Niederlagen machen einen stärker? Auch Pleiten können Siege sein? Wer diesen Mumpitz glaubt, kennt Germania Forchheim, Fortuna Erfurt oder die Kickers Marbach nicht.
Die Spiele wurden trotzdem nicht besser, immerhin kamen nun mehr Zuschauer, manchmal sogar über 500. „Stern TV“ veranstaltete sogar einen Verlier-Cup, den Forchheim und Inter Bochum – noch so eine Schießbudentruppe – unter sich ausspielten. Aber bald war die Geschichte auserzählt, und irgendwo taumelte sicherlich eine neue Versagerelf dem Abgrund entgegen. So bekam kaum noch jemand mit, dass sich Forchheim vier Jahre später, im Sommer 2013, aus dem Spielbetrieb zurückzog. 2016 meldete der Verein Insolvenz an.
Man muss die Schicksale der ewigen Verliererteams nicht überhöhen, vermutlich hätten sich die meisten von ihnen auch ohne den zwischenzeitlichen Mega-Hype aufgelöst. Trotzdem: Hin und wieder fühlt es sich an, als sei man Zuschauer einer Reality-Doku-Show auf RTL. Ein paar Wochen werden die Versagerteams durch die TV-Manege getrieben – ob sie wollen oder nicht. Die Vera-Int-Veenisierung des Amateurfußballs. Hinterher Leute, kommt, bewegt euch, hopp, hopp. Bisschen Trash, bisschen Elend, bisschen Ironie, ach, und was macht eigentlich der SSV Hacheney? Mitte der Nullerjahre wurde der Dortmunder Kreisligaklub in der Kabel1-Serie „Helden der Kreisklasse“ einem Millionenpublikum präsentiert. Dabei, so verkündete der Verein später, verdiente er nicht mehr als „ein paar Mark fünfzig“. Heute kann er sich nicht mal einen Rasenplatz leisten.
„Aufgelöst! Pleite-Klub konnte Rummel nicht ab!“
Ähnlich populär wie Forchheim wurden die Spieler des TSV Wangersen II im Jahr 2015. In der fünften Kreisklasse im niedersächsischen Stade legte das Team eine sensationelle Graupenserie hin: 56 Spiele ohne Punktgewinn am Stück. Den letzten Sieg hatte die Mannschaft zuvor im Mai 2012 geholt – weil der Gegner nicht antrat. 2014 gewann Wangersen erneut, das Blöde war nur: Die gegnerische Mannschaft löste sich danach auf, weshalb dem TSV die drei Punkte wieder aberkannt wurden. Erst im Juni 2015, nach drei Jahren ohne Punktgewinn, erkämpfte sich das Team ein 2:2 gegen den Ligakonkurrenten FC Wischhafen/Dornbusch IV. Die Jubelschreie hörte man im nahegelegenen Hamburg, weshalb die Reporter sich wieder auf den Weg machten in das kleine Dörfchen der Gemeinde Ahlerstedt. Trainer Gerald Heins erklärte in der „taz“, dass er eigentlich gar kein Trainer sei, weil Wangersen ja nie trainiere. Am Sonntagmorgen müsste er froh sein, wenn überhaupt genug Spieler erschienen. Immer diese Absagen auf den letzten Drücker, schimpfte er. „Mal wegen einer Nagelentzündung, mal weil sich einer beim Helene-Fischer-Konzert verletzt hat.“
Aber das ist nichts gegen den SV Tiefenstein, Kreisliga B, Oberrheinstaffel 5. Anfang der Achtziger verlor das Team 63 Spiele in Folge, Torverhältnis 30:506. Der Grund für die desolaten Leistungen war in diesem Fall geografischer Natur. Tiefenstein, 254 Einwohner, 31 Häuser, eine Kirche, liegt in einem Tal am Lauf des Oberrheins, und viele Bewohner konnten deshalb kein Fernsehsignal empfangen. Die Spieler erklärten, dass sie keine Bundesligaspiele sehen könnten, um sich bei den Profis technische Finessen abzuschauen. Dafür kam die „Sportschau“ mit Reporter Rudi Michel zu ihnen, um eine Reportage zu drehen. Dem Team gelang an diesem Tag sogar ein Treffer, nur leider landete der Ball nicht im Tor, sondern fegte eine mehrere tausend Euro teure ARD-Kamera vom Stativ. Im Sommer 1985, ein Jahr nach dem Hype, verkündete die „Bild“ in einer Zehn-Zeilen-Meldung: „Aufgelöst! Pleite-Klub konnte Rummel nicht ab!“ Die Mannschaft habe „nur noch am Stammtisch geglänzt“.