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Eine 0:6‑Niederlage in einem Finale kommt dem aus­ge­streckten, dir direkt ins Gesicht gehal­tenen, Mit­tel­finger des Sport­gottes gleich. Als wolle er dir sagen: War ja schon ganz gut, bis hierhin. Jetzt aber mal Sachen packen und Abfahrt, ja?“ Nach der Sie­ger­eh­rung nimmst du die Sil­ber­me­daille in Win­des­weile wider vom Hals. Weil du doch eigent­lich besser bist als das. An einem (sehr) guten Tag zumin­dest. 

Asyl in Däne­mark, Job auf Grön­land

Außer du bist die Natio­nal­mann­schaft von Grön­land. Dann hast du näm­lich einen der größten Erfolge deiner fuß­bal­le­ri­schen Lan­des­ge­schichte ein­ge­fahren. Bei den Island Games“, einem alle zwei Jahre statt­fin­denden Tur­nier auto­nomer Insel­gruppen, zwangst du im Halb­fi­nale noch Menorca in die Knie, bevor die Briten der Isle of Man im Finale kurzen Pro­zess mit dir machten. 

Bereits 2013 konnten die Grön­länder bei dem Tur­nier Sil­ber­me­tall gewinnen, damals verlor man 0:1 gegen Ber­muda. Der neu­er­liche zweite Platz ist die Bestä­ti­gung für die fort­schrei­tende gute Arbeit, die auf den rauen Fuß­bal­la­ckern Grön­lands in den letzten Jahren geleistet worden ist. Ange­trieben wurde sie von Tekle Ghe­brelul, einem gebür­tigen Eri­treer. 

Mit den grau­samen Erin­ne­rungen eines Kin­der­sol­daten im Gepäck, erhielt er vor Jahren im über 5000 Kilo­meter ent­fernten Däne­mark Asyl. Ein Zei­tungs­ar­tikel machte ihn schließ­lich auf die Ark­tis­insel Grön­land auf­merksam. Er besuchte sie und blieb im Anschluss ein­fach dort. 

Fuß­ball-Hype auf rauen Ackern

1994 war das und seitdem hat sich sehr viel getan. Ghe­brelul, aus­ge­stattet mit einer Trai­ner­li­zenz, über­nahm die Ämter des Fuß­ball- und Futsal-Natio­nal­trai­ners auf Grönd­land. Damals inter­es­sierte der Fuß­ball kaum jemanden. Die hart­nä­ckige Arbeit auf den Trai­nings­plätzen machte sich in Form von ersten klei­neren Erfolgen der Natio­nal­mann­schaft bezahlt. Ghe­brebul machte uner­müd­lich Wer­bung für den Sport, par­allel dazu nahmen erste grön­län­di­sche Sender auch die regel­mä­ßigen Über­tra­gungen inter­na­tio­naler Top­spiele in ihr Pro­gramm auf. Heute ist Fuß­ball dort Volks­sport, von den 57.000 Ein­woh­nern kickt fast jeder zehnte Mann und jede zehnte Frau. 

Und das trotz wid­rigster Bedin­gungen: Die Plätze, vor allem im Norden der Insel, sind über weite Teile des Jahres kaum bespielbar. Und falls doch, sind sie so hart, dass ein Paar Fuß­ball­schuhe laut Ghe­brelul maximal drei Monate halten. Trai­niert wird oft­mals in der Halle und das Reisen ist nur durch die Luft oder über das Wasser mög­lich – denn Straßen gibt es in Grön­land nicht. 

Und trotzdem: Im Mai diesen Jahres traf sich der grön­län­di­sche Fuß­ball­ver­band GBU in Finn­land mit Ver­ant­wort­li­chen der Uefa. Danach machten sich die Ein­wohner der Insel berech­tigte Hoff­nungen auf eine voll­wer­tige Mit­glied­schaft in der Fifa und Uefa ab dem Jahre 2020. WM- und EM-Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiele in der Haupt­stadt Nuuk, die Großen des Fuß­balls zu Gast. Ein Sta­dion hätte aller­dings noch gebaut werden müssen – in Grön­land gibt es schlichtweg keins.

Den Träu­me­reien berei­tete die häss­liche Fratze des grön­län­di­schen Fuß­balls nun jedoch ein jähes Endes. Denn eine Sache hat sich bei all der Wei­ter­ent­wick­lung nicht ver­än­dert: das Ras­sismus-Pro­blem, mit dem Ghe­brelul seit seinem Amts­an­tritt zu kämpfen hatte. 

Nachdem sich der Trainer bei den natio­nalen Halb­fi­nals der Futsal-Meis­ter­schaften erneut mit Affen­ver­glei­chen kon­fron­tiert sah, und ein grön­län­di­scher Spieler die Gescheh­nisse auch noch via Snap­chat ver­brei­tete, for­derte er ein Gespräch mit dem GBU. Er wollte abklären, wie man in Zukunft mit sol­chen Vor­fällen umgehen würde. Das Ergebnis der Kon­ver­sa­tion: die Kün­di­gung für Ghe­brelul.

Streiks und Soli­da­ri­sie­rung 

Eine Ent­schei­dung, die einen rie­sigen Rat­ten­schwanz nach sich zieht. Denn kurz nach der Kün­di­gung legte der Vor­sit­zende des Ver­bandes, John Thorsen, sein Amt nieder. Er könne den Raus­wurf nicht mit­tragen. Ihm tat es René Olsen gleich, der ehe­ma­lige Co-Trainer Ghe­bre­luls. Er bezeich­nete den GBU als illoyal“, auch in den sozialen Medien brach ein Shit­s­torm aus. 

Die Spieler waren ebenso geschockt und erbost. In einer Stel­lung­nahme bezeich­neten sie das Vor­gehen des Ver­bandes als Skandal“ und drohten zwi­schen­zeit­lich mit Arbeits­ver­wei­ge­rung. Sie wit­terten Mani­pu­la­tionen inner­halb des Ver­bandes und spra­chen sich klar für einen Ver­bleib des Trai­ner­teams Ghe­brebul-Olsen aus. 

GBU vs. Ghe­brelul

Nach langen Tagen des Schwei­gens mel­dete sich dann auch der Ver­band zu Wort. Natür­lich hätte der Raus­wurf nichts mit Ras­sismus zu tun gehabt. Viel­mehr habe sich Ghe­brelul dem Ver­band gegen­über illoyal“ ver­halten. Sein Auf­treten sei nicht vor­bild­lich und nicht in Ein­klang mit den Richt­li­nien des Ver­bandes gewesen. 

Vor­würfe, die der Ent­las­sene post­wen­dend zurück­wies. Gegen­über der zweit­größten grön­län­di­schen Zei­tung Ser­mit­siaq“ unter­stellte er dem Vor­gehen ras­sis­ti­sche Motive. Die Schuld­zu­wei­sungen des Ver­bandes seien dagegen ein Vor­wand, um ihn ent­lassen zu können und um seine Kritik an den Feind­se­lig­keiten grön­län­di­scher Zuschauer ver­stummen zu lassen. 

2019 finden die Island Games“ in Gibraltar statt. Ein erneuter zweiter Platz wäre auf Grund der neu­er­li­chen Umstände eine noch grö­ßere Über­ra­schung, als ohnehin schon.