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Als der FC Bayern im Sommer 2018 Niko Kovac als neuen Trainer vor­stellte, gab es viele Mög­lich­keiten, diese Per­so­nalie zu inter­pre­tieren. War es der Ver­such der FCB-Bosse einen Kul­tur­wandel in Gang zu setzen: Weg von der Über­zeu­gung, dass nur alt­ge­diente Trai­ner­fürsten gut genug für den Rekord­meister sind, hin zum Glauben an junge, inno­va­tive Köpfe? War es der kratz­bürs­tige Fuß­ball, mit dem der Ber­liner ein mit­tel­mä­ßiges Team in Frank­furt in den Euro­pacup geführt hatte? War es die Was-erlauben-Kovac?-Mopsigkeit von Hoeneß und Rum­me­nigge, weil der Coach die Bayern im DFB-Pokal-Finale mit der Ein­tracht vor­ge­führt hatte? Oder doch nur der Mangel an Alter­na­tiven, nachdem andere Wunsch­kan­di­daten abge­sagt hatten?

Es war wohl von allem ein biss­chen. Hinter dem Gedanken, das Lizenz­team in die Hände des auf­stre­benden Übungs­lei­ters zu geben, stand zwei­fellos der ernst­hafte Wille, Dinge anders zu machen als in der Ver­gan­gen­heit. Und doch gelang es den Bossen nie so ganz, Niko Kovac bedin­gungslos zu ver­trauen. Das Image des Trai­ner­no­vizen konnte er an der Säbener Straße jeden­falls nicht abschüt­teln. Schon in seiner ersten Spiel­zeit stand seine Demis­sion unmit­telbar bevor, als die Münchner daheim einen Vor­sprung von 3:1 gegen For­tuna Düs­sel­dorf nicht über die Zeit brachten. Doch Kovac war in der Lage, in extremen Druck­si­tua­tionen die Nerven zu behalten.

Die Hoff­nung auf eine neue Ära bestand

In Pres­se­kon­fe­renzen argu­men­tierte er ruhig und besonnen. Er machte das sehr gut für einen, der das erste Mal auf der Bank eines Welt­klubs mit derart über­hitztem Medi­en­um­feld saß. Und immer, wenn es spitz auf Knopf stand, konnte er mit Ergeb­nissen die Situa­tion befrieden. Sei es nach dem 3:3 gegen For­tuna, als sein Team drei Tage später Ben­fica Lis­sabon mit 5:1 aus der Allianz Arena fie­delte. Sei es auf der Ziel­ge­rade der zurück­lie­genden Spiel­zeit, die Kovac als glor­rei­cher Double-Sieger abschloss. Sein cooler Umgang mit dem stän­digen Druck nährte die Hoff­nung, dass die neue Saison rei­bungs­loser für ihn ver­laufen könne. Zumal die Bosse im Sommer seinen For­de­rungen nach­kamen und den Kader mit Top-Spie­lern auf­füllten, die sich – allen voran Lucas Hernández – auch in der Spiel­phi­lo­so­phie des Trai­ners wider­spie­gelten.

Doch das gute Timing, das ihn in seiner ersten Spiel­zeit aus­zeich­nete, kam Kovac in den ver­gan­genen Monaten abhanden. Nach den Ver­let­zungen von Hernández und Niklas Süle war sein Team in der Defen­sive plötz­lich blank. Jerome Boateng hat seine besten Tage längst hinter sich. David Alaba spielt seit Monaten mys­te­riös unter Nor­mal­form. Der von Kovac zum Leader aus­ge­ru­fene Thiago scheint mit der Anfüh­rer­rolle über­for­dert. Phil­ippe Cou­tinho – schon vor seiner Ankunft in Mün­chen als Mimose ver­schrien – ist in Mün­chen noch nicht ange­kommen. Thomas Müller, der nach seiner Degra­die­rung klar machte, dass er den Klub ver­lassen wird, wenn sich die Situa­tion nicht ändert.

Warum ver­griff er sich aus­ge­rechnet bei Müller im Ton?

Müller ist ein gut ver­netzter Veteran, wenn einer wie er sich so klar posi­tio­niert, heißt es nichts anderes als: ent­weder der Trainer oder ich! Dass Kovac dann aus­ge­rechnet in der Causa Müller rhe­to­risch dane­ben­griff, als er sagte Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicher­heit auch seine Minuten bekommen“ und damit den sakro­sankten Welt­meister zum Aus­hilfs­kellner her­un­ter­stufte, war bereits ein Beweis, wie die sich ver­schär­fende Situa­tion an seinen Nerven nagte. Bis dato hatte es Kovac immer clever ver­mieden, seine Spieler in schlechtes Licht zu rücken. Und auch bei dieser Äuße­rung war sicher nicht seine Absicht, Müller zu her­ab­zu­wür­digen. Nur an Säbener Straße reagiert die Gold­waage eben meist noch etwas sen­si­bler als anderswo.

Bis dato hatte sich Kovac aus der engen Umklam­me­rung stets mit Ergeb­nissen befreit. Doch nach dem 7:2‑Sieg gegen Tot­tenham man­gelte es seinem Team auch zuse­hends an Sou­ve­rä­nität auf dem Rasen: die Nie­der­lage gegen Hof­fen­heim, nur unent­schieden in Augs­burg, mühsam gewonnen in Piräus, das Bei­nahe-Aus im Pokal in Bochum und schließ­lich der Offen­ba­rungseid am ver­gan­genen Samstag bei seinem Ex-Verein Ein­tracht Frank­furt: 1:5, die höchste Nie­der­lage seit einer Dekade.

Als würde sich da ein Kreis schließen. Aus Frank­furt war er als Novize an die Säbener Straße gewech­selt und zum glo­riosen Double-Trainer auf­ge­stiegen – in Frank­furt wurde Kovac nun wieder auf Novizen-Maß­stab zurecht­ge­stutzt. Über die letzten Wochen hatte sich das Gefühl ver­fes­tigt, dass zwi­schen Mann­schaft und Trainer irgend­etwas im Argen liegt. Auf Pres­se­kon­fe­renzen wurde Kovac plötz­lich phi­lo­so­phisch und schwa­dro­nierte dar­über, dass Ehr­lich­keit im Umgang das oberste Gebot sei. Seine Worte bezogen sich zwar auf den Umgang mit Jour­na­listen – und doch wurde man das Gefühl nicht los, dass der Coach sich irgendwie allein gelassen fühlte und zuse­hends über­for­dert.

Kovac wirkte zuneh­mend über­for­dert

So liest sich auch seine Ent­las­sung. Um 18 Uhr am gest­rigen Abend dis­ku­tierte Deutsch­land noch dar­über, dass der FC Bayern ihm ein Ulti­matum für zwei wei­tere Spiele ein­ge­räumt habe. Am Vor­mittag hatte Kovac noch das Trai­ning geleitet. In einem Gespräch mit Sali­ha­midczic, Hoeneß und Rum­me­nigge muss er dann aber wohl den Ein­druck ver­mit­telt haben, dass unter ihm keine Wende im Nega­tiv­trend mehr mög­lich ist. Jeden­falls kor­ri­gierten die Bosse ihre Ent­schei­dung und ließen noch am Abend hastig die Ent­las­sung des Trai­ners ver­melden.

Das Expe­ri­ment ist geschei­tert

Nicht nur Niko Kovac muss sich ein­ge­stehen, dass er der Auf­gabe beim Rekord­meister lang­fristig nicht gewachsen war. Auch die FCB-Füh­rung muss ein­sehen, dass der alter­na­tive Weg, den der Klub mit Kovacs Ein­stel­lung ein­ge­schlagen wollte, in eine Sack­gasse geführt hat. Das Expe­ri­ment ist geschei­tert. Es wird span­nend sein zu sehen, mit wel­chem Trainer die Bayern nun den Rück­wärts­gang ein­legen und die Karre wieder in die Spur bringen. Einen Trai­ner­fürsten wie Arséne Wenger oder José Mour­inho zu ver­pflichten, um das Unter­hal­tungs­level hoch zu halten und das Spot­light weg vom maroden Team, wäre simpel und mit Geld schnell zu bewerk­stel­ligen.

Eine Ant­wort auf die zen­trale Fragen, die sich dem FC Bayern an diesem Punkt seiner Ent­wick­lung stellen, wäre es jedoch nicht. Die Fragen lauten: Für welche Art von Fuß­ball wollen wir als Verein in Zukunft stehen? Und können wir mit diesem Fuß­ball auch inter­na­tional bestehen?