Nach Berichten über 6.500 tote Gastarbeiter wurden zuletzt Rufe nach einem Boykott der WM 2022 in Katar laut. Ein Rasen-Lieferant aus den Niederlanden zieht nun erste Konsequenzen.
Im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2006 hatte Stefan Raab bei TV Total seinen Spaß. Da wurde nämlich bekannt, dass der Rasen für das Turnier in Deutschland aus den Niederlanden kommen würde. Hahaha! Gras aus Holland! Verstehen Sie? Wegen Kiffen und so. Und klar, natürlich dichtete Raab noch schnell einen Werbesong: „Frau Antje bringt Rasen aus Holland!“
Im Vorfeld der WM 2022 ist die Stimmung weitaus weniger gelöst. Berichte über Korruption, Menschenrechtsverletzungen und tausende Tote auf den Baustellen der WM-Arenen lassen kaum so etwas wie Vorfreude aufkommen. Auch nicht in den Niederlanden, beim WM-Rasen-Hersteller. Der hatte neben der WM 2006 auch die Spielflächen der Europameisterschaften 2008 und 2016 mit seinem Grün versorgt und sollte dies auch 2022 in Katar tun. Doch nun gab das Unternehmen bekannt, sich von dem Turnier zurückzuziehen.
„Das hat uns enorm schockiert“
„Wir haben gesehen, was dort passiert“, sagte eine Sprecherin der Firma Hendriks Graszoden dem Portal 1Limburg. Bereits vor einigen Jahren seien Vertreter des Unternehmens vor Ort in Katar gewesen. „Wir haben gesehen, wie die Stadien dort gebaut wurden. Nicht alle Arbeiter trugen Schutzkleidung.“ Diese Zweifel sah das Unternehmen nun durch die Berichterstattung des englischen Guardian, wonach bislang mehr als 6.500 Gastarbeiter in Katar ums Leben kamen, bestätigt. „Wir hatten gehört, dass Menschen verstorben seien, aber wir wussten nicht, dass es ungefähr 6.500 waren. Das hat uns enorm schockiert.“
Verwunderlich findet das Unternehmen auch, dass die FIFA nichts gegen die Zustände auf den Baustellen unternommen habe: „Das hat uns sehr überrascht.“ Laut der Sprecherin war die Lage auf den Baustellen jedoch nicht der alleinige Grund für den Rückzug. Auch niedrige Qualitätsstandards beim Anbau des Rasens vor Ort hätten eine Rolle gespielt.
Die Berichterstattung des Guardian hatte die Kritik an der Austragung der Weltmeisterschaft in Katar zuletzt noch einmal verschärft. Rufe nach einem Boykott des Turniers waren laut geworden, etwa von norwegischen Vereinen oder dem deutschen Bündnis ProFans. Mit Hendriks Graszoden hat nun zumindest ein erstes Unternehmen Konsequenzen gezogen.
Auf die Frage, ob die Entscheidung des Rasen-Lieferanten auch den niederländische Fußballverband KNVB hinsichtlich der Teilnahme an der WM beeinflusse, verwies der Verband auf die Haltung von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch. Auch diese würden sich gegen einen Boykott aussprechen. „Diese Menschenrechtsorganisationen sagen, dass die beabsichtigten Reformen in Katar nur zustande kommen werden, wenn man am Ball bleibt und Druck auf die Regierung in Katar ausübt. Mit einem Boykott verbessert sich also nichts.“ Auch der norwegische Verband hatte sich zuletzt ähnlich geäußert.
Und so werden die Diskussionen um die Weltmeisterschaft in Katar wohl weiter andauern. Nur Witze von Stefan Raab über Rasen aus Holland, die wird es nicht geben. Und das ist vielleicht auch gut so. Schließlich ist die Lage alles andere als lustig.
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