Eigent­lich, so bilan­zierten wir in unserer Repor­tage über die Ent­frem­dung der deut­schen Natio­nal­mann­schaft von den Fuß­ball­fans hier­zu­lande in 11FREUNDE #218, sei es ja gar nicht so schwer. Wolle der DFB das ver­lo­rene Ver­trauen der Anhänger zurück­ge­winnen, müsse er vor allem ver­in­ner­li­chen, dass seine Anschrift in der Otto-Fleck-Schneise in Frank­furt liegt. Nicht im Silicon Valley.“

Denn wer die Auf­tritte der Mann­schaft“ zuletzt ver­folgte, konnte sich des Ein­drucks nicht erwehren, dass der Ver­band über seine über­drehte Mar­ke­ting-Maschi­nerie mit seinem Fan-Club powered by Coca-Cola und dem Geschwafel von Stake­hol­dern“ und Marken-Com­mit­ment“ die ein­fa­chen Dinge ver­gessen hatte. Viel zu plump wirkten die Ver­suche, mit einer Yeti-Band oder einem Brat­wurst-Bring-Ser­vice per Smart­phone für Begeis­te­rung zu sorgen.

Ein erstes Aus­ru­fe­zei­chen

Doch nun, zu Beginn des Jahres 2020, zeigt der Ver­band, dass er mög­li­cher­weise ver­standen hat. Für das Freund­schafts­spiel gegen Ita­lien am 31. März ver­kauft der DFB erst­mals seit über 20 Jahren wieder Steh­platz­ti­ckets. Der Fuß­ball ist für jeden da und muss für jeden bezahlbar sein“, begründet DFB-Prä­si­dent Fritz Keller den Schritt. Zumal Steh­plätze in Deutsch­land fest zum Sta­di­on­er­lebnis gehören.“

Damit greift er eine der Kern­for­de­rungen von Fuß­ball­fans auf und setzt in seiner erst kurz wäh­renden Amts­zeit ein erstes echtes Aus­ru­fe­zei­chen. Dass der DFB aller­dings mehr als 20 Jahre benö­tigte, um her­aus­zu­finden, dass es sich beim ver­meint­li­chen Steh­platz­verbot der UEFA bei Freund­schafts­spiele ledig­lich um eine Emp­feh­lung han­delt, zeigt aber auch, wie ver­schlafen der Ver­band bei fan­re­le­vanten Themen agierte.

Das Steh­platz­verbot ist nicht zeit­gemäß

Wenn Keller kon­se­quent ist und es ihm mit dem pro­pa­gierten Pro­zess in Rich­tung Fans“ ernst ist, muss er sich nun gemeinsam mit den Ver­einen bei der UEFA dafür stark machen, Steh­plätze auch bei inter­na­tio­nalen Pflicht­spielen und ins­be­son­dere bei Euro­pa­pokal-Spielen von Ver­einen zu erlauben. Denn das Steh­platz­verbot der UEFA ist vor allem eines: nicht mehr zeit­gemäß. Dass es mit­nichten Steh­plätze waren, die 1989 die Hills­bo­rough-Kata­strophe aus­lösten und damit die Ära der reinen Sitz­platz-Sta­dien ein­läu­teten, ist mitt­ler­weile erwiesen. Steh­plätze in Deutsch­land sind sicher. Dass sie für inter­na­tio­nale Par­tien jedes Mal mit großem Auf­wand in Sitz­platz­be­reiche umge­baut werden müssen, ist absurd.

Bereits für das U21-Län­der­spiel im ver­gan­genen November in Frei­burg gegen Bel­gien konnte der DFB dank einer Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung Steh­platz­ti­ckets ver­kaufen. Diese hatte Fritz Keller in einem per­sön­li­chen Gespräch mit UEFA-Prä­si­dent Alex­ander Ceferin erwirkt. Nutzt er seine Bezie­hungen wei­terhin im Sinne der Fans, könnte er auf diesem Wege viel ver­lo­renes Ver­trauen zurück­ge­winnen. Manchmal ist es eben gar nicht so schwer.