Ges­tern schwiegen mehr als 80.000 Men­schen im West­fa­len­sta­dion eine Minute lang, um Hans Til­kowski zu gedenken. Der vor drei Wochen ver­stor­bene Tor­wart gilt vor allem des­wegen als Dort­munder Legende, weil er zum Team gehörte, das 1966 als erste deut­sche Elf einen Euro­pa­pokal gewann. Auch wenn seitdem mehr als ein halbes Jahr­hun­dert ver­gangen ist, in dem der BVB viele Titel holte, gilt diese Mann­schaft bis heute als eine der größten und wich­tigsten der Ver­eins­ge­schichte.

Von den elf Spie­lern, die damals im Finale gegen den FC Liver­pool auf dem Rasen standen, leben nach Til­kow­skis Tod nur noch drei: Theo Redder, Siggi Held und Kapitän Wolf­gang Paul. Letz­terer feiert heute seinen 80. Geburtstag. Wir ver­neigen uns vor einem nicht nur kör­per­lich großen Fuß­baller und sagen: Alles Gute, Stopper!

Mit der Posi­tion ver­wachsen

Stopper“, das ist noch immer der Aus­druck, unter dem alle Borussen Wolf­gang Paul kennen. Nicht viele Spieler waren so mit ihrer Posi­tion auf dem Rasen ver­wachsen, dass daraus ein Spitz­name wurde. Dabei war diese Rolle gar nicht so ein­deutig und unver­än­der­lich, wie die lang­le­bige Bezeich­nung ver­muten lässt. Als der Innen­stürmer Paul 1961 vom VfL Schwerte zum BVB kam, wurde er von Trainer Max Merkel zuerst zu etwas umge­schult, was sich damals noch Mit­tel­läufer nannte.

Als dann die Sys­teme mit einem Libero auf­kamen, unter­schied man zwi­schen dem tief­stehenden freien Mann, dem Aus­putzer oder Stopper, und dem Ver­tei­diger, der vor oder neben ihm den geg­ne­ri­schen Mit­tel­stürmer in Mann­de­ckung nahm, dem Vor­stopper. In der Elf, die 1966 in Glasgow gegen das favo­ri­sierte Liver­pool den Pokal der Pokal­sieger gewann, spielte Rudi Assauer Vor­stopper, wäh­rend der Sau­er­länder Paul der Stopper war. Man könnte auch sagen: der Abwehr­chef.

Deut­sche Pokal-Pre­miere

Als der BVB nach dem 2:1‑Sieg in Glasgow die Tro­phäe über­reicht bekam, durfte Kapitän Paul sie als Erster ent­ge­gen­nehmen. In diesem Moment wurde er zum ersten deut­schen Fuß­baller, der jubelnd einen Euro­pacup in die Höhe hielt. (Der Erken­sch­wi­cker Horst Szy­ma­niak stand zwar bei Inter Mai­land unter Ver­trag, als die Ita­liener 1964 den Cup der Lan­des­meister holten, doch er war am Finaltag nicht im Kader.)

Paul machte das im schot­ti­schen Schmud­del­wetter sehr gut, denn er hatte Übung im Feiern von Titeln. Er gehört zu den wenigen Borussen, die neben dem Euro­pacup und dem DFB-Pokal von 1965 auch noch die Meis­ter­schaft 1963 holten, die letzte vor Ein­füh­rung der Bun­des­liga. Til­kowski konnte das zum Bei­spiel nicht von sich sagen, und auch Held stieß erst zur Bun­des­li­ga­zeit zum BVB.

Zusammen mit diesen beiden (und mit Lother Emme­rich) fuhr Paul nach dem Tri­umph in Glasgow zur WM nach Eng­land. Er wurde von Bun­des­trainer Helmut Schön berufen, obwohl er noch kein Län­der­spiel bestritten hatte. Er sollte es auch nie tun dürfen, und das lag wie­derum daran, dass er so mit seiner Posi­tion ver­wachsen war. Denn der unum­strit­tene Stopper der Natio­nalelf war in jener Zeit der aus Wat­ten­scheid stam­mende Willi Schulz.

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Kno­chen­hart, aber fili­gran

Zwei Jahre nach der WM in Eng­land zog sich Paul eine Ver­let­zung zu, die ihn am Ende zwingen sollte, seine Kar­riere im Alter von 30 Jahren zu beenden, nach ins­ge­samt 237 Pflicht­spielen für den BVB, in denen er immerhin acht Tore erzielte, meis­tens vom Elf­me­ter­punkt. Der stets faire, aber trotzdem kno­chen­harte Abwehr­spieler hatte einen erstaun­lich fili­granen Beruf erlernt – Uhr­ma­cher. Als sol­cher ließ er sich im Sau­er­land nieder und eröff­nete ein Fami­li­en­un­ter­nehmen. Doch natür­lich blieb Paul seinem BVB immer ver­bunden. Ihm wurden 1995 die Ehren­mit­glied­schaft und die Gol­dene Ver­eins­nadel ver­liehen, noch immer ist er der Vor­sit­zende des Ältes­ten­rates.

Nach einem Jahr, das für Dort­munder Fans viele trau­rige Momente hatte – vor Til­kowski starben schon Man­fred Burg­s­müller sowie Pauls lang­jäh­rige Team­kol­legen Lothar Geisler und Assauer –, tut es gut, die Sau­er­länder Eiche immer noch auf­recht zu sehen. Bleib gesund, Stopper!