Als der Hamburger SV zum letzten Mal im DFB-Pokal auf den SC Paderborn traf, verschob Robert Hoyzer das Spiel und sorgte für den großen deutschen Schiri-Skandal. Hier erinnert sich Manuel Gräfe, der den Fall ins Rollen brachte.
Prolog
Robert Hoyzer hatte ich zum ersten Mal beim Fußballtraining der Schiedsrichtergemeinschaft Charlottenburg gesehen. Das war montagabends unser Ausgleich zum Wochenende als Unparteiische. Er war Nachwuchsschiedsrichter, sechs Jahre jünger als ich, machte eine Ausbildung zum Zimmermann. Am Ball hatte er richtig was drauf. Uns einte auf dem Platz das Fußballverständnis, aber im Gegensatz zu mir hatte Robert eine wahnsinnige linke Klebe. Nach den Trainingseinheiten zogen wir als Berliner Schiedsrichter gerne mal zusammen los. Das „90 Grad“ mit seinen prominenten Gästen war beliebt oder auch das „Far Out“ am Ku’damm direkt neben der Schaubühne. Nebenan öffnete eine Dönerbude, für diejenigen, die nach den Nächten noch Hunger hatten. Aber wir armen Studenten haben auch vorher dort gegessen – und gefeiert.
Robert war zu dieser Zeit ein Frauentyp, aber jung und schüchtern. Er war ein guter Freund. Das änderte sich erst mit seinem Aufstieg im Schiedsrichterwesen, der ihm trotz einiger Unzuverlässigkeiten gelang. Wir alle haben sein Potential gesehen, und beim Berliner Verband machte sich die Hoffnung breit, dass wir beide in Zukunft gemeinsam im Profifußball pfeifen könnten. Doch es gab oft Ärger. Einmal hatte er beim Training seinem Gegenspieler den Ball mit einer überharten Grätsche abnehmen wollen. Fast alle plädierten für Freistoß, und Einigkeit ist im Schiedsrichterwesen ja selten genug, nur Robert sah es nicht ein und rief dem Gegenspieler zu: „Komm, pfeif du mal weiter in der Landesliga. Hast’ doch eh keine Ahnung.“
(…)
22. Mai 2004
Seit einiger Zeit ist Robert Hoyzer, 24 Jahre alt, Leiter einer eigenen Nachwuchsgruppe und Regionalliga-Schiedsrichter, zu Gast im „Café King“. Die Bar in der Berliner Rankestraße ist ein beliebter Treffpunkt der lokalen Amateursportszene. Aber auch Kleinkriminelle und Geltungssüchtige treffen sich hier. Robert Hoyzer freundet sich mit Ante Sapina an. Der Sohn kroatischer Einwanderer hat früh eine mathematische Begabung entwickelt, ist für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Berlin eingeschrieben – und nimmt durch den Vergleich von internationalen Wettquoten regelmäßig die hiesigen Buchmacher aus.
Am Abend des 21. Mai erhält Robert Hoyzer 8000 Euro von Sapina, um als angesetzter Schiedsrichter dafür zu sorgen, dass Paderborn am nächsten Tag in der Regionalliga gegen den Chemnitzer FC gewinnt und bereits zur Halbzeit führt. Hoyzer pfeift kurz vor der Halbzeitpause einen unberechtigten Elfmeter für Paderborn, aber die Linienrichterin Inka Müller protestiert vehement. Hoyzer muss die Entscheidung zurücknehmen, verliert die Wette und zahlt bei der Rückkehr nach Berlin das Geld an Sapina zurück.
30. Mai 2004
Eine Woche später will Hoyzer die nächste Gelegenheit beim Regionalligaspiel zwischen dem Wuppertaler SV und Werder Bremen II nutzen. Laut den Gerichtsakten spricht Hoyzer vor Anpfiff seinen Assistenten Felix Zwayer an, zahlt ihm für eine mögliche Mithilfe 300 Euro. Das Spiel endet mit einem Wuppertaler Sieg, der entscheidende Elfmeter kommt aber nicht auf Zwayers Seite zustande. Zwei Wochen später gehen Hoyzer und Zwayer mit zwei weiteren lokalen Schiedsrichtern ins Café King.
Im Sommer 2004 traf ich Robert in einer Diskothek. Es war ein geselliger Abend, wir tranken auf alte Zeiten, die Meinungsverschiedenheiten hatten wir hinten angestellt. Am nächsten Morgen klingelte es an der Tür der Wohnung, die ich mit meiner damaligen Freundin bewohnte. Robert stand da, mit einer Brötchentüte in der Hand und fragte: „Wollen wir nicht zusammen frühstücken? War doch schön gestern.“ Irgendwann fragte ich ihn: „Wie geht’s dir denn? Gibt’s irgendwas?“ Im Nachhinein denke ich, dass ich bei ihm einen kurzen Moment des Zögerns erkannte. Das war die Phase, als er erst ein Spiel manipuliert hatte, aber vielleicht noch ein letztes Mal in Gänze zögerte. Er schaute mir in die Augen, als würde er mir etwas erzählen wollen, aber er tat es dann doch nicht. Danach sah ich ihn privat nicht wieder.