Am Dienstagabend droht dem FC Schalke 04 der Abstieg aus der Bundesliga. Zum ersten Mal seit über 30 Jahren. Doch ist jeder Niedergang gleich? Mitnichten. Eine typologische Einführung in die Gefühlswelt von Absteigern.
Dieses Jahr soll es endlich mit Europa klappen, der Kader hat genug Qualität. Zuversicht bis unters Flutlicht. Doch irgendwie ist der Wurm drin. Die Mannschaft spielt nicht schlecht, gewinnt aber zu selten. Die Nachspielzeit ist der Feind. Sichere Führungen werden verspielt, Spiele durch individuelle Fehler verloren. Eine Verletzungsmisere lässt den Glauben an den einstelligen Tabellenplatz schwinden. Irgendwann im letzten Saisondrittel realisiert die Führungsetage, dass selbst der Ligaverbleib kein Naturgesetz ist. Hektische Personalrochaden auf der Trainerbank folgen.
Am letzten Spieltag ist die Ausgangslage günstig. Ein Punkt reicht. Aber die Mannschaft hat mittlerweile Schiss. Ausgerechnet der erfahrende Innenverteidiger spielt einen Scheißpass. Das eigene Spiel geht verloren. Nach dem Abpfiff noch der bange Blick zu den anderen Plätzen. Auch dort ist Schluss. Die Ergebnisse stimmen nicht. Die brutale Gewissheit: Abstieg.
Leere. Tränen. Verzweiflung. Reporter bemühen Floskeln, „das verkorkste Ende einer verkorksten Saison“, „bezeichnend“, und so weiter. „Halt die Fresse!“ möchte der enttäuschte Fan entgegnen, doch die Kraft dazu fehlt. Es tut weh. Es schmerzt. Die Mannschaft war eigentlich zu gut. Kein Spieler wird bleiben. Es wird Jahre dauern, um wieder auf die Beine zu kommen.
Typische Kandidaten: Karlsruher SC, 1. FC Kaiserlautern, 1. FC Nürnberg
Diese Saison: Hertha BSC
Ein Text über Abstiegskampf soll nicht so deprimierend enden wie die Realität derjenigen, die sich naturgemäß für Abstiegskampf Interessieren. Denn im Fußball gibt es immer wieder diese unerklärlichen Happy Ends. Die Saison war schlimm, der finale Sargnagel konnte jedoch immer wieder verhindert werden. Die jüngste Trainer-Entlassung scheint gefruchtet zu haben. Am letzten Spieltag besteht die Restchance darin, dass Y bei X nicht verliert, T gegen U mit mindestens drei Toren Unterschied gewinnt und das Maskottchen von P in D nicht für einen Spielabbruch sorgt. Am Morgen des Spiels liegt die Vorahnung der Urteilsvollstreckung über der Stadt. Das Stadion füllt sich in Erwartung von etwas Schrecklichem. Es stinkt nach Angstschweiß.
Die eigene Hausaufgabe glückt, die Gedanken sind allerdings bei den Spielständen auf den anderen Plätzen. Unsensible Scherzbolde brüllen die Führung von T durch den Block, um die Stimmung zu verbessern. Torschütze des Führungstores ist allerdings ihre Fantasie. In der 88. fällt dann tatsächlich das entscheidende Tor in T. Wenige Minuten später wird beim dreimaligen Pfiff des Schiedsrichters klar: Es ist geschafft. Das belastende Schreckensszenario, das die lokale Zeitung bereits in allen Facetten ausgeführt hatte: Vom Tisch. Die Brust ist frei. Wildfremde Menschen umarmen sich, hunderte von Zuschauern sind bereits auf dem Feld und gestandene Männer blicken mit glasigen Augen auf die Anzeigetafel und seufzen „Tja, wer hätte das gedacht“. Die örtliche Brauerei freut sich über einen Rekordumsatz. Warme Erleichterung.
Typische Kandidaten: Frankfurt, Werder
Diese Saison: Köln (vielleicht)