Das einstige Supertalent Oliver Burke kehrt zurück in die Bundesliga. Im zweiten Anlauf soll es nun bei Werder Bremen klappen. Dabei muss der Schotte beweisen, dass er aus den vergangenen Rückschlägen gelernt hat. Ein achtbarer Start ist ihm bereits gelungen.
An diesen lauen Spätsommerabend von 2016 wird sich Oliver Burke noch gut erinnern können. Nicht, weil das Thermometer rund ums Müngersdorfer Stadion in Köln für Ende September ungewöhnlich heiße 28 Grad anzeigte, sondern weil dem Schotten bei seinem Startelf-Debüt sogleich sein erster Bundesliga-Treffer gelang. Allein: Es blieb sein einziger. Burke, damals frisch für schlappe 15 Millionen Euro aus Nottingham zum Aufsteiger RB Leipzig gewechselt, erzielte in der fünften Minute die Führung beim 1. FC Köln (Endstand 1:1). Marcel Sabitzer steckte den Ball auf den Neuzugang durch, Burkes anschließender Schuss ins flache rechte Eck fälschte Kölns Sörensen ins Tor ab. Ein Raketenstart? Im Gegenteil.
Es folgten nur noch 24 weitere Einsätze für den damals 19-Jährigen, in nur vier Spielen durfte er starten. Nach nur einem Jahr kehrte Burke wieder in seine britische Heimat zurück. In Leipzig dürfte RB-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff vor Erleichterung in die Hände geklatscht haben, als er erfuhr, dass West Bromwich bereit sei, ebenfalls rund 15 Millionen für das Missverständnis auf den Tisch zu legen. Doch warum konnte sich Burke bei seinem ersten Versuch in Deutschland nicht durchsetzen?
Ex-Trainer Ralph Hasenhüttl kritisierte bereits kurz nach Burkes Verpflichtung dessen mangelndes Taktikverständnis auf dem Platz. „Seine Festplatte war leer“, sagte Hasenhüttl damals. Mit der Zeit sei dann zwar „ein bisschen was drauf“ gekommen, doch wirklich glücklich wurde der Österreicher mit dem Schotten nicht. Willi Orban, damaliger Mitspieler von Burke, äußerte sich ähnlich. „Er hatte zwar eine außergewöhnliche Wucht, Dynamik und Schnelligkeit, konnte diese Attribute in unserem System aber nicht entsprechend einbringen.“ Und Ralf Rangnick, zu dieser Zeit Sportdirektor bei RB, formulierte es so: „Er ist gut am Ball für einen Spieler dieser Größe und dieser Geschwindigkeit. Wo er sich noch verbessern muss, ist taktisch.“
Fast sechs Jahre später wagt Oliver Burke nun einen neuen Anlauf in Deutschlands Beletage, mit Werder Bremen wieder bei einem Aufsteiger. Dass Sheffield United ihn trotz gültigen Vertrags bis 2023 dem Vernehmen nach ablösefrei zu Werder gehen ließ, scheint, nun ja, ein glücklicher Zufall zu sein. Immerhin ist Burke, der offensiv auf den Flügeln und als Stürmer spielen kann, mittlerweile zu einem erfahrenen und weit gereisten Profi geworden. Zwischen Leipzig und Bremen lagen für den Nationalspieler Schottlands Stationen in der Premier League (West Bromwich), Leihen zu Celtic Glasgow oder in die spanische La Liga zu Deportivo Alavés. In Spanien spielte Burke so häufig wie nirgendwo sonst. Nach seiner Rückkehr zu West Bromwich registrierte Trainer Slaven Bilic zwar Fortschritte, allerdings habe Burke „kein richtiges Zeichen gesetzt“. Sprich: Tore geschossen. Überhaupt hat Burke bei seinen Stationen vor allem im letzten Drittel Schwächen offenbart. Wenige Abschlüsse, wenig Durchschlagskraft, wenig gefährliche Aktionen. Nur fünf Tore gelangen ihm seit 2019.
Sein letzter Klub, Sheffield, verlieh den heute 25-Jährigen in der zurückliegenden Rückrunde an den FC Millwall in die zweite Liga. Drei Torbeteiligungen in 14 Einsätzen überzeugten schließlich die Bremer Verantwortlichen, Burke zu verpflichten. Trainer Ole Werner sagt, er freue sich mit Burke auf „weitere Möglichkeiten in unserem Offensivspiel“. Burke selbst sei glücklich über die Chance, wieder in der Bundesliga zu spielen. Jene Liga, die er 2016 vor seinem Wechsel nach Leipzig der Premier League vorzog. Damals sollen auch Chelsea oder Tottenham am Ex-Supertalent interessiert gewesen sein. „Man sieht keine Premier-League-Klubs, die in der Champions League weit kommen. Aber man sieht Vereine aus der Bundesliga, die das tun“, hatte Burke vor seinem Antritt in Leipzig den Wechsel begründet. Eine Aussage, die nach vier Finals mit englischer Beteiligung später – zwei davon übrigens Premier-League-interne Duelle – schlecht gealtert ist. Chelsea gewann den Henkelpott 2021, Tottenham verlor gegen Liverpool zwei Jahre zuvor. Wenn manche Dinge anders gelaufen wären, könnte Burke heute also Champions-League-Sieger sein.
Stattdessen also Bremen. Werder verspricht sich von Burke viel Tempo und körperliche Präsenz für die Offensive. Und mit den selbsternannten „hässlichen Vögeln“ Füllkrug und Ducksch in vorderster Reihe kann sich der flinke Burke möglicherweise im Windschatten beweisen. Sein Testspiel-Einstand für Werder ist Burke am vergangenen Sonntag derweil geglückt. Beim Sieg gegen den Karlsruher SC (2:1) drehte er nach seiner Einwechslung mit zwei Toren das Spiel zu Gunsten von Grün-Weiß. Zur Halbzeit kam der Neuzugang für Marvin Ducksch in die Partie, bildete anschließend mit Benjamin Goller die Doppelspitze.
Um künftig auch in Pflichtspielen zu brillieren, wird er Werners taktisch und physisch anspruchsvolle Vorgaben umsetzen müssen – egal auf welcher Position. Und der weit gereiste Schotte wird zeigen müssen, ob er durch die Rückschläge der vergangenen Jahre auch tatsächlich an Reife gewonnen hat. „Ich muss lernen, was ich hier zu tun habe“, weiß auch Burke. Der Stürmer möchte nicht mehr herumgereicht werden, wie bei seinen vergangenen Stationen. Er möchte in seiner Karriere ankommen, dafür spricht auch der neue Dreijahres-Vertrag in Bremen. „Ich hoffe, dass ich Werder Bremen irgendwann mein Zuhause nennen kann“, sagte Burke jüngst im Zillertaler Trainingslager der Bremer. Seine Karriere sei ein Auf und Ab gewesen, der Wechsel an die Weser nun eine neue Chance. Mitte November wird Burke im Weserstadion auf seinen ehemaligen Arbeitgeber aus Leipzig treffen. Und vielleicht wird er seinem Bundesligatreffer aus dem Müngersdorfer Stadion von 2016 bis dahin ja doch bereits weitere hinzugefügt haben.