Mit der jüngsten Finanzspritze durch das Brause-Imperium zeigt RB Leipzig einmal mehr gekonnt auf, wie leicht sich DFL, UEFA und sogar der FC Bayern an der Nase herumführen lassen. Und wie krank das eigene System ist.
Der renommierte Sport-Ökonom Prof. Dr. Christoph Breuer von der Deutschen Sporthochschule in Köln sieht hinter dem obskuren 100-Millionen-Deal „mal wieder einen geschickten Zug von Red Bull unter Ausnutzung vorhandener Spielräume“. Breuer bemängelt jedoch fehlende Transparenz: „Interessant wäre, wie die vertraglichen Bedingungen der Kapitalumwandlung ganz konkret aussehen. Dies ist mir unklar, wäre aber für eine abschließende Bewertung wichtig.“
So oder so – laut Breuer war die Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital vor allem eines: eine dringend benötigte Akuthilfe für einen kränkelnden Klub, der auf viel zu großem Fuß lebt. „Womöglich hat man bei Rasenballsport Leipzig veritable Liquiditäts-Engpässe auf sich zukommen sehen, sonst hätte der Red-Bull-Konzern einem solchen Schritt vielleicht gar nicht zugestimmt“, erklärt Sport-Ökonom Breuer. „Leipzig weist ja schließlich eines der am stärksten negativen Transfer-Saldos der vergangenen Jahre auf.“
Auch wenn RB-Vorstandschef Mintzlaff noch im Januar treuherzig beteuerte, bei RB werde (O‑Ton) „nachhaltig“ gearbeitet, sprechen die nackten wirtschaftlichen Fakten eine ganz andere Sprache. Rund 124 Millionen Euro betrugen die Schulden des Retortenvereins nach Abschluss des Geschäftsjahres 2018/19. Man muss nicht Adam Riese heißen, um zu kapieren: Ohne die Umwandlung von 100 Millionen Euro Verbindlichkeiten in Eigenkapital im April 2019 hätte RB Leipzig vor einem gigantischen Schuldenberg von 224 Millionen gestanden. Damit hätte man sogar den FC Schalke 04 (zuletzt rund 198 Millionen Verbindlichkeiten) locker „übertroffen“.
„Man kann bei RB Leipzig tatsächlich erstaunlich viele Parallelen zu Schalke ausmachen“, urteilt Sport-Ökonom Breuer. „Natürlich befände sich ein Klub mit einer Verschuldung in Höhe von 224 Millionen Euro und Leipzigs sonstigen Kennzahlen zumindest nahe dran an einer bilanziellen Überschuldung.“ Wobei so unschöne Begriffe wie Schulden im Marketingslang des Oliver Mintzlaff eher selten bis gar nicht vorkommen. Der RB-Boss, der sonst gerne von „Synergieeffekten“ spricht, nennt es lieber eine „Anschubhilfe“ durch den Konzern.
„Hier stellt sich natürlich auch die Frage der Chancengleichheit innerhalb der Liga“, gibt Breuer zu bedenken. „Solche Finanzierungsmöglichkeiten hat, abgesehen von Wolfsburg und Leverkusen, kein anderer Bundesligist zur Verfügung.“ Wobei man in Leipzig schon seit einigen Tagen eifrig streut, dass eine Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital geradezu üblich sei im deutschen Profi-Fußball. Hinter vorgehaltener Hand verweist man gern auf den Hamburger SV: Der rührige Investor Klaus-Michael Kühne habe den „Rothosen“ doch bereits mehrfach Schulden erlassen.