Das 182. Revierderby findet unter Vorzeichen statt, die es so noch nicht gab. Das stellt auch unseren Autor vor eine für ihn ungewöhnliche Gewissensfrage.
In grauer Vorzeit, als der moderne Fußball schon geboren war, aber noch in den Kinderschuhen steckte, vertrieb man sich auf der Südtribüne des Westfalenstadions die Halbzeit mit einem Entweder-oder-Spiel, das die Fan-Psyche ausloten sollte und das es so oder so ähnlich wohl überall gab, wo sich zwei Vereine in inniger Abneigung verbunden sind. Dazu wurde vom Fragesteller folgendes Szenario entworfen: Es ist der letzte Spieltag der Saison, Borussia Dortmund spielt um die Meisterschaft, Schalke 04 gegen den Abstieg. Wenn der BVB gewinnt, holt er den Titel und Schalke bleibt drin. Bei einer Niederlage ist die Meisterschaft futsch, aber Schalke steigt ab.
Was tun? Gewinnen oder verlieren?
Es gab auch noch eine verfeinerte Version. Weil einige Fans sich um eine Antwort drückten, indem sie erklärten, man könne der eigenen Mannschaft aus Prinzip keine Niederlage wünschen, wurde das Konstrukt manchmal umgebaut zu: „Gewinnen oder unentschieden spielen?“ Aber schon in der radikaleren Version entspann sich stets eine so angeregte Diskussion, dass selbst die Mitglieder des Ghostrider’s MC, heute Bandidos und schon damals für beredte Schweigsamkeit berühmt, den einen oder anderen genuschelten Wortfetzen beisteuerten.
In der Regel fand sich eine kleine Mehrheit für den Sieg und die Meisterschaft, und zwar wegen eines schlichten, aber starken Argumentes: Das Herschenken eines Titels lohnt sich hier nicht richtig, weil Schalke im schlechtesten Fall ja schon ein Jahr später wieder aufsteigen könnte. Und so wurde das Gedankengerüst beim nächsten Mal noch aufgestockt: Bei einer Niederlage ist die Meisterschaft futsch, aber Schalke steigt ab … und verschwindet auf Jahre in der Versenkung.
Was hat das nun alles mit dem 182. Revierderby zu tun, von dem manche Leute glauben, es könnte das letzte für lange Zeit sein? Nun, zuerst mal Folgendes: Während all dieser Debatten auf der Südtribüne verfiel niemand – keine Kutte, kein Biker, kein Normalo (Ultras gab’s ja noch nicht) – jemals auch nur auf den Gedanken, so etwas zu sagen wie: „Aber es wäre schon doof, wenn’s kein Derby mehr gäbe, oder?“