Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Der Text erschien erst­mals im 11FREUNDE-SPE­ZIAL Die Rebellen des Fuß­balls“. Das Heft gibt es bei uns im Shop.

Am Tag, nachdem Jean-Marc Bosman in einem Vorort von Lüt­tich zur Welt gekommen war, spielte der FC Arsenal daheim gegen Everton. Die Lon­doner Elf lun­gerte im Nie­mands­land der Tabelle herum, doch an diesem Nach­mittag lie­ferte sie eine große Partie ab und gewann 3:1. Der Mann des Spiels war ein 28-jäh­riger Angreifer namens George Eastham. Er traf zwar selbst nicht ins Tor, aber das musste er auch nicht, denn es war nicht sein Job. Am fol­genden Tag, Aller­hei­ligen 1964, schrieb die Times“ über Eastham: Auf den zer­brech­lich wir­kenden Streich­höl­zern, die bei ihm als Beine durch­gehen, war er wie ein Hauch, den Everton nicht zu fassen bekam. Er hatte ständig Über­ra­schungen parat und schlug seine Pässe an uner­war­tete Stellen mit wun­der­barer Leich­tig­keit. Er hob jeden um ihn herum auf ein neues Niveau.“

Sollte es noch nicht deut­lich geworden sein: Eastham war richtig gut. Der tech­nisch bril­lante Linksfuß stand 1962 und 1966 sogar in Eng­lands WM-Auf­gebot und gewann nur des­wegen kaum Titel, weil seine Klubs – erst New­castle, dann Arsenal, schließ­lich Stoke City – zu seiner Zeit nicht zur Elite zählten. Auf vielen zeit­ge­nös­si­schen Fotos hat er zudem eine gewisse Ähn­lich­keit mit Kirk Dou­glas und ver­sprüht genau wie der ame­ri­ka­ni­sche Schau­spieler eine Mischung aus Ele­ganz und kan­tiger Auto­rität. Anders gesagt, Eastham taugte zum Helden, und es ist kein Zufall, dass er Arsenal später als Kapitän aufs Feld führte.

Revo­lu­tio­näre des modernen Fuß­balls

Auf den ersten Blick haben Bosman und Eastham – diese beiden Fuß­baller aus ver­schie­denen Län­dern, von unter­schied­li­cher Klasse und aus ganz anderen Gene­ra­tionen – also nicht viel gemein, sieht man einmal davon ab, dass der Bel­gier sich in einem Inter­view mit dem Spiegel“ einmal als eine klas­si­sche Nummer Zehn“ beschrieb, was man auch über den Eng­länder gesagt hätte, wäre dies zu seiner Zeit die Rücken­nummer des Spiel­ma­chers gewesen. Blickt man aber ein zweites Mal hin, dann sind die beiden auf einem ver­schlun­genen Pfad mit­ein­ander ver­bunden, an dessen Exis­tenz keiner von ihnen zu Beginn seiner Kar­riere auch nur einen Gedanken ver­schwendet hatte. Denn Eastham und Bosman revo­lu­tio­nierten den modernen Pro­fi­fuß­ball tief­grei­fender als kaum jemand sonst. Ja, man kann durchaus sagen, dass Bosman in dem Moment berühmt wurde, als er eines jener typi­schen Eastham-Zuspiele an uner­war­tete Stellen“ auf­nahm und ver­wan­delte, viele Jahre, nachdem der Pass gespielt worden war. Zu guter Letzt waren beide Männer einer­seits mutige Auf­rührer, ande­rer­seits sehr unfrei­wil­lige Revo­luzzer.

Warum aber einer der beiden an seiner Rebel­lion zer­brach, wäh­rend der andere lässig wie Kirk Dou­glas und mit einem Orden um den Hals davon­spa­zierte, das vermag auch der prü­fendste Blick nicht zu ergründen. Viel­leicht hat es mit den Anfängen zu tun. Damit, dass Bosman als Sohn eines Minen­ar­bei­ters in einem kleinen Haus auf­wuchs, von dessen Dach­fenster aus er sehn­süchtig auf das Sta­dion von Stan­dard Lüt­tich blickte. Sein größter Wunsch war es, dort eines Tages als Star des Teams spielen zu dürfen. Fuß­ball war mein großer Traum, seit ich ein Kind war“, sagte er der eng­li­schen Sonn­tags­zei­tung Observer“ im Januar 2006, knapp zehn Jahre nach dem Tag, an dem er Schlag­zeilen machte. Seinem großen Traum ord­nete Bosman vieles unter. Mit 17 Jahren ging er ohne Abschluss von der Schule ab, doch weil er da schon Kapitän der bel­gi­schen Jugend­na­tio­nal­mann­schaft war, standen die Aus­sichten gut, dass er es im Fuß­ball zu etwas bringen würde. Ein Jahr später unter­schrieb er dann tat­säch­lich einen Ver­trag bei Stan­dard Lüt­tich. Sein größter Wunsch war zum Greifen nah. Viel­leicht überkam ihn des­halb die Ver­bit­te­rung, als der Traum zu platzen begann. In jedem Fall war Bosman zur rich­tigen Zeit am rich­tigen Ort, aber am Ende der fal­sche Mann.