Zunehmend sehen sich Schiedsrichter in Deutschland mit Gewalt und Beleidigungen konfrontiert. Am Wochenende protestierten sie in Berlin mit einem Streik. Ein Unparteiischer spricht über die Attacke auf ihn – und nimmt die Verbände in die Pflicht.
Auch die Wissenschaft kann bislang wenig zum Verständnis der Problematik beitragen. In seiner Masterarbeit im Fach Psychologie hat Adrian Sigel vor vier Jahren mit zahlreichen Schiedsrichtern gesprochen. Einige der befragten Schiedsrichter erklärten sich Beleidigungen als eine zu dem Sport dazugehörende Emotionalität – die zunehmenden Drohungen und körperlichen Angriffe passen aber nicht mehr so recht in dieses Erklärungsmuster, wenn aus der Emotionalität heraus Straftaten entstehen. Sigel befragte 915 Schiedsrichter, von denen 62 Prozent angaben, dass ihnen mindestens einmal Gewalt angedroht worden sei. Knapp ein Drittel berichtete, bereits tätlich angegriffen worden zu sein.
Kommt es bei Partien, an denen Spieler mit Migrationshintergrund beteiligt sind, besonders häufig zu körperlichen Auseinandersetzungen? Ein Schiedsrichter, der namentlich nicht genannt werden will, bejaht diese Frage, sagt aber auch: „Oft sind es Einzelne, die für Unruhe sorgen. Sobald sie das Trikot anhaben, brennen die Sicherungen durch.“ Auch Isenberg sieht den Vorfall beim Spiel in Fredenberg als Tat eines Einzelnen und nimmt den deutsch-türkischen Verein Fatih Türkgücü in Schutz. „Diese Ausraster können einem nach jedem Spiel passieren. Der Verein hat sich danach vorbildlich verhalten.“
Runder Tisch, Ordner und konsequente Strafen
Um Vorfällen wie diesen künftig entgegenzuwirken, vor allem aber wohl auch, um zu zeigen, dass man sich des Problems annimmt, will der Berliner Fußballverband (BFV) möglichst schnell erste Maßnahmen einleiten. So soll ein runder Tisch einberufen werden, zudem soll das Bereitstellen mindestens eines Ordners für Heimvereine zur Pflicht werden. Nicht zuletzt sollen auch die Möglichkeiten der Sportgerichtsbarkeit voll ausgeschöpft werden, um „konsequent und gemeinsam gegen Täter vorzugehen“, sagte BFV-Präsident Bernd Schultz der Deutschen Presse-Agentur.
Und wie reagieren die Schiedsrichter? Markus Isenberg hatte sich eigentlich einst geschworen, zurückzutreten, sobald er „eins auf die Nuss“ bekommt. Doch er lässt sich nicht einschüchtern, zu sehr liebt er sein Hobby. Zwei Tage nach seiner Gewalterfahrung leitet er das nächste Spiel. Alles wie immer. Im Online-Spielbericht verneint er dieses Mal die Frage, ob es „Gewalthandlungen und/oder Diskriminierungen“ gegeben habe.