Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Seite 3: „Dann kennt mich doch jede Sau!“

Sie waren belei­digt.
Ich war tod­traurig! Mir blu­tetet das Herz. Jah­re­lang sangen die Leute meine Musik, und dann sagten irgend­welche Leute mit viel Geld, die keine Ver­bin­dung zu dem Verein hatten: Das wollen wir hier nicht mehr!“

Wie reagierte Energie auf Ihr Fern­bleiben?
Ein paar Wochen später, ich war gerade mal wieder auf Achse, tauchte eine Dele­ga­tion vor meinem Haus in Gal­lin­chen (einem kleinen Dorf bei Cottbus; d. Red.) auf. Trainer, Prä­si­dent, Vize-Prä­si­dent, alles was Rang und Namen hatte. Meine Frau stand mit denen im Garten. Frau Mentzel, sagen Sie doch ihrem Mann, dass er wieder ins Sta­dion kommen soll!“ Sie ant­wor­tete: Tut mir leid, wenn der Achim sich ent­schieden hat, nicht mehr zu den Spielen zu kommen, dann lässt er sich auch nicht über­reden.“ Und seitdem war ich nie wieder da.

Kann man denn ein­fach so seiner Liebe abschwören?
Natür­lich nicht! Ich kaufte mir einen großen Fern­seher und sah die Spiele von da an in der Glotze.

Sind Sie nie schwach geworden?
Januar und Februar sind für einen Musiker tra­di­tio­nell Saure-Gurken-Monate. Da hätte ich eigent­lich immer genü­gend Zeit, um mal wieder ins Sta­dion zu gehen. Aber ich schwöre: Ich war nie wieder da! Selbst als eines Tages ein Fan­klub vor meiner Tür stand und sagte: Achim, wir wollen deine Hymne wieder!“ Das fand ich toll, das fand ich richtig rüh­rend. Aber es änderte nichts an meiner Ent­schei­dung. Und wenn ich die Ent­wick­lungen der ver­gan­genen Jahre betrachte, habe ich auch nicht viel falsch gemacht.

Was meinen Sie?
Ein Sta­dion ist ja auch in Cottbus längst keine reine Spiel­stätte mehr, son­dern ein Ort, um Geschäfte zu machen. VIP-Räume sind mir ein Graus: Da bekommen Men­schen eigene Ein­gänge, damit sie ja nicht mit dem Pöbel warten müssen, und sperren sich in ver­glasten Räumen ein, um über Geld zu spre­chen, statt Fuß­ball zu gucken. Ja, geht’s denn noch?

Jetzt klingen Sie wie ein junger Ultra.
Kann sein, aber was Fuß­ball angeht, bin ich Tra­di­tio­na­list! Das war doch immer das Beson­dere: Men­schen aller sozialen Klassen kommen an einem Ort zusammen, um sich ein Spiel anzu­schauen, dar­über zu spre­chen und zu streiten. Inzwi­schen werden ganz bewusst Grenzen auf­ge­baut. Die da oben, die da unten. Da bleibe ich lieber zu Hause und schreie meinen Fern­seher an.

Sehen Sie in dieser Ent­wick­lung eine Gefahr für das Mas­sen­phä­nomen Fuß­ball?
Manchmal denke ich da fata­lis­tisch: Wenn schon große Ver­eine wie der MSV Duis­burg keine Geld­geber finden und von der Pleite bedroht sind, wenn es Ver­eins­ver­ant­wort­liche schon nicht mehr inter­es­siert, wenn ihre Fans zwölf Minuten schweigen, um ihren Ärger aus­zu­drü­cken, dann ist der Sport auf lange Sicht gefährdet. Fuß­ball ist wie Pappe: Je mehr die Grund­sub­stanz auf­ge­weicht wird, desto weniger ist er zu gebrau­chen.

Wann hat Sie der Fuß­ball das letzte Mal im posi­tiven Sinne emo­tional berührt?
Wäh­rend der Welt­meis­ter­schaft 2010 war ich völlig im Fieber. Ich fuhr in den Bau­markt, kaufte mir Erd­männ­chen-Figuren aus Stein mit Deutsch­land-Trikot – ich bin Erd­männ­chen-Sammler – und tape­zierte unsere Ter­rasse mit schwarz-rot-gol­denen Fahnen zu.
(Ment­zels Sohn, der bei dem Gespräch anwe­send ist, ruft dazwi­schen) Ver­giss nicht die Vuvuzela, Papa!
Stimmt! Bei jedem deut­schen Tor habe ich damit für gute Laune in der Nach­bar­schaft gesorgt. Was ein Spaß!

Die schwarz-rot-gol­dene Vuvuzela gibt es tat­säch­lich, sie hat einen Ehren­platz auf der Ment­zel­schen Ter­rasse. Und überall Erd­männ­chen, es ist nicht zu fassen. Der Schla­ger­sänger wohnt bescheiden, aber bequem: ein großer Garten, Pool, zwei Autos vor der Tür. Dass er noch immer mit Musik Geld ver­dient, hat er nach eigener Aus­sage dem Erfolg von Achims Hit­pa­rade“ zu ver­danken – und Oliver Kalkofe. Der schoss sich in seiner Matt­scheibe“ Mitte der Neun­ziger ver­stärkt auf Ment­zels zum Teil gro­teske Auf­tritte im MDR ein, in seinem bekann­testen Sketch beschrieb er Ment­zels äußere Erschei­nung als irgendwo zwi­schen Tony Mar­shall, dem Yeti und einem über­fah­renen Hamster“. Mentzel selbst saß vor dem Fern­seher, hörte den bösen Witz – und lachte sich schlapp: Ich sagte zu meiner Frau: Jetzt erobern wir den Westen, jetzt kennt mich da doch jede Sau!“

Wenn sich morgen, sagen wir, Borussia Dort­mund bei Ihnen melden würde und Sie bäte, eine neue Klub­hymne zu schreiben, würden Sie das machen?
Warum denn nicht? Aber nur mit Unter­stüt­zung der Fans, die müssten mir ein paar stim­mige Schlag­worte nennen.

Anders gefragt: Gibt es einen Verein auf der Welt, für den Sie nie im Leben eine Hymne ver­fassen würden?
Ich bin zwar Fan, aber noch viel mehr Musiker. Des­halb: Lieber Roman Abra­mo­witsch, wenn du willst, dass der dicke Mentzel aus dem Osten deinen FC Chelsea musi­ka­lisch in Schwung bringt, melde dich bei mir! Ich mache alles. Sogar Pop.