Die Deutsche Welle wollte mit Reinhard Grindel sprechen – der brach das Interview aber lieber ab, stapfte beleidigt davon und läutete so das Ende seiner Amtszeit als DFB-Präsident ein. Protokoll eines schon jetzt legendären Dialogs.
Dass Reinhard Grindel Anfang April seinen Hut nehmen musste, abserviert von den eigenen Leuten mittels an die Medien lancierter Hinweise auf halbseidene Oligarchen-Geschenke und merkwürdige Nebeneinkünfte, das hatte sicher auch mit einem Vorfall zu tun, der sich einige Wochen zuvor in der DFB-Zentrale in Frankfurt zugetragen hatte.
Als wir in der 11FREUNDE-Redaktion das Video dazu erstmals sahen, kam es uns vor wie ein publizistisches Gottesgeschenk. Da sitzt also, bräsig wie stets, der Boss des, wie man in solchen Fällen sagt, mitgliederstärksten Sport-Fachverbandes der Welt und wird von einem Journalisten der Deutschen Welle befragt – hartnäckig, aber keineswegs unverschämt. Doch das Thema – die Umtriebe des FIFA-Chefs Gianni Infantino im Allgemeinen und seine Pläne für eine Global Nations League im Besonderen – sagt Grindel offenbar gar nicht zu. Und so entspinnt sich folgender denkwürdiger Dialog.
Grindel: „Herr Bauer, das bringt doch jetzt nichts, Sie versuchen mir immer eine Bemerkung in den Mund zu schieben, mit der Sie was machen können, und ich weiche Ihnen seit zehn Minuten aus. Jetzt machen Sie doch vernünftige Fragen, auf die ich vernünftig antworten kann.“
Bauer: „Naja, ich glaube, das mache ich.“
Grindel: „Nein.“
Bauer: „Ich schließe jetzt ab mit dem 25-Milliarden-Deal, das ist ja eine neue Frage.“
Grindel: „Also, Herr Bauer, ich beantworte jetzt noch drei Fragen zu Katar, und dann ist das Interview beendet.“
Bauer: „Lassen Sie mich doch…“
Grindel: „Nein, drei Fragen zu Katar, sonst hören wir gleich auf.“
Schon zu diesem Zeitpunkt klingt der Wortwechsel wie ein ausgedachtes Script des seligen Satirikers Loriot, zum Beispiel das von den beiden störrischen alten weißen Männern in der Badewanne: „Herr Müller-Lüdenscheid!“ – „Herr Dr. Klöbner!“ Aber Loriot als Referenz ist in diesem Fall nicht genug, es kommt noch besser.
Bauer: „Aber Herr Grindel, ich frage doch offen…“
Grindel: „Nein, Sie fragen nicht offen. Sie versuchen mir irgendwas in die Schuhe zu schieben.“
Bauer: „Gar nicht!“
Grindel: „…dass ich sage, es gibt nie eine Global Nations League.“
Bauer: „Das habe ich doch verstanden. Das ist doch in Ordnung, aber da muss ich doch anständig nachfragen.“
Grindel: „Herr Bauer, drei Fragen zu Katar, sonst stehe ich auf!“
Bauer: „Darf ich jetzt die 25 Milliarden noch einbringen?“
Grindel: „Nein!“
Bauer: „Das habe ich doch inhaltlich bisher noch nicht gefragt.“
Grindel: „Herr Bauer, komm, wir lassen es.“
Mit diesen Worten erhebt sich der DFB-Präsident, entfernt das Mikro von seinem Revers und geht ab.
Bauer: „Herr Grindel! Könnte ich jetzt zu Katar noch zu Ende fragen?“
Grindel (aus dem Off): „Nein, ich bin dann weg!“
Bauer: „Herr Grindel! Wir haben zu Katar noch gar nicht gesprochen. Entschuldigen Sie! Herr Grindel!“
Grindel: „Lassen Sie mich in Ruhe!“
Bauer: „Herr Grindel!“
Dankenswerter Weise hat die Deutsche Welle das Interview im Nachgang online gestellt, und es ist wenig überraschend, dass das Filmchen umgehend viral ging. Noch Tage später sah man 11FREUNDE-Mitarbeiter auf dem Redaktionsflur haltlos in sich hinein kichern: „Aber Herr Grindel! Herr Grindel!“
Obwohl die Rollen in diesem Dokument des Schreckens auf der ersten Blick gar nicht so eindeutig verteilt sind – hier der völlig überrumpelte Journalist, dort der zumindest oberflächlich betrachtet Dynamik ausstrahlende Tapsbär Grindel –, so war schnell klar, dass der DFB-Präsident aus dieser Nummer schlechter herauskommen würde. War doch der in Form und Inhalt hanebüchene Auftritt Wasser auf die Mühlen seiner (auch verbandsinternen) Kritiker, dass mit diesem poltrigen, wenn nicht hochnotpeinlichen Präsidenten beim besten Willen kein Staat zu machen ist.
Und so kann man sich gut vorstellen, wie noch am selben Tag ein paar einflussreiche Leute in der DFB-Zentrale zusammenkamen: „So kann es nicht weitergehen, Freunde. Was sollen wir tun?“