Italien muss für die kommende Weltmeisterschaft in Katar in die Playoffs. Nach vier Unentschieden aus den letzten fünf Spielen verspielte die Squadra Azzurra die direkte WM-Teilnahme. Über den Sturz des Europameisters.
Es war eine der vielen einprägsamen Szenen der paneuropäischen Europameisterschaft in diesem Jahr: Halbfinale, Elfmeterschießen, Italiens Jorginho tritt zum entscheidenden Strafstoß gegen Spanien an. Der vorausgegangene Fehlschuss von Álvaro Morata eröffnet der Squadra Azzurra das Tor zum EM-Finale. Jorginho läuft langsam an, blickt zu Torwart Unai Simón und macht einen kleinen Hüpfer vor dem Ball, dann schickt er ihn auf die Reise. Der Ball kullert über die Linie und seine Mannschaft steht im Endspiel. Vergessen gemacht hat dieser lässige Elfmeter sogar den weniger erfolgreichen Hüpfer im darauffolgenden Elfmeterschießen gegen England. Der EM-Erfolg überdeckt schließlich alles.
Seit der Krönung Italiens zum Europameister ist jedoch der Wurm drin. Europas Fußballer des Jahres Jorginho verschoss nach dem Siegtreffer gegen Spanien alle drei darauffolgenden Elfmeter. Im Quali-Hinspiel gegen die Schweiz setzte er noch auf seine spezielle Hüpf-Taktik, im Rückspiel verzichtete er auf derlei Allüren und schoss ohne Verzögerung auf’s, beziehungsweise über das Tor. Auch der vorwurfsvolle Blick in Richtung Rasen lieferte ihm keine Erklärung für seinen Lapsus.
Wenn er nur einen der beiden Elfmeter gegen die Schweiz verwandelt hätte, stünde Italien mutmaßlich bereits sicher als WM-Teilnehmer fest. So muss das Team von Trainer Roberto Mancini in die Playoffs. Wie schon 2017. Als die Squadra Azzurra erstmals seit 60 Jahren an der WM-Qualifikation scheiterte.
Mit dem 0:0 gegen die Schweizer Nati im Quali-Hinspiel hatte Italien einen Rekord aufgestellt: Sie waren 37 Spielen ohne Niederlage geblieben. Eine gewiss beeindruckende Rekordserie, doch sie überdeckte bereits den schleichenden Abbau der Nationalmannschaft.
Dabei steckte der Teufel noch nicht einmal im Detail. Zu offensichtlich war die fehlende Abschlussstärke der Italiener, zu leichtfertig vergaben sie Siege. Die Leichtigkeit, die sie über das Turnier im Sommer getragen hat – sie war verflogen. Spanien beendete im Halbfinale der Nations-League Anfang Oktober schließlich Italiens Rekordserie und entriss ihnen damit den imaginären Schutzmantel, den Nimbus der Ungeschlagenen, unter dem sie sich nach schwachen Partien allzu oft verstecken konnten.
Das Unentschieden gegen Nordirland vom vergangenen Montag ist vorläufiger Tiefpunkt einer Entwicklung, die seit dem Gewinn der Europameisterschaft anhält. Im Zentrum der Kritik steht neben Jorginho immer wieder auch Ciro Immobile. Gegen die nordirische Auswahl fehlte er verletzt, genauso ein adäquater Ersatz auf der Sturmposition. Das Mittelfeld kreierte zu wenige kreative Momente, Marco Verratti wurde schmerzlich vermisst und selbst der Spieler des Turniers, Gianluigi Donnarumma, zeigt sich seit der EM nicht mehr in derselben, starken Verfassung. Am Ende des Spiels gegen Nordirland lief er gar unter einem Ball hindurch und hatte es nur Leonardo Bonucci zu verdanken, der den Ball auf der Linie klärte, dass seine Mannschaft das Spiel nicht noch verlor. Einen großen Unterschied hätte es auch nicht mehr gemacht.
Denn durch den parallel stattgefundenen 4:0‑Erfolg der Schweiz über Bulgarien, hätte Italien mindestens drei Tore schießen müssen. Sie fanden jedoch keinerlei Mittel, dem nordirischen Tor wirklich gefährlich zu werden. Im Laufe des Spiels erspielten sich die Nordiren immer bessere Chancen, sodass Italien am Ende sogar glücklich sein konnte, nicht verloren zu haben.