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Seite 2: Sie riefen: „Zuff, Zuff, Zuff, Zuff, Zuff“

Also trai­nierte ich weiter alleine. Ich ging joggen oder jon­glierte mit dem Ball durch meinen WG-Garten. Und weil die Saison schon ange­fangen hatte, wurde ich langsam unge­duldig. Bis mir nach drei Wochen der andere Klub, East Stir­lingshire, ant­wor­tete. Das Team hätte bald ein Test­spiel gegen die eigene A‑Jugend, ob ich nicht Lust hätte, mich dort zu beweisen. Was für eine Frage!

In der Kabine des Klubs ange­kommen, mitten unter wild­fremden Typen, bekam ich gleich richtig Feuer vom Coach: Wo willst du kicken?“, fragte er. Nor­ma­ler­weise spiele ich auf der Sechs“, sagte ich. Darauf drehte er sich zu Mann­schaft und sagte: Jungs, das ist ein Deut­scher, der spielt jetzt auf der Sechs. Aber viel­leicht ist er auch gleich wieder draußen.“ Die Anspan­nung war enorm, doch die Situa­tion sta­chelte mich auch an. Jetzt musste ich lie­fern.

Sie riefen: Zuff, Zuff, Zuff, Zuff, Zuff“

Und zum Glück lie­ferte ich. Die ersten Zuspiele saßen, ich nahm die Bälle sauber mit, und die etwas raue Gangart war eh kein Pro­blem – ich bin auf dem Platz selbst kein Kind von Trau­rig­keit. Das gefiel dem Trainer und den Ver­ant­wort­li­chen. Der Manager bot mir nach dem Test einen Ver­trag an. Ich sagte nur: Geld ist mir egal, ich will ein­fach spielen.“ Wir machten ein Weekly Salary“ aus, und ich bekam jede Woche meinen Umschlag mit Bar­geld, knapp 100 Euro. Nach der Unter­schrift fuhr ich nach Hause und war so voller Adre­nalin, dass ich sang und glück­selig aufs Lenkrad ein­trom­melte. Mir war richtig warm ums Herz, ich spürte: Es ist etwas wirk­lich Cooles in meinem Leben pas­siert!

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Willie Vass

East Stir­lingshire spielt in einem geilen Sta­dion, Fas­sungs­ver­mögen etwa 6000 Zuschauer, im Schnitt 2000 Leute bei den Spielen. Zwei Steh­tri­bünen, eine Gerade mit Sitz­plätzen, die andere Seite offen. Den Klub gibt es seit 1881, das geht selbst in Schott­land als Tra­di­ti­ons­verein durch. Und die Fans sind gran­dios. In den ersten beiden Spielen saß ich auf der Bank, aber wenn ich reinkam und eine gute Aktion hatte, schwappte sofort ein Zuff, Zuff, Zuff, Zuff, Zuff“ durchs Sta­dion. Auch die Mit­spieler waren super – und im Gegen­satz zur Schule, an der ich arbei­tete, nicht so posh. Im Team redeten alle im schönsten Glas­we­gian, fast alle ver­dienten ihr Geld mit klas­si­schen Arbei­ter­jobs. Maler, Lackierer, Mecha­niker.

Bald stand das erste große High­light an: unser Heim­spiel gegen die Ran­gers. Kurz vorher rief ein Jour­na­list an, um sich über mich zu infor­mieren. Ich erzählte, dass ich eigent­lich Stu­dent sei und Lehrer werden wolle. Daraus wurde die Schlag­zeile: German out to ­teach Ran­gers a lesson.“ Lokale Yellow Press eben. Das Spiel lief zunächst gut. Ich stand in der Startelf, kam gut rein, kaum Fehl­pässe, viele gewon­nene Duelle. Die Ran­gers waren zwar Favorit, aber wir hielten auch nach dem 0:1 mit. Bis zu diesem ver­fluchten Zwei­kampf.