In Italien wurde ein Fan vom Auto eines rivalisierenden Anhängers angefahren und starb. Geraten die Grabenkämpfe der Ultras außer Kontrolle?
Erste Ermittlungsergebnisse lassen auf einen von langer Hand geplanten Hinterhalt schließen. Demnach hatten Ultras von Vultur Rionero aus dem süditalienischen Örtchen Vaglio Basilicata am Sonntag, dem 19. Januar, an der schmalen Ortseingangsroute eine improvisierte Straßensperre errichtet. Wohl, um anreisende Anhänger des Erzrivalen AS Melfi aus dem Verkehr zu ziehen, sie zum Aussteigen zu zwingen und zu verprügeln. Mit Baseballschlägern und anderem Hiebwerkzeug, das die Polizei später in der nahen Böschung sicherstellte.
Irgendwann am Nachmittag hatte die Falle zugeschnappt – auf tödliche Weise. Das Opfer war offenbar einer der Täter. Der 39-jährige Vultur-Ultra Fabio Tucciariello lag plötzlich tot auf dem kalten Asphalt. Erfasst vom Kleinwagen eines 30-jährigen Melfi-Fans, nachdem rund 30 vermummte und bewaffnete Vultur-Ultras dessen Auto gestoppt und umringt hatten. Einen silberfarbenen Fiat, in dem sich nach Angaben der ermittelnden Staatsanwaltschaft zum fraglichen Zeitpunkt auch ein Kind befand.
Was dann passierte, ist im Kern unstrittig: Der Fahrer, Salvatore L., gab Gas. Und erwischte Tucciariello laut Zeugenberichten mit dem rechten vorderen Kotflügel. Absichtlich? Oder in schierer Panik? Auch andere Vultur-Ultras wurden bei dem Zwischenfall teils schwer verletzt, einer liegt mit Arm- und Beinbrüchen im Krankenhaus San Carlo im nahen Städtchen Potenza. Die Polizei nahm neben Salvatore L. noch über 20 weitere Personen vorläufig fest. Die meisten von ihnen entstammen der Ultraszene von Vultur Rionero.
„Es kann nicht sein, dass wegen eines Fußballspiels ein Mensch stirbt“
Das darauffolgende Derby der Provinz Basilicata zwischen Vultur Rionero und AS Melfi, eine Partie in der „Eccellenza“ (fünfthöchste Liga Italiens), endete bereits nach knapp 18 Minuten. In betretenem Schweigen. Als die Nachricht von dem tragischen Ereignis das Stadion erreicht hatte, entschlossen sich die Verantwortlichen spontan zum Abbruch. Ein Spiel machte in diesem Augenblick keinen Sinn mehr. Und die Frage muss wohl lauten, ob Fußball so überhaupt noch Sinn macht.
Fabio Tucciariello war nicht der erste italienische Tifoso, der vom Auto eines rivalisierenden Fans erfasst und getötet wurde. Ende 2018 war ein 35-jähriger Inter-Ultra bei schweren Ausschreitungen in Mailand vom Fahrzeug eines Napoli-Ultras erfasst, durch die Luft geschleudert und schwer verletzt worden. Der Mann, der später im Krankenhaus verstarb, gehörte nach Polizeiangaben zu einer militanten Gruppe von Inter-Ultras, die einen mit Neapel-Fans besetzten Van attackiert hatte. Mit Schlagstöcken und Eisenstangen. Am Abend des 2. Weihnachtstages. Der Fahrer des Vans soll seinerseits beschleunigt haben und gezielt auf den Inter-Anhänger zugerast sein.
Auch wenn die Fälle von Mailand und Vaglio Basilicata in ihrer Komplexität schwer vergleichbar und unabhängig voneinander zu bewerten sind – eines legen sie beide dringend nahe: Im Mutterland der Ultras ist vieles komplett außer Kontrolle geraten. „Es kann nicht sein, dass wegen eines Fußballspiels ein Mensch stirbt“, schrieb Vito Bardi, der Regierungspräsident der Provinz Basilicata, kurze Zeit später.