Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit war unser Autor wieder bei einem Bundesligaspiel im Stadion. Sein Fazit: Es war seltsam – bis Haaland kam.
Wie sich herausstellte, hatte ich doch nicht so großes Glück gehabt, wie ich zunächst dachte. Denn ganz offenbar gab es viele Dauerkarteninhaber, die sich gar nicht erst um Tickets beworben hatten. Bei einigen lag die zweite Impfung noch nicht lang genug zurück, und nur mit einem Test würde man nicht ins Stadion kommen. Andere waren wohl noch im Urlaub, fühlten sich bei dem Gedanken unwohl, plötzlich wieder auf so viele Menschen zu treffen, oder hatten sich in den letzten 532 Tagen ein wenig vom Fußball entfernt. Und dann gab es auch noch Fans wie meinen Bruder, mit dem ich seit mehr als vierzig Jahren zur Borussia gehe. Er hatte sich nicht beworben, weil er erst dann wieder ins Westfalenstadion möchte, wenn die Ränge voll sind und die Art von Stimmung herrscht, die früher normal war. Was auch immer die Hintergründe waren, zwei Tage vor dem Spiel standen noch mehrere Tausend Karten zur Verfügung und der Verein startete sogar einen freien Verkauf.
Als ich mich am Samstag auf den Weg zum Stadion mache, kann ich die Skepsis jener Fans gut verstehen, für die nur so halbrichtiger Fußball kein Fußball ist. Das Schöne an Dortmund war immer, dass es in dieser Stadt unmöglich ist, nicht zu wissen, ob der BVB ein Spiel hat. Doch im Bus zum Bahnhof sitzt diesmal niemand mit einem Schal oder Trikot, und auch in der Innenstadt ist nur wenig von der Atmosphäre zu spüren, die an normalen Heimspieltagen herrscht. Man sieht keine Gästefans, erstaunlich wenig Gelb und Schwarz, nicht mal die Polizisten, die sich sonst um diese Zeit sammeln, um den Marsch der Ultras zum Stadion zu begleiten. Erst in der U‑Bahn kommt so langsam Fußballstimmung auf, und vor dem Stadion sieht es dann fast so aus wie früher.
Aber eben nur fast. Man merkt schon, dass heute nicht mal ein Drittel der Menge da ist, die sich hier normalerweise aufhalten würde. Überall bilden sich Schlangen hinter weißen Fähnchen mit der Aufschrift Check-In. Hier zeigt man seinen digitalen Impfpass und seinen Ausweis vor und bekommt dafür ein Bändchen ums Handgelenk. Weil ich meine CovPass-App noch nie benutzt habe (nicht mal, als ich vor zwei Wochen in Polen war, um Lukas Podolski bei Gornik Zabrze zu sehen), präsentiere ich dem Mitarbeiter den falschen QR-Code, woraufhin er mir erklärt, ich könne nicht ins Stadion. Ein, zwei Panikanfälle später zeigt mir ein Helfer, dass ich in der App nur etwas weiterstreichen muss. Dieser digitale Fußball ist nichts für mich.
Auch hinter den Einlasskontrollen bleibt es gewöhnungsbedürftig. Zwar bin ich froh, als ich den in Deutschland lebenden Schotten George Gourlay und seine Kumpels vom „Scotland BVB Clan“ in ihren Kilts sehe, denn bis jetzt habe ich noch niemanden getroffen, den ich kenne. Dafür rennt ein Mitarbeiter des BVB von Grüppchen zu Grüppchen und bittet die Fans, Bier und Bratwurst nicht hier – unter freiem Himmel – zu sich zu nehmen, sondern nur auf ihrem Platz. „Es tut mir leid“, sagt er, „aber das Ordnungsamt verlangt das so.“ Es ist nicht das letzte Mal, dass wir das Wort „Sonderbetrieb“ hören.