Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit war unser Autor wieder bei einem Bundesligaspiel im Stadion. Sein Fazit: Es war seltsam – bis Haaland kam.
„Alter Schwede!“, ruft der BVB-Fan etwa Mitte zwanzig hinter mir. „Wat is dat denn?“
„Leck mich am Arsch, ey“, entfährt es seinem etwas älteren Begleiter. Jetzt brauchen die beiden erst mal einen guten Schluck Bier.
„Hier oben stehen Menschen?“, sagt der erste dann, als hätte er gerade im Dschungel Eingeborene entdeckt, die jahrhundertelang von der Außenwelt abgeschnitten waren.
Wir sind in Block 80, Reihe 15 des Westfalenstadions. Ja, das ist noch die Südtribüne, doch die beiden fühlen sich hier ebenso fremd wie ich. Es stellt sich heraus, dass wir alle drei eigentlich Dauerkarten für Block 14 haben. Das ist unten, im alten Teil der Tribüne, neben den zwei zentralen Stimmungsblocks. Jetzt stehen wir ganz weit oben. Von hier sind es nur noch 13 Reihen bis zum Dach. Der Rasen scheint endlos weit entfernt, und zu allem Überfluss ist der Block links von uns leer. Der BVB darf heute nur 25.000 Zuschauer ins Stadion lassen und hat deswegen entscheiden, die Blöcke in den vier Ecken nicht zu öffnen.
„Ach, scheiß drauf!“, sagt der Jüngere fröhlich. „Hauptsache Borussia.“
Es ist 17.45 Uhr am Samstag, und bis jetzt ist alles ziemlich seltsam gewesen. Vor 532 Tagen war ich zum letzten Mal bei einem Bundesligaspiel im Stadion. Der BVB schlug damals Freiburg, böige Winde fegten durchs Stadion und der Schiedsrichter drohte damit, die Partie abzubrechen, weil die Ultras den Namen Hopp in den Mund genommen hatten. Das war schon Ende Februar 2020 sehr, sehr bizarr, fühlt sich aber jetzt so an, als hätte es in grauer Vorzeit stattgefunden, als die Menschen sich noch um Dinge sorgten, die für uns gänzlich ohne Bedeutung sind.
In diesen 532 Tagen wäre es für mich natürlich möglich gewesen, für ein Spiel akkreditiert zu werden, doch warum hätte ich das tun sollen? Ich wollte ja auch bei der heutigen Partie, dem Saisonauftakt gegen Eintracht Frankfurt, nicht auf der Pressetribüne sitzen, sondern als Fan auf der Südtribüne stehen. So hatte ich mich wie viele der Dauerkarteninhaber online um ein Ticket beworben. Meine Chancen schienen nicht die besten zu sein. Schon früh teilte der Klub mit, dass die Nachfrage nach Südtribünenkarten das Angebot übersteigt, und ich hatte keine Ersatzkategorie angegeben, weil mein Browser mich nicht ließ, weil ich eh auf keine andere Tribüne wollte und auch weil mir der Preis von 37 Euro zu hoch war. Doch am Dienstag um 10 Uhr erreichte mich eine Mail mit dem Betreff „Sie haben bei der Verlosung gewonnen“.