Queen’s Park FC ist eng mit Wattenscheid 09 verbunden – und gilt als einer der wichtigsten Klubs aller Zeiten. Weil seine Spieler einst das Passspiel erfanden und der 1867 gegründete Verein selbst im Profifußball stets am Amateurgedanken festhielt.
Der Text erschien im September 2017 in 11FREUNDE #190. Damals war Queen’s Park noch ein reiner Amateurverein. Im Januar 2020 unterschrieben erstmals in der 154-jährigen Vereinsgeschichte Spieler von QPFC Profiverträge. Seit Sommer 2020 spielt die Mannschaft außerdem nicht mehr im Hampden Park. Der Schottische Fußballverband, der das Stadion für die Austragung der Heimspiele der Nationalmannschaft bislang stets von Queen’s Park FC gemietet hatte, hat dem Verein das Areal für umgerechnet knapp 6,3 Millionen Euro abgekauft. Ein Spottpreis – allerdings hatte der Verband damit gedroht, das Stadion nicht länger zu mieten, sondern in ein anderes umzuziehen. Was aufgrund der fehlenden Mieteinnahmen einigermaßen sicher zur Pleite für Queen’s Park FC geführt hätte. Mit Hilfe der Einnahmen aus dem Verkauf wird in der Nähe vom Hampden Park derzeit ein neues Stadion gebaut. Mit 1 700 statt bisher 52 000 Plätzen.
Anlässlich des 150-jährigen Vereinsjubiläums haben wir QPFC im Sommer 2017 besucht.
Die Liste der Männer, die mit verrückten Einfällen die Welt zu einer anderen werden ließen, ist lang: Edward Nairne erfand beispielsweise das Radiergummi, Alfred Nobel das Dynamit und Rudi Völler erfindet noch heute regelmäßig Ausreden, warum seine Mannschaft nun schon wieder benachteiligt wurde. Allerdings fehlen fälschlicherweise Namen auf dieser Liste. Und wenn es um Fußball und nach den Schotten geht, sind das vor allem schottische. Genauer: Mindestens elf Namen von Spielern des Glasgower Vereins Queen’s Park FC. Was wiederum viel mit dem Jahr 1872 zu tun hat.
Da traf die schottische Nationalmannschaft auf die englische – zur damaligen Zeit eine Sensation. Denn: Vorher hatte es weltweit noch nie ein Länderspiel gegeben. Die favorisierten Engländer, angereist mit den besten Spielern aus neun verschiedenen Vereinen und – so erzählt man es sich in Schottland – einigermaßen hochnäsig im Auftritt, spielten gegen eine schottische Auswahl, die sich ihre Trikots selber nähte und aus genau elf Spielern von Queen’s Park FC bestand, dem ältesten Fußballverein des Landes. Viele rechneten mit einer Klatsche für die Schotten. Doch statt sich abschlachten zu lassen, machten die Glasgower einfach ihr Ding. Anders ausgedrückt: Sie revolutionierten das Spiel. Noch anders ausgedrückt: Sie passten sich den Ball zu.
„In der Wissenschaft gibt es dafür einen offiziellen Terminus: Bullshit!“
Knapp 150 Jahre später passen die treuesten Anhänger von QPFC in einen kleinen Pavillon aus Holz, den Hampden Bowling Club im Süden von Glasgow. Dort feiert der Verein Geburtstag, den 150. Denn gegründet hatte sich der Klub, aus dem die schottische Nationalmannschaft hervorging, bereits 1867. Es ist ein Freitagabend Anfang Juli und in dem Pavillon sitzen knapp 50 Fans. An den holzvertäfelten Wänden hängen Bilder der besten Bowler des Viertels, durch die Fenster fällt die Abendsonne. Ansonsten: eine Theke, sechs Tische und viele Unterarmtattoos.
Die Luft in dem kleinen Raum ist dünn, die Körper der Anwesenden eher nicht, auf den Tischen steht Dosenbier, auf den Papptellern liegen Blutwurst und frittierter Fisch. Es ist jetzt 21 Uhr, die Feier ist beim Programmpunkt „Pubquiz“ angekommen, Kategorie „Schottische Fußballgeschichte“. Weswegen Tisch drei einen enormen Vorteil hat. Denn dort sitzt Ged O’Brien – Fußballhistoriker und Gründer des schottischen Fußballmuseums. Für O’Brien sind die Fragen ein Kinderspiel, viele hat er einst ja selbst beantwortet. Wer also Dinge über diesen Sport erfahren will, sollte sich mit ihm unterhalten. Beziehungsweise: ihm zuhören. Denn es reicht schon, sich nur in seine Nähe zu setzen. Erzählen tut der graue Mann in den etwas zu großen Hosen von ganz alleine. „Wir befinden uns hier im bedeutendsten Viertel der Fußballgeschichte“, sagt er. „Viele Leute behaupten zwar, die Engländer hätten den Fußball erfunden. Doch in der Wissenschaft gibt es dafür einen offiziellen Terminus: Bullshit!“