Der FC Bayern München wollte mit Niko Kovac einen Kulturwandel in Gang setzen. Statt eines altgedienten Titeljägers holte der Rekordmeister im Sommer 2018 einen jungen, hungrigen Trainernovizen. Nun ist das Experiment krachend gescheitert.
Bis dato hatte sich Kovac aus der engen Umklammerung stets mit Ergebnissen befreit. Doch nach dem 7:2‑Sieg gegen Tottenham mangelte es seinem Team auch zusehends an Souveränität auf dem Rasen: die Niederlage gegen Hoffenheim, nur unentschieden in Augsburg, mühsam gewonnen in Piräus, das Beinahe-Aus im Pokal in Bochum und schließlich der Offenbarungseid am vergangenen Samstag bei seinem Ex-Verein Eintracht Frankfurt: 1:5, die höchste Niederlage seit einer Dekade.
Als würde sich da ein Kreis schließen. Aus Frankfurt war er als Novize an die Säbener Straße gewechselt und zum gloriosen Double-Trainer aufgestiegen – in Frankfurt wurde Kovac nun wieder auf Novizen-Maßstab zurechtgestutzt. Über die letzten Wochen hatte sich das Gefühl verfestigt, dass zwischen Mannschaft und Trainer irgendetwas im Argen liegt. Auf Pressekonferenzen wurde Kovac plötzlich philosophisch und schwadronierte darüber, dass Ehrlichkeit im Umgang das oberste Gebot sei. Seine Worte bezogen sich zwar auf den Umgang mit Journalisten – und doch wurde man das Gefühl nicht los, dass der Coach sich irgendwie allein gelassen fühlte und zusehends überfordert.
Kovac wirkte zunehmend überfordert
So liest sich auch seine Entlassung. Um 18 Uhr am gestrigen Abend diskutierte Deutschland noch darüber, dass der FC Bayern ihm ein Ultimatum für zwei weitere Spiele eingeräumt habe. Am Vormittag hatte Kovac noch das Training geleitet. In einem Gespräch mit Salihamidczic, Hoeneß und Rummenigge muss er dann aber wohl den Eindruck vermittelt haben, dass unter ihm keine Wende im Negativtrend mehr möglich ist. Jedenfalls korrigierten die Bosse ihre Entscheidung und ließen noch am Abend hastig die Entlassung des Trainers vermelden.
Das Experiment ist gescheitert
Nicht nur Niko Kovac muss sich eingestehen, dass er der Aufgabe beim Rekordmeister langfristig nicht gewachsen war. Auch die FCB-Führung muss einsehen, dass der alternative Weg, den der Klub mit Kovacs Einstellung eingeschlagen wollte, in eine Sackgasse geführt hat. Das Experiment ist gescheitert. Es wird spannend sein zu sehen, mit welchem Trainer die Bayern nun den Rückwärtsgang einlegen und die Karre wieder in die Spur bringen. Einen Trainerfürsten wie Arséne Wenger oder José Mourinho zu verpflichten, um das Unterhaltungslevel hoch zu halten und das Spotlight weg vom maroden Team, wäre simpel und mit Geld schnell zu bewerkstelligen.
Eine Antwort auf die zentrale Fragen, die sich dem FC Bayern an diesem Punkt seiner Entwicklung stellen, wäre es jedoch nicht. Die Fragen lauten: Für welche Art von Fußball wollen wir als Verein in Zukunft stehen? Und können wir mit diesem Fußball auch international bestehen?