteilungen durchlief. Und während seine Freunde vermutlich eher zu Fußballern wie Thierry Henry oder Ruud van Nistelrooy aufsahen, faszinierte sich Gomez schon als junger Bursche für die englische Defensiv-Legende Rio Ferdinand. „Seine Art zu verteidigen war und ist für mich auch immer noch unfassbar“, sagte Gomez jüngst. „Rio hatte stets Einfluss auf mich. Und ja, ich weiß, als Liverpool-Spieler sollte ich eigentlich Jamie Carragher als Vorbild haben, aber Rio ist und wird auch immer mein Idol sein.“ Für den Südlondoner eben eine wahre Inspiration.
Dass der Innenverteidiger schon damals über außergewöhnliche fußballerische Fähigkeiten verfügte, zeigt allein ein Blick in seine Vita. Mit gerade einmal 13 Jahren debütierte der Engländer für die U18-Mannschaft von Charlton und wurde nur zwei Jahre später erstmals in die englische U16-Nationalmannschaft berufen. Sein ehemaliger Teamkollege und Torhüter Dillon Phillips, der auch heute noch für Charlton Athletic aktiv ist, sagte vor einigen Wochen in einem Independent-Interview: „Joe war vielleicht 13 oder 14 Jahre alt, doch schon damals war uns wirklich allen bewusst, dass er ein ganz besonderer Fußballer ist.“ Für Charltons Profi-Mannschaft lief Gomez während der Saison 14/15 dann insgesamt 24 Mal auf, ehe Liverpools Scouts den damals 18-Jährigen ins Visier nahmen und für knapp fünf Millionen Euro verpflichteten. Ein riesiger Traum, der für Gomez damit in Erfüllung ging und ein riesiger Schritt für seine Karriere.
Nach seinem Wechsel an die Anfield Road sagte Gomez: „Es ist ziemlich surreal und ich glaube, dass ich immer noch nicht vollständig realisiert habe, was das für mich bedeutet. Es war sehr einfach, mich für Liverpool zu entscheiden. Ich verfolge und bewundere diesen Verein seit meiner frühen Kindheit.“ Bei Liverpool erlebte er dann allerdings sogleich, was das Profileben auch bedeuten kann: Schmerz und Frust. Denn bereits kurz nach seinem Wechsel nach Merseyside erfasste ihn das Verletzungspech. Gomez zog sich eine Kreuzbandverletzung zu, die ihm insgesamt 234 Tage Fußball-Abstinenz bescherte. Doch damit nicht genug: Nach einer intensiven und zähen Reha und dem Comeback im Mannschaftstraining hatte das Defensiv-Juwel mit Achillessehnenproblemen zu kämpfen, die ihn nur einen Monat nach seiner Rehabilitation weitere 128 Tage zum Zusehen zwangen.