Das Trainerkarussell dreht sich heute schneller denn je. Zeit für Visionen bleibt bei den kurzen Amtszeiten kaum. Wie fühlt sich das an? Alexander Nouri hat es in Ingolstadt gerade erst erlebt.
Dieser sogenannte „Trainer-Effekt“ zahlte sich bei Nouri nicht in Punkten aus. Er verlor die drei Spiele zu Beginn alle mit 1:2. Das war bei den ersten beiden Gegnern fast zu erwarten: Der 1. FC Köln war Tabellenerster, der 1. FC Union Tabellenzweiter.
Nouri entschied sich gegen die Herangehensweise manch anderer Trainer, solche Spiele vom Interimstrainer leiten zu lassen, um nicht mit einem Negativerlebnis zu starten. „Meine Überzeugung war: Wenn ich das annehme, dann springe ich sofort rein und will Mut vorleben“, sagt er.
Erstklassige Geschwindigkeit in zweiter Liga
Ein Trainer steht nach einem Wechsel schon beim ersten Spiel unter Erfolgsdruck. „Es werden sofort Resultate erwartet, obwohl die längst nicht immer realistisch sind“, sagt Niedzkowski. Besonders in der Zweiten Liga muss es schnell gehen.
Während in der Bundesliga aktuell neun von 18 Trainern schon länger als anderthalb Jahre im Amt sind, sind es eine Liga darunter nur noch drei. Ob dieser Klassenunterschied an der Qualität der jeweiligen Entscheidungsträger oder einer ligaspezifischen Eigendynamik liegt, ist unklar.
Die Geduld fehlt
„Natürlich wird das Geschäft immer schnelllebiger“, sagt Alexander Nouri. Schnelle Trainerentlassungen hat es zwar immer gegeben, Robert Körner flog 1968 nach 18 Tagen bei Nürnberg raus. Doch der allgemeine Trend gibt Nouri recht. Die aktuelle Verweildauer eines Trainers in der Bundesliga liegt bei durchschnittlich etwa 1,2 Jahren. 2000 waren es noch drei Jahre, wie der „kicker“ berechnete.
Vieles spricht dafür, dass die schnelleren Zyklen Teil einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung sind. Nicht nur im Fußball fehlt häufig die Geduld. Auch in anderen Bereichen wirkt es, als würden Entscheidungen, begünstigt durch den digitalen Fortschritt, immer schneller getroffen. Von einer „Beschleunigung des sozialen Wandels“ spricht der Soziologe Hartmut Rosa. „Es ist ein strukturelles, gesellschaftliches Problem“, sagt er in einem „Zeit“-Interview, „wir fühlen uns dadurch ständig gehetzt.“
Extreme Ergebnisorientierung
Nouri kennt es aus seinem Alltag: „Wir mussten früher eine Woche warten, bis eine neue Folge von Colt Seavers rauskam. Heute ist zu jeder Zeit alles verfügbar. So soll das auch mit Erfolgen im Fußball sein.“ Er sieht dadurch eine stärkere Entwicklung zur „extremen Ergebnisorientierung“ und vermisst bei Vereinen die Geduld und Überzeugung, „etwas reifen zu lassen“.
Gerne hätte er länger als die neuneinhalb Wochen in Ingolstadt gearbeitet. Aber der Verein glaubte nicht mehr an ihn. „Nach den ausbleibenden Erfolgserlebnissen sahen wir uns zum Handeln gezwungen“, sagte Geschäftsführer Harald Gärtner im November 2018. Jens Keller wurde neuer Trainer. Fünf Spieltage später ist Ingolstadt noch immer Tabellenletzter.