Mit dem SV Meppen hat unser Autor unzählige Täler durchschritten. In dieser Saison ist alles anders. Zeit für einen überfälligen Liebesbrief.
„Mythos Meppen“, haben die Leute immer wieder gesagt. Beschworen. Als wärst du eine superscharfe Bedienung im Mike’s Pub gewesen, die jeden Typen um den Finger wickelte, aber von der niemand wusste, wohin sie gegangen ist. Und jeder von uns hoffte, dass du nicht mittlerweile die verrauchte Alte am Spiel-o-Mat seist.
Über dich lernte ich meine besten Freunde kennen. Acht Jungs, die in der D‑Jugend zusammen kickten und noch heute in Block H auf einer morschen Holzbank sitzen, wenn du spielst. Direkt hinter der Gästebank, angelehnt an einen sichtbehindernden Pfosten. Immer bereit zum Pöbeln – auch wenn uns niemand hört. Wie oft sind wir über die Holzbänke gepurzelt und habe deine Tore bejubelt. Gegen Pewsum, gegen Wilhelmshaven und auch gegen den SV Eichede.
Du hast mich so enttäuscht
Du hast uns zusammengehalten. Erste Liebe. Wenn wir über nichts sprechen können, dann sprechen wir über dich. Denn du bist und bleibst unser kleinster gemeinsamer Nenner.
Aber ich muss etwas gestehen: Im letzten Sommer habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, mich von dir zu befreien. 0:3 am letzten Spieltag, ausgerechnet gegen Oldenburg. Was für ein unwürdiger Abgang einer unwürdigen Saison. Wir beide wussten schon im Winter, dass es um nichts mehr gehen wird. Dass da nichts mehr kommt. Nicht einmal geheuchelte Leidenschaft. Aber 0:3 im Derby?! Am letzten Spieltag? – Du hast mich so enttäuscht. Ich wollte dir die kalte Schulter zeigen.
Und dann kam der Sommer. Du warst zurück, braungebrannt und topfit. Mit Spielidee und Zukunftsvision, mit ein bisschen peinlicher PR. Du spielst jetzt jeden Gegner an die Wand. Die Besten im Nordwesten. Ich habe fast ein wenig Angst um dich, so rasant wie du dich zurzeit veränderst. Ist das der Gesundheit nicht abträglich?
Gummistiefelmentalität
Ein bisschen skeptisch bin ich mit Kollege Kirschneck ins Emsland gefahren. Die Antwort auf seine Frage kannte ich noch immer nicht. Also sprachen wir mit den Legenden aus Zweitligazeiten, die dich noch als Pub-Bedienung kannten. Die vom Mythos Meppen sprachen, als sei er ein lange vermisster Bruder. Gummistiefelmentalität, Kreisauswahl im Profigeschäft und trotzdem nicht alles bierernst genommen.
Rainer Rauffmann, dein Stürmer aus den Neunzigern, soll eines Morgens mit dem Mannschaftsbus aus der letzten Kneipe abgeholt worden sein. Er schoss dann drei Tore und legte sich auf der Rückfahrt wieder schlafen. Gibt es ein besseres Vorbild für Jugendliche vom Dorf?