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Seite 2: Back in the summer of ’86

Am Kopf­ende des Tisches Marco, der mit seinem Kapu­zen­pull­over und den zusam­men­ge­knif­fenen Augen ein wenig an Robert de Niro zu The Fan“-Zeiten erin­nert. Daneben Renato, Marcos Bruder, der stil­lere der beiden, prak­ti­sche Neun­ziger-Jahre-Mit­tel­schei­tel­frisur, prak­ti­scher Neun­ziger-Jahre-Strick­pulli. Und an der Seite der red­se­lige Bächti, ein stäm­miger Mann mit Halb­glatze und Polo-Shirt, Auf­druck: For­tuna Eagles.

Sie sitzen hier mit einer Hand­voll jün­gerer Ultras, zweite und dritte Eagles-Gene­ra­tion, ein paar sind noch Teen­ager. Vor allem sie sind immer noch ange­fressen wegen der Sache mit dem Cho­reo­verbot. Wenn sie, die Jungen, vom Verein spre­chen, nennen sie ihn die GmbH“. Marco, Renato und Bächti, die Alten, nicken ver­ständ­nis­voll. Und dann schauen sie etwas skep­tisch, ob der Mann mit dem Schreib­block das über­haupt ver­steht.

Back in the summer of 86

Ob er Freund oder Feind der Fan­kultur ist. Dabei möchte man nur zwei Dinge wissen: Wie fühlt es sich an, in einer soge­nannten Jugend­kultur alt zu werden? Und warum, um alles in der Welt, hat sich die erste Ultra­gruppe Deutsch­lands bei For­tuna Köln gegründet?

Vieles Zufall, sagen die Jungen und schauen rüber zu Marco und Renato, schließ­lich wussten die beiden bereits, was Ultra heißt, als andere noch dachten, dass es sich um ein Wasch­mittel han­dele. Wo fangen wir an?“, fragt Marco. Ja, wo fangen wir an? Viel­leicht mit einer Reise in das Süd­sta­dion der Acht­ziger, back in the summer of 86.

For­tuna geht 0:8 unter

Damals, ganz am Anfang, steht eine Demü­ti­gung. Im Juni 1986 trifft For­tuna in der Rele­ga­tion auf Dort­mund. Das Hin­spiel gewinnen die Kölner mit 2:0, im Rück­spiel steht es bis kurz vor Schluss 1:2, For­tunas Spieler fühlen mit einem Fuß Bun­des­li­ga­rasen. Dann aber macht Jürgen Weg­mann, die Kobra, das dritte Tor für den BVB, und weil die Aus­wärts­tor­regel noch nicht gilt, wird ein Wie­der­ho­lungs­spiel ange­setzt.

Ohne sieben Stamm­spieler – fünf sind ver­letzt, zwei gesperrt – geht For­tuna 0:8 unter. Wenige Tage später beschließen Marco und Renato, dass es Zeit ist für eine Ver­än­de­rung.

Die Gesänge waren alt­ba­cken“

Deut­sche Fan­kurven sind damals keine bunten und offenen Orte. In vielen Sta­dien ver­hallen die Gesänge im kalten Beton der grauen Tri­bünen. Oder aber sie prallen ab an den Stier­na­cken der Vor­der­leute. Die Fan­blöcke werden von Rockern und Kutten domi­niert, später über­nehmen glatz­köp­fige Halb­starke mit Sprin­ger­stie­feln die Kurven. Wer etwas ver­än­dern möchte, muss erst einmal bei den Platz­hir­schen vor­spre­chen.

Auch For­tuna Köln ist alles andere als ein Zuschau­er­ma­gnet. Selbst in jener Fast-Auf­stiegs­saison 1985/86 kommen selten mehr als 5000 Fans ins Süd­sta­dion. Zwei Jahre später hat For­tuna sogar den schlech­testen Zuschau­er­schnitt der zweiten Liga. An Stim­mung ist kaum zu denken. Nicht mal an schlechte. Selbst die Kutten oder Hools konnte man an einer Hand abzählen“, sagt Marco. Die Gesänge waren alt­ba­cken“, sagt Renato.