Im Sommer 2012 geht der Student Philipp Züfle für ein Auslandssemester nach Schottland. Wenig später läuft er gegen die Rangers auf. Im Ibrox. Vor 45 000 Zuschauern.
Also trainierte ich weiter alleine. Ich ging joggen oder jonglierte mit dem Ball durch meinen WG-Garten. Und weil die Saison schon angefangen hatte, wurde ich langsam ungeduldig. Bis mir nach drei Wochen der andere Klub, East Stirlingshire, antwortete. Das Team hätte bald ein Testspiel gegen die eigene A‑Jugend, ob ich nicht Lust hätte, mich dort zu beweisen. Was für eine Frage!
In der Kabine des Klubs angekommen, mitten unter wildfremden Typen, bekam ich gleich richtig Feuer vom Coach: „Wo willst du kicken?“, fragte er. „Normalerweise spiele ich auf der Sechs“, sagte ich. Darauf drehte er sich zu Mannschaft und sagte: „Jungs, das ist ein Deutscher, der spielt jetzt auf der Sechs. Aber vielleicht ist er auch gleich wieder draußen.“ Die Anspannung war enorm, doch die Situation stachelte mich auch an. Jetzt musste ich liefern.
Sie riefen: „Zuff, Zuff, Zuff, Zuff, Zuff“
Und zum Glück lieferte ich. Die ersten Zuspiele saßen, ich nahm die Bälle sauber mit, und die etwas raue Gangart war eh kein Problem – ich bin auf dem Platz selbst kein Kind von Traurigkeit. Das gefiel dem Trainer und den Verantwortlichen. Der Manager bot mir nach dem Test einen Vertrag an. Ich sagte nur: „Geld ist mir egal, ich will einfach spielen.“ Wir machten ein „Weekly Salary“ aus, und ich bekam jede Woche meinen Umschlag mit Bargeld, knapp 100 Euro. Nach der Unterschrift fuhr ich nach Hause und war so voller Adrenalin, dass ich sang und glückselig aufs Lenkrad eintrommelte. Mir war richtig warm ums Herz, ich spürte: Es ist etwas wirklich Cooles in meinem Leben passiert!
East Stirlingshire spielt in einem geilen Stadion, Fassungsvermögen etwa 6000 Zuschauer, im Schnitt 2000 Leute bei den Spielen. Zwei Stehtribünen, eine Gerade mit Sitzplätzen, die andere Seite offen. Den Klub gibt es seit 1881, das geht selbst in Schottland als Traditionsverein durch. Und die Fans sind grandios. In den ersten beiden Spielen saß ich auf der Bank, aber wenn ich reinkam und eine gute Aktion hatte, schwappte sofort ein „Zuff, Zuff, Zuff, Zuff, Zuff“ durchs Stadion. Auch die Mitspieler waren super – und im Gegensatz zur Schule, an der ich arbeitete, nicht so posh. Im Team redeten alle im schönsten Glaswegian, fast alle verdienten ihr Geld mit klassischen Arbeiterjobs. Maler, Lackierer, Mechaniker.
Bald stand das erste große Highlight an: unser Heimspiel gegen die Rangers. Kurz vorher rief ein Journalist an, um sich über mich zu informieren. Ich erzählte, dass ich eigentlich Student sei und Lehrer werden wolle. Daraus wurde die Schlagzeile: „German out to teach Rangers a lesson.“ Lokale Yellow Press eben. Das Spiel lief zunächst gut. Ich stand in der Startelf, kam gut rein, kaum Fehlpässe, viele gewonnene Duelle. Die Rangers waren zwar Favorit, aber wir hielten auch nach dem 0:1 mit. Bis zu diesem verfluchten Zweikampf.